Gewappnet fuer groessere Projekte Viele kleine Softwarehaeuser bilden Spezialisten-Allianzen

08.04.1994

Von Ruediger Schroeder*

Grosse Projekte brauchen nicht zwangslaeufig grosse Softwarehaeuser. Inzwischen treten immer haeufiger kleinere Firmen in neuartigen Kooperationsformen auf dem Markt in Erscheinung.

Bei den DV-Kunden ist mittlerweile eine Bedarfssaettigung eingetreten. Wer sich ein halbwegs zukunftsorientiertes System beziehungsweise Netzwerk im Unternehmen aufgebaut hat, der wird nicht schon wieder investieren, nur weil der DV-Markt mal wieder neue Entwicklungen produziert hat. Und schon gar nicht, wenn er bedenkt, dass die wenigsten Neu-Installationen reibungslos und ohne Zeitaufwand zu realisieren sind.

Auf diesem Gebiet haben die Kunden in der Vergangenheit nicht immer die gluecklichsten Erfahrungen gemacht. Deshalb stehen sie den DV-Innovationen zunehmend kritischer gegenueber. Vor allem fordern sie zu Recht individuell zugeschnittene Loesungen.

Fuer den DV-Markt bedeutet dies, dass ein Umdenken innerhalb der marktstrategischen Ausrichtung der Anbieter stattfinden muss. Es reicht heute nicht mehr, nur einfach etwas anzubieten, weil die Nachfrage sowieso da ist. Der Kunde will vielmehr einen umfassenden Professional Service. Und aufgrund der augenblicklichen Situation hat sich sukzessive ein Wandel des Markts vollzogen.

Denn zu viele Anbieter buhlen bei zu geringer Nachfrage um den Kunden. Der Markt wird also heute nicht mehr von einer fast grenzenlosen Nachfrage bestimmt, sondern durch das Leistungsspektrum der Anbieter. Wer nicht kundenbezogen durch ein umfassendes Leistungsangebot ueberzeugt, faellt durch.

Dieser Wandel vom Nachfrage- zum Anbietermarkt betrifft nicht nur die Hardwarehersteller, die mit einem rapiden Preisverfall und damit verbundener Gefaehrdung der unternehmerischen Existenz zu kaempfen haben. Auch bei den kleineren Softwarehaeusern hat der Prozess des Umdenkens bereits begonnen. Diese Branche umfasst rund 4500 Unternehmen; etwa 40 Prozent davon haben fuenf oder weniger Mitarbeiter. Diese in den Bereichen Software-Entwicklung, Beratung, Vertrieb, Systemintegration, Service und Schulung taetigen Firmen sehen vermehrt in strategischen Allianzen einen Weg aus der Krise.

Und auch nach Ansicht der Marktauguren sind gerade fuer die kleinen bis mittleren Betriebe der Branche solche Allianzen das vielleicht vielversprechendste Ueberlebenskonzept. Jedes Unternehmen sollte danach eine Analyse seiner Staerken und Schwaechen vornehmen und dem Ziel- oder Wunschmarkt anpassen.

Wo es Defizite gibt, ist die Kooperation mit geeigneten Partnern ratsam, die in puncto Profil, Groesse und Finanzierung mit dem Konzept harmonisieren. Ein solcher Schulterschluss funktioniert jedoch nur, wenn die Aufgaben und Kompetenzen klar umrissen sind. Die Chemie zwischen den Partnern muss stimmen, und einer sollte als Generalunternehmer die Projektverantwortung uebernehmen.

Wichtig fuer die Auswahl der angeschlossenen Unternehmen ist das spezielle Know-how der Teilhaber, der unterschiedlichen Marktgewichtungen in den verschiedenen Regionen entsprechend - etwa fuer die mittelstaendische Fertigungsindustrie in Baden- Wuerttemberg, fuer Banken (Hessen) und Behoerden (NRW) oder fuer den Handel im norddeutschen Raum. Nur ueber das vernetzte und spezialisierte Know-how der Partnerfirmen kommen die Softwarehaeuser heute noch an Projekte, die wegen ihrer Groesse und noetigen Kompetenz keines der angeschlossenen Unternehmen alleine erhalten wuerde beziehungsweise handhaben koennte.

Um Klarheit in der Zusammenarbeit zu schaffen, muss jedem Teilhaber eine eindeutige Spezialisierung seiner Kernkompetenz - etwa fuer Datenbanken, Betriebssysteme oder spezielle Anwendungssoftware - zugeschrieben sein. Wird in Projekten diese Kompetenz verlangt, dann muss der Partner auch die Garantie haben, dass ihn die anderen mit ins Projekt nehmen. Besteht kein Interesse, wird die Dienstleistung woanders eingekauft.

Bei Integrationsprojekten haeufiger in einem Boot

Hinter der Idee der strategischen Allianzen steckt vor allem der Integrations- und Loesungsgedanke. Hierdurch sollen die vielfaeltigen DV-Anforderungen der Endkunden durch gezielte Projekte von der Beratung, dem Projekt-Management ueber die Projektrealisierung und Installation bis hin zur regelmaessigen Betreuung durch das Zusammenspiel der Projektpartner kundenspezifisch geloest werden.

Die Aufgabe ist vor allem, die vorhandenen Inseln miteinander zu verbinden und Professional Services anzubieten. Exemplarisch dafuer steht der Bereich Buerokommunikation. Hier sind viele unterschiedliche Buerokommunikationssysteme ueber Systemgrenzen hinweg zu integrieren, ohne die getaetigten Hardware-Investitionen in Frage zu stellen. Erst dadurch wird eine sinnvolle Verbindung der einzelnen Inseln im Unternehmen realisierbar.

Nur mit dieser Buendelung der verschiedenen Spezial-Know-hows der Partner in variablen Projektgruppen ist es kleineren Unternehmen heute noch moeglich, den umfassenden Professional Service anzubieten, den Kunden fordern. Die meisten DV-Unternehmen sind naemlich aufgrund der veraenderten Marktstrukturen alleine nicht mehr in der Lage, den Anwendern diese Art von Professional Services zu liefern.

Die zunehmend verkuerzten Technologiezyklen tragen ein uebriges dazu bei. Nur wer konzentriertes und vielseitiges Know-how in allen Bereichen vorweisen kann, wird sich auf den modernen Maerkten noch behaupten koennen. Problemstellungen wie zum Beispiel Right- und Downsizing, Fern- beziehungsweise Systemadministration etc. stellen hohe Anforderungen, die sich nur durch den Zusammenschluss von Spezialisten erfolgreich und zukunftsorientiert umsetzen lassen.

Fuer Allianzen spricht auch das Ergebnis einer Umfrage des Marktforschungsinstituts IDC zum Thema Systemintegration. Danach erwarten die meisten Unternehmen steigende Wachstumsraten fuer den Bereich der Systemintegration. Darunter ist eine Kombination aus Dienstleistungen, Standardsoftware sowie Beschaffung von technischen Komponenten zu verstehen. Das Spektrum wird gegebenenfalls noch ergaenzt und erweitert durch Individualsoftware und in das Informationsverarbeitungsumfeld des Kunden integriert.

Wesentliche Unterschiede zum klassischen VAR-Geschaeft bestehen darin, dass in der Systemintegration letztlich die Loesung das Projekt bestimmt und der Systemintegrator in die Generalunternehmerschaft eintritt. Die von IDC befragten unabhaengigen Anbieter haben erklaert, im Durchschnitt entfielen etwa 45 Prozent des Projektvolumens auf Hardware- und Telekommunikationsausruestung. 55 Prozent seien reine Service- Leistungen.

Die Inanspruchnahme der Komponententypen ist dabei unterschiedlich. Den hoechsten Bestellwert im Rahmen des Systemintegrationsgeschaefts haben Hardware- und Peripherie-Umsatz sowie der Standardsoftware-Umsatz mit je 20 Prozent, gefolgt von Telekommunikation- und Rechenzentrumsanteilen (Processing Services) mit je 17 Prozent.

Die Betrachtung des vertikalen Markts macht eine breitgestreute Aktivitaet in nahezu allen Branchen sichtbar. Dabei liegt ein Schwerpunkt des Systemintegrationsgeschaefts im Bereich der oeffentlichen Hand mit ueber 30 Prozent der Taetigkeiten. Daneben spielen die Fertigungsindustrie und die Transportbranche eine zentrale Rolle. Versicherungen, Banken, Ausbildungswesen und Bauindustrie gehoeren ebenfalls dazu.

Das Systemintegrationsgeschaeft ist dadurch gepraegt, dass die Anbieter als Generalunternehmer und als Sublieferanten auftreten koennen. Dies bedingt, dass zwischen den Projektpartnern ein hohes Vertrauensniveau herrschen muss. Ausschreibungen und Angebote sind da nur eine Seite der Medaille.

Sicherzustellen ist vor allem, dass die jeweiligen Sublieferanten ihre Expertise transparent machen, weil sie ihre Produkte und Dienstleitungen sehr kritischen Kunden praesentieren. Dies fuehrt zu einem Netzwerk von Beziehungen zwischen den Projektpartnern, die bei diversen Auftraegen in unterschiedlichen Rollen auftreten.