NAS bereitet sich auf XL60-Pilotinstallation in der Bundesrepublik vor:

GEZ und Rewe erteilen IBM eine 3090-Absage

20.12.1985

MÜNCHEN - Nicht unbedingt offene Türen scheint die IBM mit ihrer neuen High-end-Maschine 3090/200 einzurennen. So holte sich die Gesellschaft mit den drei Buchstaben einen Korb bei der Kölner Gebühreneinzugszentrale (GEZ), die sich für Siemens entschied, und bei der Lebensmittelkette Rewe-Leibbrand oHG in Bad Homburg. Hier wird NAS als Pilotinstallation ihren Top-Mainframe XL/60 plazieren.

Sowohl bei der GEZ als auch bei Rewe hatte sich die deutsche IBM-Tochter um die Installation einer 3090/200 bemüht. In Köln jedoch

wird im Rechenzentrum ab etwa Februar kommenden Jahres einer der beiden IBM-Rechner 3081K gegen eine 7890S ausgetauscht, den größten Rechner aus der Siemens-Palette.

Bei dem Performance-Upgrade hatte die GEZ auch Überlegungen in Richtung IBM "3084Q" und "3090" angestellt, doch kam die an den regelmäßigen Umgang mit Geld gewohnte Administrationsstelle der Sendeanstalten nicht an dem Münchner Konzern vorbei. "Unser Angebot hat sich am besten gerechnet." Geliefert wird der Rechner allerdings nicht von dem Anbieter der Fujitsu-Systeme aus der bayerischen Landeshauptstadt, sondern, wie die bereits installierte 3081, von der Düsseldorfer Leasingfirma ICS. Diese Gesellschaft war in die Ende vergangenen Jahres aufgedeckte Hochschulrabatt-Affäre verwickelt (CW Nr. 49 vom 30. November 1984).

Die bundesweit mit etwa 2000 Filialen vertretene Rewe-Leibbrand verfolgt bereits seit geraumer Zeit eine Zwei-Hersteller-Politik: IBM und NAS. Ausgetauscht wird in dem im hessischen Roßbach gelegenen Rechenzentrum der Kette eine NAS 8063 gegen die XL/60. Installationstermin ist April/Mai 1986. Dies wird für die deutsche Dependance der National-Semiconductor-Tochter die erste Installation ihres 3090-Pendants im Bundesgebiet sein.

Versucht hatte auch IBM, die Verantwortlichen in der Bad Homburger Rewe-Zentrale auf eine 3090 einzustimmen. Damit hätte Big Blue in Roßbach die Mainframe-Dominanz gehabt, denn eine 3081KX ist hier bereits im Einsatz.

Hardware-Entscheidungen, die gegen IBM zugunsten eines Anbieters steckerkompatibler Systeme (PCM) fallen, sind immer ein Politikum. So hält man sich bei Rewe zu der bevorstehenden

NAS-Installation bedeckt. Sicher aber ist, daß die Planungen auch auf eine künftige "Strategie der Balance zielen, um sich notfalls (gegen den Marktführer, Anmerkung d. Red.) durchsetzen zu können." Ungeachtet der 3090-Absage setzt die Kette, die 1984 rund 10,7 Milliarden Mark umsetzte, auf weiterhin gute Partnerschaft mit dem Mainframe-Primus. Dies bezieht sich insbesondere auf diverse Projekte, die personell eng mit IBM verknüpft sind.

Ausschlaggebend für die XL/60 waren laut Rewe nicht zuletzt "ökonomische Aspekte." Das Unternehmen hat danach keine "guten Erfahrungen mit der 3081KX gemacht, was den Preisverfall anbelangt". So setzen die RZ-Experten auf einen geringeren Preisverfall und eine längere Lebensdauer bei dem 28-MIPS-Rechner von NAS.

Darüber hinaus sind etliche Anwender nicht überzeugt, daß es sich bei der "Sierra" wirklich um die vielgepriesene neue Generation der IBM handelt. Zu ähnlich sei die Technik mit der Architektur der

308X-Maschinen, ferner enttäusche das MIPS/Performance-Verhältnis gegenüber der 3084. User sind nicht selten geneigt, die in etwa mit der 3090 leistungsidentische 3084Q zu ordern, zumal die Preise der Systeme derzeit purzeln.

Marktkenner wissen zu berichten, daß IBM mit viel Anstrengungen 3090-Maschinen zu installieren versucht. Der Nachfrage nach jener Technik, die nicht eben high-sophisticated vor vergleichbaren PCM-Rechnern liegt, hilft IBM angeblich mit indirekten Preisnachlässen nach.

Um rechtlich sauber dazustehen, wird dies mit Testinstallation umschrieben. Anwender erhalten die Maschine rund 150 bis 200 Tage zum "Test". Ein Marktbeobachter: "Wer will überprüfen, ob der Kunde nicht während dieser Zeit auch die Produktion über das System laufen läßt."

Hinzu kommt für den Betrieb, der in den Genuß des

IBM-Bonbons kommt, ein beträchtlicher Zinsgewinn. Bei einer Summe von gut 15 Millionen Mark machen 200 Tage bei einem banküblichen Zinssatz schon einige 100 000 Mark aus.