Giftige Kritik an der Softwareindustrie

11.04.2006
Unzufriedene Kunden fordern neue Geschäftsmodelle von den Anbietern.

Die Kunden sind unzufrieden mit der Industrie, unzufrieden mit den Produkten und unzufrieden mit den Services", behauptet Ray Lane, Venture Capitalist von Kleiner Perkins Caufield & Byers. Nur die wenigsten Softwarehersteller gäben sich Mühe, das Geschäft ihrer Kunden zu verstehen, kritisierte der ehemalige President und Chief Operating Officer (COO) von Oracle anlässlich der "Software 2006 Conference", die Anfang April zahlreiche Branchengrößen ins kalifornischen Santa Clara lockte.

Anwender fragten sich zunehmend, warum ihnen Software immer in der gleichen Art und Weise angeboten würde und sie im Rahmen der Wartung dafür zahlen müssten, dass die Hersteller Fehler ihrer eigenen Produkte behöben. Lane zufolge müssen sich die Hersteller etwas einfallen lassen und ihre Geschäftsmodelle überprüfen: "Ich glaube, dass die Softwareindustrie am Scheideweg steht."

Den Ausführungen des ehemaligen Software-Managers zufolge ist die Branche von verkrusteten Strukturen gekennzeichnet. Innovation gestalte sich deshalb schwierig. Das Wachstum habe sich verlangsamt, und die Profite schrumpften. Rund 85 Prozent der weltweiten Einnahmen mit Business-Software teilten sich gerade einmal 15 Hersteller. Auch den Profit vereinnahmten im Wesentlichen einige wenige Anbieter, von denen drei, nämlich Microsoft, SAP und Oracle, den Löwenanteil für sich beanspruchten. Tausende von kleineren Herstellern müssten sich um die Reste streiten.

Intern stimme das wirtschaftliche Gefüge der einzelnen Hersteller ebenfalls nicht mehr, warnte der Ex-Oracle-Manager, der im Jahr 2000 den Datenbankspezialisten im Streit verlassen hatte. Wenn sie über die Hälfte ihrer Budgets in das Marketing stecken müssten, knirsche irgendwo Sand im Getriebe. Gerade die kleineren Anbieter gerieten durch die Zwänge des Marktes in Schwierigkeiten.

Nach Einschätzung der Analysten der Sand Hill Group werden auch in naher Zukunft einige wenige "Gorillas" die Konsolidierung der Branche vorantreiben und das Bild der Softwareindustrie prägen. Zwar habe sich die Zahl der Übernahmen im US-amerikanischen Softwaremarkt zwischen 2002 und 2005 von 431 auf 218 fast halbiert. Gleichzeitig vervierfachte sich jedoch der Wert auf rund 100 Millionen Dollar. Insgesamt wuchsen die Übernahmebudgets von acht auf 22 Milliarden Dollar.

Dass Größe allein vor den zunehmend schwierigen Bedingungen im Softwaregeschäft schützt, bezweifelt Lane. Kleinere Anbieter könnten mit neuen Ideen die Großen unter Druck setzen. Software-as-a-Service-Modelle (SaaS) seien das beste Beispiel dafür. Die etablierten Anbieter täten sich schwer, ihre produktzentrierte Strategie auf ein Servicekonzept umzustellen.

Die Kleinen treiben die Innovationen

Es gebe aber durchaus Hoffnung auf Innovation, meint Lane mit Blick auf diese Trends. Auch die Kapitalgeber sähen in der Softwarebranche Potenzial. Rund fünf Milliarden Dollar Venture Capital und 6,2 Milliarden Dollar Private Equity seien 2005 in den Markt geflossen - insgesamt 11,3 Milliarden Dollar nach 7,7 Milliarden Dollar im Jahr zuvor.

Genug Raum für junge Anbieter mit neuen Ideen, folgert Lane. In vielen Firmen würden zahlreiche Prozesse immer noch händisch abgewickelt und warteten auf ihre Automatisierung. Allerdings müssten die Hersteller die Einstiegshürden für ihre Angebote so weit herabsetzen wie möglich, um Kunden anzulocken. Dabei könnten Geschäftsmodelle helfen, in denen die Software zunächst frei einsetzbar wäre, und die Hersteller erst im Nachhinein eine Vergütung erhielten, beispielsweise eine prozentuale Beteiligung an dem Mehrwert, den ihr Produkt geschaffen habe. (ba)