Die Schwächen des High-speed-Protokolls

Gigabit Ethernet: Ein Gerippe in Brokat gehüllt

18.07.1997

Der große Verdienst der Gigabit Ethernet Alliance wird es einmal sein, das etablierte Verfahren Ethernet für höhere Anforderungen fit gemacht zu haben. Anwender mit Ethernet-Installationen können deshalb hoffen, die permanent steigenden Belastungen im LAN mit dem vorhandenen Know-how zu bewältigen.

Doch Gigabit Ethernet, das dem LAN zu neuen Geschwindigkeits-Dimensionen verhelfen soll, hat seine Grenzen. So ist die apostrophierte Datenrate von 1 Gbit/s nur eine theoretische, denn der vorgesehene Standard sieht bei der High-speed-Übertragung eine Übertragungslänge von minimal 512 Byte vor. Nutzen Applikationen diese Mindestgröße nicht vollständig aus, hängt das Verfahren eine bedeutungslose "Extension" an, die das Gesamtpaket auf die erforderliche Länge aufbläht. Die Nettoleistung kann beim Transfer kleinster Datenpakete auf 200 Mbit/s sinken. Aber auch die maximale Bandbreite hält nicht, was die Marketing-Experten versprechen. "Die obere Grenze ist bei 900 Mbit/s", weiß Hans Lackner, Geschäftsführer bei der Hilan GmbH in Karlsruhe, der als Mitglied des Normierungsgremiums die Entwicklung der Norm an der Quelle verfolgt.

Außerdem wurde die gestiegene Bandbreite mit einer geringeren geografischen Ausdehnung erkauft. Aus diesem Grund wird Gigabit Ethernet auch die letzte Entwicklungsstufe dieser Topologie darstellen, denn die Distanzen erreichen mittlerweile Minimalmaße (siehe Tabelle, nächste Seite). Unglöst ist die Frage, wie die Entfernung von 100 Metern mit der Version "1000Base-T" für Un- shielded Twisted Pair zu realisieren ist. Um den Zeitplan nicht zu gefährden, wurde das Vorhaben in eine eigens dafür eingerichtete Arbeitsgruppe abgegeben.

Die enorme Performance-Steigerung im Gigabit Ethernet erfordert Mechanismen, die bei den Vorläufer-Versionen nicht nötig sind. "Eine Vollduplex-Übertragung ohne Flußkontrolle ist gefährlich", warnt Lackner. Dem Sender sollten sich Pausenanweisungen übermitteln lassen, womit er den Datentransfer kontrollieren kann. Diese Lösung reicht aufgrund der Geschwindigkeit im Gigabit Ethernet für die Flußkontrolle nicht aus. Es gibt Überlegungen, derartige Verfahren aus dem Fiber-Channel-Standard zu übernehmen.

Inwieweit Gigabit Ethernet zudem Multimedia-Anforderungen gerecht wird, ist offen. Das High-speed-Protokoll ist eine Lösung für den Datentransfer und nicht für die Übertragung isochroner Informationen wie Sprache und Video geeignet. Dienstqualitäten sind nicht implementiert. Sie wären erforderlich, um etwa Applikationen eine definierte Bandbreite zuzusichern.

Der geplante Standard des High-speed-Protokolls unterstützt virtuelle LANs nicht direkt, das heißt, es muß Switching-Technik implementiert sein. Virtuelle Arbeitsgruppen lassen sich erst einrichten, wenn das IEEE den vorbereiteten VLAN-Standard 802.1 verabschiedet hat. Auch das häufig angeführte Argument, Gigabit Ethernet sei viel billiger, ist nicht gesichert. Die ATM-Preise dürften weiterhin fallen, wogegen es für das schnelle Ethernet noch keine verläßlichen Angaben gibt.