Gl-Kongreß über Computernutzung:Moratorium für Büroautomatisierung gefordert

07.03.1980

KASSEL (CW) - Bis heute ist es noch nicht gelungen, den Fortschritt der Computer dem gesellschaftlichen Fortschritt unterzuordnen. Zu diesem Ergebnis kam der "Volkskongreß", den die Gesellschaft für Informatik (GI) in Zusammenarbeit mit der Gesamthochschule Kassel (GH Kassel) veranstalten. Ziel war, Anwenderprobleme bei der Nutzung von Computern am Arbeitsplatz zu formulieren. Rund vierhundert Teilnehmer, wesentlich mehr als erwartet, diskutierten vom 22. bis zum 24. Februar 1980 in Kassel über die Frage "Fortschritt der Computer - Computer für den Fortschritt?" In der regen Teilnahme zeigt sich nach Ansicht des Veranstalters, daß ein Dialog zwischen Herstellern und Unternehmen auf der einen Seite und den Betroffenen auf der anderen Seite heute lebenswichtig ist.

Trotz der vor Kongreßbeginn geäußerten Skepsis der Veranstalter wurde der Kongreß ein Erfolg. Den Vertretern aus Wissenschaft, Technologiepolitik, Gewerkschaften und Verbänden sowie kleinen und mittleren Anwendern gelang es nicht nur, eine gemeinsame Sprache für ihre Forderungen zur Computernutzung an Hersteller und Technologiepolitiker zu finden. Aus der Diskussion kristallisierten sich auch Strategien für den weiteren Dialog zwischen dem vom Distributed Processing in den Fachabteilungen direkt Betroffenen, den Herstellern und den Politikern sowie der begleitenden Wissenschaft heraus.

Nach Mitteilung von Hans Brinckmann, Leiter des Forschungsprojektes Verwaltungsautomation an der GH Kassel und mit der Organisation des Kongresses betraut, fehlten hier leider die Vertreter der "Verbraucher":

Wie Ulrich Briess vom Fachausschuß 15 der GI "lnformatik und Gesellschaft", in dem sich die Neu-Orientierung auf den Verbraucher der Informatik spiegelt, betonte "sind Menschenopfer notwendig, bevor es bei der Nutzung von Computern zu vernünftigen Lösungen kommt". Bisher sei die Entwicklung auf Kosten der Beschäftigten verlaufen. Ein Teilnehmer des Kongresses forderte ein Moratorium für den Einsatz der Informationstechnologie im Büro. Fünf in ihren Schwerpunkten unterschiedliche Arbeitsgruppen, wieder aufgeteilt in 15 Gruppen, setzten sich mit den Auswirkungen der Computerisierung auf den Ablauf und das Produkt der Arbeit wie den Veränderungen des individuellen, betrieblichen und gesellschaftlichen Umfeldes auseinander. Die Vorträge dieses für die Teilnehmer kostenlosen Kongresses beanspruchten nur wenig Zeit. Michael J. E. Cooley, bekannt durch seine Arbeit bei dem englischen Luftfahrtkonzern Lukas Aerospace, sprach über die Auswirkungen der Informationstechnologie auf den Arbeitsprozeß, der Unternehmensberater Henry S. Sherwood hielt ein Referat über "lnformationspolitische Perspektiven" und Frank Haenschke, engagierter Befürworter eines wirksamen Datenschutzes, berichtete über "Ziele und Formen staatlicher Technologiepolitik".