Die Höhe der Zuzahlung hängt vom Wohnort ab

Gewerbesteuer belastet IT-Freiberufler

15.08.2003
MÜNCHEN (am) - Um die leeren Kassen der Kommunen zu füllen, will die Bundesregierung die Gewerbesteuer reformieren und sie unter anderem auf Freiberufler ausweiten. Betroffen wären auch die selbständigen IT-Experten, die schon in der Vergangenheit um die Anerkennung ihres freiberuflichen Status kämpfen mussten.

Der Vorstoß von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD), künftig auch freie Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Ingenieure in die Gewerbesteuer einzubeziehen, hat unter IT-Freiberuflern keinen Sturm der Entrüstung ausgelöst. In den einschlägigen Internet-Foren wie auf den Seiten der Projektbörse Gulp diskutieren sie das aktuelle Thema gelassen kritisch.

"Wir sind natürlich dagegen", sagt Ulrich Bode, Sprecher im Beirat für Selbständige der Gesellschaft für Informatik (GI). Gleichzeitig räumt der selbständige Informatiker ein, dass das Thema Gewerbesteuer für IT-Freiberufler nicht neu ist. Schon seit Jahren stellt sich für sie bei jeder Betriebsprüfung die Frage, ob das Finanzamt ihren freiberuflichen Status anerkennt. Dieser ist bei IT-Freelancern im Gegensatz zu den traditionellen freien Berufen wie Ärzten oder Rechtsanwälten zum Teil umstritten.

Anerkennung als Freiberufler

Hat sich ein IT-Experte etwa auf die Entwicklung von Systemsoftware wie Betriebssysteme, Datenbanksoftware oder Datenübertragungsnetze spezialisiert, erkennt ihn der Bundesfinanzhof als freiberuflich an. Ist sein Arbeitsschwerpunkt dagegen die Anwendungsentwicklung, gilt er als Gewerbetreibender. Auch die Qualifikation spielt eine Rolle: Voraussetzung für die Anerkennung als Freiberufler ist ein Abschluss als Diplominformatiker, -mathematiker, - physiker oder Elektroingenieur. Ansonsten sollten IT-Experten über eine acht- bis zehnjährige Berufserfahrung verfügen, um dem Finanzamt glaubhaft machen zu können, dass ihre Kenntnisse mit denen eines Diplominformatikers vergleichbar sind.

Wie viele der 30000 IT-Freiberufler in Deutschland bereits heute Gewerbesteuer zahlen, kann GI-Mann Bode nicht beziffern. Benno Grunewald vom Bundesverband der Selbständigen in der Informatik (BVSI) schätzt, dass vermutlich jeder zweite IT-Freiberufler schon heute Gewerbesteuer entrichtet, obwohl es viele unter ihnen nicht tun müssten: "Oft werden die IT-Experten bei der Existenzgründung falsch beraten und melden dann ein Gewerbe an." Grunewald vertritt als Rechtsanwalt Computerprofis, die vor Gericht um ihre Anerkennung als Freiberufler streiten.

Angesichts der geplanten Gewerbesteuerreform stellt sich die Frage, in welchem Umfang sie die Freiberufler belastet. Während die Lobby-Verbände der freien Berufe und die Union die Ausweitung der Steuerpflicht auf die freien Berufe als "Steuererhöhung" und unzumutbar geißeln, argumentiert die Bundesregierung damit, dass sich die Steuerlast für Hunderttausende Freiberufler nicht verändern wird. Eine pauschale Wahrheit gibt es in diesem Fall nicht, denn die künftige steuerliche Belastung wird davon abhängen, wie viel ein Freiberufler verdient und wo er wohnt.

Teure Großstädte

Jedem Gewerbetreibenden steht ein Freibetrag von 24 500 Euro im Jahr zu, der die zu versteuernden Erträge reduziert. Zudem sollen die Freiberufler wie heute bereits alle Personengesellschaften die Gewerbesteuer mit ihrer Einkommenssteuerschuld verrechnen und sich die Ausgaben über diesen Umweg wieder vom Finanzamt zurückholen können.

Das funktioniert aber nicht überall. Da jede Gemeinde den so genannten Hebesatz und damit die Höhe der Gewerbesteuer selbst bestimmen darf, hängen die Abgaben vom Wohnort ab. Derzeit liegt der deutschlandweite Durchschnitt, den auch Finanzminister Eichel bei seinem Verrechnungsmodell zugrunde legt, bei 380 Prozentpunkten. Allerdings betragen die Hebesätze in Großstädten wie München, Frankfurt am Main (je 490), Hamburg (470) oder Düsseldorf (460) deutlich mehr, so dass die Freiberufler hier schlechter gestellt sind. Laut Bundesverband der freien Berufe arbeiten aber drei Viertel aller 780 000 Freiberufler in Deutschland in großen Städten.

Bei einem Jahresverdienst von 100000 Euro würde ein IT-Experte fast 3000 Euro mehr im Jahr an Steuern zu zahlen haben als vorher als Freiberufler. Auch bei einem niedrigeren Verdienst von 70000 Euro im Jahr müsste er in einer Stadt wie München noch 1254 Euro mehr abgeben. In einer Gemeinde mit einem niedrigen Hebesatz von beispielweise 300 Prozent würden sich die Steuerlasten von Freiberuflern und Gewerbetreibenden nicht unterscheiden (siehe Kasten "Beispielrechnungen" auf Seite 44).

Der Umzug aufs Land als einziger Ausweg?

"Wenn die Gewerbersteuer für Freiberufler wirklich kommt, ist es die beste Lösung, in kleine Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen umzuziehen", rät GI-Vertreter Bode, der aber die Gewerbesteuer am liebsten ganz abschaffen würde. Seiner Ansicht nach wird sich die geplante Steuerreform auch langfristig auf die Zahl der Selbständigen auswirken, zumal sich einige Freiberufler überlegen werden, wieder in das Angestelltenverhältnis zurückzukehren, oder andere davor zurückschrecken, sich überhaupt selbständig zu machen. "Für die IT-Freiberufler in Städten mit hohen Hebesätzen bleibt am Ende des Jahres auf jeden Fall weniger Geld übrig, das sie investieren können. In diesem Zusammenhang sollte man auch die wirtschaftliche Lage der Branche und der Unternehmen nicht vergessen, die es nicht erlaubt, höhere Honorarforderungen zu stellen", sagt Bode.

Eine Gewerbesteuerpflicht ist laut Rechtsanwalt Grunewald aber nicht nur mit höheren Steuern, sondern weiteren Belastungen für Freiberufler verbunden: "Jeder Gewerbesteuerpflichtige muss eine Buchführung sowie eine Bilanz vorweisen können." Insbesondere die Erstellung einer Bilanz überfordere aber viele Selbständige, so dass ihnen nur der Weg zum Steuerberater bleibt, wodurch weitere Kosten entstehen. Gewerbetreibende seien darüber hi-naus Zwangsmitglied in der Industrie- und Handelskammer (IHK). Diese automatische Mitgliedschaft weitet sich aber nicht auf die freien Berufe aus, selbst wenn sie künftig Gewerbesteuer zahlen müssen.

IT-Experten, die bereits heute ein Gewerbe betreiben und die entsprechende Steuer zahlen, sehen die aktuelle Diskussion natürlich gelassener. "Man genießt als gewerbetreibender Unternehmer auch gewisse Vorteile", sagt etwa ein Münchner Softwareentwickler. "So kann man auf breiterer Front sorglos akquirieren und beispielsweise auch Aufträge zur Anwendungsentwicklung annehmen, ohne eine Überprüfung der Freiberuflichkeit durch das Finanzamt fürchten zu müssen." Auch größere Projekte mit Angestellten oder Subunternehmern könnten Gewerbetreibende bedenkenlos abwickeln.

Die geplante Reform

Durch die Reform der Gewerbesteuer und die geplante Ausweitung auf die freien Berufe verschiebt sich das Steueraufkommen erheblich. Die Gewerbe- wird in Gemeindewirtschaftssteuer umbenannt und soll knapp 2,8 Milliarden Euro mehr in die Kassen der Kommunen bringen. Für die Freiberufler bedeutet das eine Steuerlast von 580 Millionen Euro, wie das Bundesfinanzministerium berechnet hat. Demnach müssen die 780000 Ärzte, Apotheker oder Rechtsanwälte 4,85 Milliarden Euro Gewerbesteuer zahlen, können sich aber 4,27 Milliarden Euro über die Verrechnung mit der Einkommenssteuerschuld vom Finanzamt wieder zurückholen.

Freie Berufe

Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten, Ingenieure oder Journalisten - sie alle gehören zur Gruppe der freien Berufe, deren Vertreter bisher keine Gewerbesteuer zahlen müssen, wenn sie selbständig tätig sind. Unter diese Kategorie fallen 780000 Selbständige, wobei die Heil- zusammen mit den rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufen über die Hälfte aller Freiberufler ausmachen. In der IT-Branche arbeiten nach Schätzungen der Gesellschaft für Informatik etwa 30000 Freiberufler. Deren Status war im Gegensatz zu den traditionellen freien Berufen schon in der Vergangenheit umstritten. So gelten etwa selbständige Anwendungsentwickler als Gewerbetreibende, während Entwickler von Systemsoftware als freiberuflich angesehen werden.

Abb: Beispielrechnungen: In großen Städten zahlen Freiberufler kräftig drauf

Jeder Gewerbetreibende hat einen jährlichen Freibetrag von 24 500 Euro (geplant 25 000 Euro), den er nicht versteuern muss. Aus seinen anderen Erträgen wird dann nach einem komplizierten Verfahren der Messbetrag für die Gewerbesteuer berechnet. Verdient ein Gewerbetreibender abzüglich des Freibetrags zum Beispiel 75 500 Euro, wird ein Messbetrag von 2575 Euro für die Gewerbesteuer angesetzt. Dieser wird dann mit dem Hebesatz der Gemeinde, zum Beispiel 490 Prozent, verrechnet, was eine Gewerbesteuer von 12 617,50 Euro ergibt. Das 1,8-fache dieses Messbetrages*, in unserem Beispiel 4635 Euro, kann von der Einkommenssteuer abgezogen werden. Quelle: Benno Grunewald/BVS