Netzzugangstechniken/Mehr Bandbreite im Stadtnetz durch optische Vernetzung

Glasfaser eliminiert die Trennung zwischen Daten und Sprache

31.03.2000
Ein dickes Backbone allein reicht nicht aus. Staus auf dem Daten-Highway entstehen selten auf gerader Strecke, sondern meist an den Zu- und Abfahrten und zur Rushhour. Wie im Straßenverkehr entscheidet die eingesetzte Technologie und deren Betrieb über die Menge und Dauer von Engpässen. Im Zugangsbereich konkurrieren praktisch alle TK-Technologien miteinander. Ralph Humberg* zeigt, welche Siegerqualitäten die optische Vernetzung hat.

Das Besondere an Licht ist, dass es in beliebig vielen spektralen Farben vorkommt, die sich gegenseitig nicht stören. Das funktioniert nicht nur in der Luft, sondern auch im Medium Glasfaser. Geschickt genutzt, lässt sich dieser Effekt durch Wellenlängenmultiplexen (WDM = Wavelength Division Multiplexing) so einsetzen, dass Übertragungssysteme mit Bandbreiten im Terabit/s-Bereich verfügbar sind. Dabei sind die WDM-Systeme in der Lage, voneinander unabhängige Signale wie STM-1 (155 Mbit/s) oder Fast Ethernet (100 Mbit/s) auf einer gemeinsamen Übertragungsstrecke zu multiplexen.

Die heute im Metrobereich üblichen Maximalgeschwindigkeiten sind für SDH-Produkte (Synchronous Digital Hierarchy) 2,5 Gbit/s (STM-16), 1,06 Gbit/s für Fibre-Channel-Produkte, 1,25 Gbit/s für Gigabit Ethernet und 270 Mbit/s für unkomprimierte Videoübertragungen. Allerdings zeigt sich in den meisten Bereichen bereits, dass diese Bandbreiten nicht lange ausreichen werden: Bei SDH sind erste Systeme mit 10 Gbit/s im Einsatz, Fibre Channel setzt zum Sprung auf Transferraten von 2 bis 4 Gbit/s an, und das Ethernet-Lager schmiedet heute schon an 10-Gbit/s-Lösungen.

Wer glaubt, solche Bandbreiten seien ein Overkill, braucht nur einen Blick auf die Anwendungsentwicklung zu werfen: LAN Interconnection, Internet-Zugang, SAN (Storage Area Networking) und Video-Streaming sind wahre Bandbreitenkonsumenten. Angesichts dieser Entwicklung sprechen Experten schon davon, dass Bandbreite bald ein Consumer-Produkt sein wird, das man so selbstverständlich nutzt wie Wasser- und Energieversorgung. Die einzige Technologie, die aus heutiger Sicht in der Lage ist, Gigabit-Ströme im City-Bereich zu transportieren, zu bündeln, zu verteilen und zu managen, ist die optische Vernetzung.

Eine wichtige Anforderung an die Zugangstechnologie der Zukunft ist die Fähigkeit, praktisch jede Art von Verkehr zu verarbeiten. Dabei sollte sie zudem mit der bereits installierten Infrastruktur problemlos zusammenarbeiten. Hier liegt ein Knackpunkt der heute so gefeierten schnellen Übertragungsverfahren auf Kupfer- und Funkbasis. Sie sind meist auf komplexe analoge Modulationstechnologien angewiesen, um die Informationen zu codieren und hohe Transferraten zu erreichen. Die optische Vernetzung setzt dagegen auf einfache digitale Signale, die problemlos regeneriert und verstärkt werden können. Ein weiterer Vorteil von Glasfaser ist, dass sich auch recht nahe aneinander liegende Lichtfrequenzen nicht stören. Störungen wie etwa durch das Übersprechen im Kupferkabel sind unbekannt.

Damit ermöglicht die optische Vernetzung eine vollständig protokollunabhängige Übertragung. Daten, Sprache und Video lassen sich so in ihren Originalsignalen nutzen, ohne in ein weiteres Protokoll umformatiert zu werden. Da diese Art der Vernetzung der Verarbeitung auf der untersten OSI-Schicht (Layer 0) entspricht, ist die einwandfreie Übertragung aller Protokolle höherer Schichten wie SDH, ATM oder IP gewährleistet. Ähnlich einer Stadtautobahn, auf der Lkws, Pkws und Motorräder Platz haben, ist die Glasfaser eine Datenautobahn für alle Protokolle.

Die schnellen Daten-Highways bringen aber wenig, wenn sie sich nicht einfach in die bereits vorhandene Infrastruktur integrieren lassen. Die meisten Carrier haben in den vergangenen Jahren in modernste SDH-, ATM- und ISDN-Technik investiert, die sie auch in den nächsten Jahren weiter verwenden wollen. Dank der transparenten Übertragungseigenschaften ist diese Forderung für WDM kein Problem. Ohne Weiteres transportiert es die vorhandenen Signale und schafft zudem Platz für Verkehr, der in SDH- und ATM-Systemen nur unzureichend übertragbar ist. Das gilt insbesondere für Fibre-Channel- und Gigabit-Ethernet-Verkehr, der sich bei Unternehmen im Stadtbereich zunehmender Beliebtheit erfreut.

Verschiedenste Quellen wie elektromagnetische Felder, thermische Einwirkungen, Druck und mechanische Belastung oder bewusstes Abhören verursachen gerade in den City-Netzen Störungen. Entsprechend hohe Anforderungen stellt der Datentransfer im Gigabit-Bereich an das verwendete Übertragungsmedium. Hier zeigt sich, dass vor allem die Kupfertechnologie starken Beeinträchtigungen durch das Übersprechen benachbarter Kanäle und elektromagnetischer Felder ausgesetzt ist. Ebenso werden luftbasierte Verfahren wie Richtfunk- und Infrarotübertragung oft von meteorologischen Einflüssen wie Regen und Nebel beeinträchtigt. Phänomene, die mit zunehmenden Distanzen und Transferraten stärker ins Gewicht fallen. Glasfaser hingegen zeigt sich in einem hohen Maße resistent gegen solche Einflüsse und ist vor allem auch gegen ungewolltes Abhören exzellent geschützt.

Das wohl entscheidende Argument für die Glasfaser-, und damit für die WDM-Technologie, ist ihre praktisch beliebige Skalierbarkeit. Während heute noch mehr als die Hälfte des Verkehrs in vielen Carrier-Netzen durch die Übermittlung von Sprache zusammenkommt, dürfte das Gros in wenigen Jahren aus Daten bestehen. Anwendungen wie E-Commerce, VPNs (Virtual Private Networks), SANs (Storage Area Networks) und natürlich der zunehmende Internet-Verkehr geben einen ersten Eindruck davon, wohin die Bandbreiten-Reise geht - eine Reise, die von den Carriern bei der Wahl der Infrastruktur eine große Weitsicht erfordert.

Ist heute noch von Mbit/s pro Nutzer die Rede, müssen die Carrier bald eine Gigabit-Nachfrage befriedigen - und das bei wachsender Anwenderzahl. Zwar lässt sich diese Nachfrage im Augenblick dank neuer Verfahren wie den verschiedenen DSL-Varianten (Digital Subscriber Line) mit herkömmlichen Kupferkabeln erfüllen, doch die physikalischen Grenzen sind bald erreicht. Dann gibt es zum Einsatz von Glasfaser keine Alternative.

Noch Anfang der 90er Jahre bezweifelten viele Experten, dass sich die Glasfasertechnologie auf breiter Basis durchsetzen wird. Die Kosten für Laser, Empfangsdioden und Elektronik waren schlichtweg zu hoch, um mit der klassischen Kupfertechnologie wirklich zu konkurrieren. Mittlerweile ist jedoch die kritische Masse hinsichtlich Angebot und Nachfrage erreicht und das Preis-Leistungs-Verhältnis wettbewerbsfähig. Für die Weiterentwicklung der entsprechenden optischen Komponenten gelten bereits die gleichen Mechanismen wie in der PC-Branche. Dem Moor?schen Gesetz folgend, erzielen die Anbieter von optischen Netzkomponenten innerhalb von ein bis zwei Jahren eine Verdoppelung der Leistung bei sinkenden Preisen.

Bei aller Euphorie in Sachen Glasfaser, die relativ junge Technik hat auch einen Schwachpunkt. In puncto Netz-Management befindet sich die optische Vernetzung im Vergleich zu Technologien wie SDH und ATM noch im Entwicklungsstadium, da bisher zumeist Punkt-zu-Punkt-WDM-Verbindungen eingesetzt werden. Diese sind noch recht überschaubar und stellen keine großen Ansprüche an das Management. Diese steigen jedoch mit der zunehmenden Erweiterung von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen über logische Hubs hin zu Ringen und vermaschten Strukturen.

Andererseits ist die Forderung nach komplexeren Management-Plattformen kein unlösbares Problem: Hier kann auf einen breiten Fundus von Technologien wie SNMP, HPOV, OSC zurückgegriffen werden. Erste Entwicklungen deuten darauf hin, dass vor allem Technologien aus dem Internet, etwa MPLS und andere Routing-Protokolle, die Administration übernehmen. Dadurch wird das optische Netz, ebenso wie IP-Netze, sehr flexibel konfiguriert und ist jederzeit erweiterbar. In Zukunft transportieren die einzelnen Knoten die Lichtwellenlängen nicht nur, sondern routen sie auch. Ein solches Netz, vor allem im Metrobereich, ist flexibel, robust und hochperformant.

Die optische Vernetzung im City-Bereich ist in vieler Hinsicht anderen alternativen Hochgeschwindigkeits-Technologien wie Kupfer und Funk überlegen. So bietet die Kombination aus Glasfaser- und WDM-Technologie praktisch unbegrenzte Bandbreite, die zudem protokollunabhängig für alle Übertragungsarten zur Verfügung steht. Gepaart mit der großen Störungsunempfindlichkeit sowie der hohen Integrationsfähigkeit in bestehende Infrastrukturen wie SDH, ATM und IP, ist der Siegeszug der optischen Vernetzung auch im Stadt- und Netzzugangsbereich nicht mehr aufzuhalten. Da die bisherigen Schwachstellen Kosten und Management bereits erfolgreich gelöst sind, gestatten die optischen Netze den kommerziellen Einsatz völlig neuer Anwendungen wie E-Commerce, virtuelle Büros und Storage Area Networks auch im Metrobereich. Damit gehört die Glasfaser in der City zur erfolgreichen "Enabling Technology", die die Telekommunikations-Metros von morgen prägt.

*Ralf Humberg ist Manager bei der Adva AG Optical Networks in Martinsried bei München.

Angeklickt

Das größte Entwicklungspotenzial der verschiedenen Access-Technologien hat die Glasfaser. Dank aktueller Übertragungsverfahren wie WDM erobert sie neue Geschwindigkeitsbereiche. Gleichzeitig erlauben modernere Management-Methoden den Aufbau komplexerer Netzverbünde als die bislang üblichen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Diese Entwicklung, einhergehend mit einem Preisverfall, dürfte der Glasfaser neue Einsatzbereiche sichern.

Beispiele aus der Praxis

Optische Vernetzung im Metrobereich kommt heute noch primär bei Punkt-zu-Punkt-Verbindungen von bandbreitenintensiven Anwendungen zum Einsatz. Zu den frühen Nutzern von WDM-Verfahren im City-Bereich zählen Rechenzentren, die ihre Großrechner aus Sicherheits- und Kostengründen schon seit Jahren mit Ausweichrechenzentren koppeln. Über solche Verbindungen laufen täglich Backups, zumeist im Gigabyte-Bereich. Auch die Kopplung von Großrechnern untereinander erfordert Hochgeschwindigkeits-Übertragungen auf optischer Basis. Ein anderes Einsatzszenario für optische Übertragungen sind die POPs (Point of Presence) von ISPs (Internet-Service-Providern). Einzelne POPs bestehen aus einer Ansammlung von Routern, die einzelnen POP-Standorte benötigen Verbindungen mit Fast-Ethernet-(100-Mbit/s-)Geschwindigkeit und mehr. Vor allem Stadtnetzbetreiber bieten ISPs diese hohen Bandbreiten als Übertragungsdienstleistung an - auf optischer Basis.

Abb. 1: Direktverbindung

Punkt-zu-Punkt-Verbindungen waren das erste Einsatzszenario für Glasfasern. Quelle: Adva

Abb.2: Im Brennpunkt

Die Glasfaser transportiert die unterschiedlichsten Verkehrsarten. Quelle: Adva

Abb. 3: City-Netze

Moderne Management-Plattformen erlauben den Aufbau komplexer City-Netze.