Erst die dritte Generation der Satzsprachen beinhaltet auch die Schriften:

GKS und ODA werden künftig Postscript unterstützen

06.11.1987

Wen die Desktop-Publishing-Jünger bekehren wollen, dem halten sie die Postscript-Fibel vor die Nase. Man könnte sich natürlich einen "I love Postscript"-Button besorgen. Den zeigt man dann vor und bleibt ungeschoren. Aber sonst wird man einer Diskussion nicht ausweichen können und tut gut daran, sich mit Informationen über Postscript spicken zu lassen.

Postscript ist eine Seiten-Beschreibungssprache (page description language), auch Satzsprache genannt. Eine Sprache also, mit der sich grafische Objekte manipulieren und darstellen lassen: angefangen von einfachen Objekten wie Punkte, Linien, Polygonzüge oder Kreisbögen bis hin zu Kurven, die stückweise aus kubischen Polynomen bestehen, genannt Bezier-Splines. Mit ihrer Hilfe lassen sich die Umrisse von Figuren beschreiben, sogenannte Umlaufkodierungen, und die wichtigsten dieser Umrisse sind die Schriftzeichen. Grafische Objekte lassen sich linear transformieren, also in Höhe und Breite beliebig verändern, rotieren und scheren. Das Layout einer Druckseite legt man fest, indem man die gewünschten Objekte definiert, transformiert und an die richtige Stelle auf der Seite plaziert.

"Was ist denn daran neu?" fragt man sich, und "Das machen wir doch auf unserer Anlage schon seit vielen Jahren. Die Dateien, die unser Satzprogramm produziert, enthalten

doch auch Seitenbeschreibungen, und die Film-Seiten vom Belichter haben eine bessere Qualität als alle lasergedruckten Seiten." Doch Text und Grafik lassen sich nicht beliebig integrieren und transformieren.

Was unterscheidet Postscript also von traditionellen Satzsprachen? Die ersten Satzsprachen waren die Kommandoschnittstellen von Belichtern. Sie verwenden Positionierbefehle wie "Rücke 12 Positionen in x-Richtung vor", beziehen sich also explizit auf die Auflösung des Belichters und sind daher geräteabhängig. Auch die möglichen Schriften sind "fest verdrahtet", die Schriften des Belichters sind genau ansprechbar.

Die zweite Generation von Satzsprachen hatte sich daher die Geräte-Unabhängigkeit zum Ziel gesetzt: Die Größen werden in absoluten Maßeinheiten angegeben und müssen dann vom Geräte-Kontroller auf die eigene Auflösung umgerechnet werden. Will man dieselbe Satzdatei an Geräte mit verschiedenen Auflösungen schicken, und das ist der wahre Test der Geräte-Unabhängigkeit, dann müssen auch die Schriften in ihren Breiten und Höhen übereinstimmen. Daß dieses Ziel nur schwer erreichbar ist, weiß jeder WYSIWYG-Fan. Die Seiten auf den Bildschirmen unterscheiden sich deutlich von den lasergedruckten Seiten, da dort nicht 300 Punkte, sondern nur 70 bis 100 Punkte pro Zoll Auflösung zur Verfügung stehen. Die Höhen und Breiten passen somit nicht genau und die verbleibenden Reste müssen in den Wortzwischenräumen untergebracht werden.

Erst mit der dritten Satzsprachen-Generation, die von Postscript eingeleitet wurde, sind auch die Schriften Bestandteil der Satzsprache und damit genormt für alle Geräte, die diese Satzsprache unterstützen.

Wieso heißt es, Postscript habe sich durchgesetzt? Die Wurzeln von Postscript liegen im Xerox Parc (Palo Alto Research Center), wie übrigens auch der maus-orientierte "Schreibtisch" des MacIntosh. John Warnock und Chuck Geschke arbeiteten mit anderen an der Definition der Xeroxeigenen Satzsprache "Interpress". Sie konnten sich aber mit ihrer Meinung nicht durchsetzen, daß eine Satzsprache frei programmierbar sein sollte.

Sie verließen daher Ende 1982 Xerox und gründeten Adobe. Als Steven Jobs ihr Produkt kennenlernte, erkannte er die Bedeutung einer allgemeinen Seitensprache und ließ die Entwicklung des eigenen Raster-Image-Prozessors (RIP) für den Apple Laserwriter einstellen. Anfang 1985 kam der Laserwriter mit Postscript-Kontroller auf den Markt und dazu der Pagemaker; damit war das Gebiet des Desktop-Publishing geboren.

Postscript-Clones kommen

Um Programmentwicklern die Verwendung von Postscript zu erleichtern, hat Adobe die Sprache Postscript veröffentlicht (public domain), nicht jedoch seine Realisierung. Ein Druckerhersteller, der Adobes Postscript-Interpretierer und die umlaufkodierten Schriften einsetzen möchte, muß für diese Teile Lizenzgebühren zahlen, die mehr als fünf Prozent des Verkaufspreises ausmachen.

Aufgrund dieser hohen Kosten entschied sich Hewlett-Packard im August 1986 für die Konkurrenzsprache DDL von Imagen, eine Entscheidung, die Steven Jobs schlicht als schwachsinnig (brain-damaged) bezeichnete. Damit schien im Satzsprachenstreit alles offen.

Als IBM im März 1987 die Unterstützung von Postscript ankündigte, begann sich die Waage zugunsten von Postscript zu senken. Da Imagens "PC Publisher Kit", bestehend aus einer PC-Karte als Druckerkontroller für den HP Laserjet und der DDL-Software, noch immer nicht verfügbar war (es sollte bis September dauern), begann auch HP vorsichtig von DDL abzurücken. Im Mai 1987 war dann Adobes Erfolg vollständig: Anstelle des "PC Publisher Kits" nahm HP den entsprechenden Postscript-Kontroller von QMS mit ins Programm auf.

Also ist Postscript jetzt der Standard für Laserdrucker? Nein, weit gefehlt. Mit etwa 400 000 installierten Laserjet-Druckern beherrscht HP 70 Prozent des Marktes. Daher unterstützen alle Publishingprogramme neben Postscript auch die Satzsprache des Laserjets, genannt PCL (Printer Command Language), eine (geräteabhängige) Sprache der ersten Generation. Die Laserjet-Schriften lassen viele Wünsche offen: Es fehlen die ganz großen und kleinen Schriften und sie sind auch nicht annähernd so flexibel wie Postscript-Schriften. Vor allem aber ist es nicht möglich, einmal erstellte Dokumente, wenn alle Korrekturen gemacht sind, zu einem Belichter wie der Linotronic 300 zu schicken und so Druckvorlagen höchster Qualität zu erhalten.

Postscript hat sich als Standard der gehobenen Klasse von Laserdrukkern etabliert. Aber nicht alle Firmen sind bereit, die hohen Lizenzgebühren an Adobe zu zahlen. Die Ära der "Postscript-Clones", der Nachbauten, hat begonnen und auf der Seybold-Konferenz im September 1987 beherrschten sie die Schlagzeilen. Nicht weniger als ein Dutzend Firmen beteiligen sich an diesem Rennen, darunter Control C Software, Conographic, Phoenix Technologies und Printware, die alle erste Versionen vorgestellt haben. Das Hauptproblem beim Nachbauen ist aber weniger die Sprache Postscript selbst als die Schriften. Umlaufkodierte Schriften für Auflösungen von weniger als 600 Punkten pro Inch schnell und qualitativ hochwertig zu rastern, das ist eine Kunst, die nur sehr wenige Firmen beherrschen. Daher wird allgemein erwartet, daß die Qualität der Postscript-Nachbauten zu wünschen übrig läßt. Hier wollen Schriftenhersteller wie Bitstream mit Fontware und Compugraphic mit ihren Intellifonts aushelfen.

Auch eine deutsche Firma ist mit im Rennen: Sofha, eine Firma aus dem Berliner Innovations- und Gründerzentrum (BIG), stellte auf der Comdex Ende Oktober ihren Sofha-RIP mit dem Postscript-Clone Sofhascript vor. Durch einen neuentwikkelten Baustein können sie Postscript-Seiten deutlich schneller rastern.

Was bedeutet das für diejenigen, die mit traditionellen Satzprogrammen arbeiten? Eine mögliche Art, das Desktop-Publishing mit dem traditionellen Satz zu verheiraten, hat Walter Prechsl von Gecos (Reutlingen) im Deutschen Drucker (Ausgabe vom 20.8.87, w16 bis w19) vorgestellt: mit Wordperfect erfaßte Texte bringt er am PC mit Hilfe von Ventura Publisher auf das gewünschte Seiten-Layout und erstellt einen Probedruck auf einem Postscript-Laserdrucker. Anschließend überträgt er die Postscript-Datei ins BS2000 und übersetzt sie ins Diacos-Eingabe- Format. Schließlich gibt er sie auf dem angeschlossenen Hell-Belichter aus, um eine besonders gute Schriftqualität zu erreichen.

Vier Prognosen für die Zukunft

1. Postscript schickt sich an, auch die Bildschirme zu erobern, zumindestens in der Unix-Welt. Sowohl X-Windows als auch das konkurrierende Fenstersystem "News" von Sun haben die Unterstützung eines Bildschirm-Postscripts angekündigt, und auch Steven Jobs ist wieder zur Stelle: Seine neue Firma Next wird hierzu bald ein Produkt vorstellen.

2. Einer der erfolgreichsten Postscript-Nachbauer wird wohl Imagen werden. Nachdem DDL nicht den erwarteten Erfolg brachte, hat auch Imagen einen Postscript-Clone angekündigt. Da DDL ohnehin Postscript sehr ähnlich ist und die Qualität der Schriften ausgezeichnet ist, erwächst Adobe hier eine Konkurrenz, die sich damit brüsten kann, genauso gut, nur schneller zu sein.

3. Die internationalen Standards wie GKS und ODA werden durch Postscript mit einem De-facto-Standard konfrontiert, gegen den sie nur bestehen können, wenn sie ihn unterstützen.

4. Die Möglichkeiten von Postscript sind noch lange nicht ausgeschöpft: Erst jetzt sieht man erste Vorversionen von Farbdruckern oder Grauwert-Schriften, erst jetzt erscheinen Prozessoren, die in der Lage sind soviel Rechenleistung abzugeben wie Postscript es braucht.