Post mit den bisherigen Testergebnissen zufrieden:

Gläserne Telefonleitung in Betrieb genommen

23.03.1979

BONN (pi) -Mit dem erstmaligen praktischen Einsatz eines neuartigen Lichtwellenleiter-Systems hat die Deutsche Bundespost einen weiteren Schritt in Richtung auf eine Zukunft vollzogen, die von vielseitigen und dabei preisgünstigeren Kommunikationsmöglichkeiten für jedermann gekennzeichnet sein soll.

Am 14. Februar hat Staatssekretär Dietrich Elias aus dem Bundespostministerium ein Glasfaser-Telefonkabel in Betrieb gesetzt, das von nun an auf der 15,44 Kilometer langen Strecke zwischen Frankfurt-Ginnheim und Oberursel als Fernsprechverbindung fungiert.

Für diese Installation konnte die Bundespost auf Erfahrungen zurückgreifen die mit vier Testsystemen in Berlin gemacht wurden. Ein Glasfaserpaar von nur 0,1 Millimeter Faserdurchmesser - das verlegte etwa sieben Millimeter dicke Kabel enthält drei dieser Glasfaserpaare - kann bis zu 480 Telefongespräche gleichzeitig übertragen.

Das geschieht nicht mehr in Form von elektrischen Schwingungen, wie das bei den herkömmlichen Kupferkabeln der Fall ist, sondern die Telefongespräche werden als Lichtimpulse - 34 Millionen pro Sekunde - übertragen.

Um den technischen Fortschritt in der Kommunikationstechnologie rechtzeitig und ausreichend der Kundennachfrage anpassen zu können, hat die Bundesregierung am 20. 12. des vergangenen Jahres ein Programm zur Förderung und Entwicklung der technischen Kommunikation verabschiedet. Es sieht vor, daß die Bundesministerien für Forschung und Technologie sowie für das Post- und Fernmeldewesen bis 1982 insgesamt über eine halbe Milliarde Mark für diese Zwecke aufwenden.

Innerhalb des Regierungsprogramms hat die Förderung und praktische Erprobung optischer Übertragungsverfahren in der Nachrichtentechnik besondere Bedeutung. Licht-wellenleiter-Systeme, also über Glasfaser geführte Lichtimpulse als Träger von Nachrichten, treten in Konkurrenz zur konventionellen Kupferleitung.

Die bisherigen Testergebnisse in Berlin und vermutlich auch die Erprobungen im praktischen Einsatz lassen nach Ansicht der Bundespost erwarten, daß die Lichtwellenleiter-Systeme in wenigen Jahres so weit ausgereift sind, daß sie im normalen Ausbau der Fernmeldenetze eingesetzt werden können.

Der Preis der Glasfaser ist in den letzten drei Jahren beinahe um das 20fache gesunken. Bei einem Preis von derzeit etwa 15 Mark pro Meter verkabelter Glasfaser ist absehbar, daß schon in naher Zukunft Kostengleichheit mit vergleichbaren herkömmlichen Fernmeldekabeln erreicht wird, deren Preis bei etwa vier Mark pro Leitung und Meter

liegt. Für die Glasfaser spricht auch, daß nur noch alle fünf bis acht Kilometer und nicht wie bei den Kupferkabeln alle zwei bis vier Kilometer Verstärker eingesetzt werden müssen.

Im Fernsprechortsnetz, in dem viele Kabeladern individuell geführt werden, kann die

Glasfaser, wie die Post glaubt, mit dem Kupferkabel auf absehbare Zeit wirtschaftlich nicht konkurrieren. Im Fernnetz dagegen, bei der gebündelten Übertragung vieler Ferngespräche über ein Kabel, könnte die Glasfaser mit ihrer enormen Übertragungskapazität ihre eigentliche Überlegenheit gegenüber dem Kupferkabel beweisen.

Die besonderen Chancen der Glasfaser sieht die Bundespost darin, daß sie günstigere Voraussetzungen für die Einführung neuer Kommunikationsdienste schaffen kann. Wenn es gelingt, in sehr kurzer Zeit solche Lichtwellenleiter-Systeme zur betrieblichen Einsatzreife zu entwickeln, die nicht nur für die Verteilung von Rundfunkprogrammen, sondern auch für Telekommunikation geeignet sind, dann ist der Einstieg in eine völlig neue Dimension des Fernmeldewesens möglich: Auf der Grundlage des neuen Dienstes "Kabelfernsehen" könnte dann die Basis für weitere neue Dienste, insbesondere Bildfernsprechen, geschaffen werden.

Ein Durchbruch der Glasfaser in absehbarer Zeit könnte nach Ansicht der Post verhindern daß neben dem Fernsprechnetz zunächst ein bundesweites Kabelnetz nur zur Verteilung von Rundfunkprogrammen und danach erst ein Breitbandnetz für neue Telekommunikationsformen entsteht. Das Glas als neues Nachrichtenübertragungsmedium bietet die Chance für ein integriertes, breitbandiges Fernmeldenetz. Gelingt es, die Glasfaser ab 1982/83 wirtschaftlich einzusetzen - und dies hält man in Bonn für möglich -, könnten nach den Vorstellungen im Postministerium um 1990 auch

das Bildschirmtelefon und die Bildschirmkonferenz zu verwirklichen sein.