Topsharing

Geteilte Führung, doppelt so gutes Ergebnis?

07.08.2018
Von Susanne Werding
Dem Thema Topsharing – also zwei Führungskräfte, die sich eine Management-Position teilen – begegnet man in deutschen Chefetagen noch immer mit Skepsis. Richtig umgesetzt kann das Modell eine echte Alternative sein.

Wer heute ins Berufsleben einsteigt, hat ganz andere Werte und Vorstellungen als die Generation davor. "Individuelle Flexibilität und unterschiedliche Prioritäten der Mitarbeiter je nach Lebensphase sind in der heutigen Zeit wichtige Themen", erklärt Steffen Neefe vom Top Employers Institute, das seit über 25 Jahren Unternehmen mit guter Personalarbeit zertifiziert. "Die Generation der Millenials möchte zwar weiterhin Karriere machen und Verantwortung tragen, aber nicht um jeden Preis", so Neefe. Selbst Führungsarbeit zu teilen komme dem wachsenden Bedürfnis nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie entgegen.

Zwei Führungspartner mit unterschiedlichen Stärken und Kompetenzen können wertvolle Sparringspartner füreinander sein.
Zwei Führungspartner mit unterschiedlichen Stärken und Kompetenzen können wertvolle Sparringspartner füreinander sein.
Foto: Eugenio Marongiu - shutterstock.com

SAP: Alle Stellen in Teilzeit

Dass geteilte Führung funktionieren kann, zeigt unter anderem das Beispiel SAP. Die Walldorfer schreiben mittlerweile alle offenen Positionen in Teilzeit aus - auch die Management-Positionen. "Wir haben nicht nur diesen Schritt vorgenommen, sondern ermutigen und unterstützen unsere Manager aktiv dabei, Führungspositionen in Teilzeit zu besetzen", sagt Lothar Huber, Head of Diversity & Inclusion Germany. "Die ersten Co-Leadership-Tandems konnten wir bereits umsetzen."

Zwei Führungspartner mit unterschiedlichen Stärken und Kompetenzen können wertvolle Sparringspartner füreinander sein und zusammen fundiertere Entscheidungen fällen, so die Argumentation der Befürworter - und so die Idealsituation. Dazu müssten sich natürlich zunächst einmal die richtigen Partner finden.

SAP bietet Interessierten auf einer internen Co-Leadership-Seite die Möglichkeit, sich über Vorteile und auch Herausforderungen des Arbeitszeitmodells zu informieren. Vermehrt kom­men aber auch interessierte Tandems, die sich über andere interne Netzwerke bereits gefunden haben, proaktiv auf die Personalabteilung zu. "Wir suchen dann zusammen mit den Bewerbern nach einer geeigneten Position und unterstützen bei der Umsetzung", berichtet Huber. "Aktuell sind wir dabei, eine Software­lösung bereitzustellen, über die sich geeignete Tandems finden können."

Lothar Huber, SAP: „Aktuell sind wir dabei, eine Softwarelösung bereitzustellen, über die sich geeignete Tandems finden können.“
Lothar Huber, SAP: „Aktuell sind wir dabei, eine Softwarelösung bereitzustellen, über die sich geeignete Tandems finden können.“
Foto: SAP Deutschland

Führungskräfte teilen Aufgaben und Verantwortung

In der Regel entscheiden die Führungskräfte in Teilzeit selbst, wie sie ihre Aufgaben und den Verantwortungsbereich aufteilen. So auch bei SAP. "Wir stellen den interessierten Managern zwar Beispiele, aber bewusst keine fixen Strukturen vor", erklärt Huber. Denn natürlich müsste das Unternehmen für die Bedürfnisse und Anforderungen jedes Funktionsbereichs beziehungsweise jeder Abteilung individuelle Lösun­gen finden. Eines der SAP-Beispiele hat eine Arbeitszeitaufteilung von jeweils zweieinhalb Tagen gewählt, wobei der halbe Tag der Tag ist, an dem beide Führungskräfte für die Mitarbeiter verfügbar sind, sei es im Büro oder virtuell.

Nicht verschweigen sollte man die Nachteile des Topsharing-Modells. So liegen die Kosten für ein Tandem-Führungsteam durch die sich teilweise überschneidenden Arbeitszeiten und doppelten Sozialausgaben höher als bei einer Vollzeit-Führungsstelle. Auch die Organisation der Arbeit ist durch die Übergaben zunächst komplizierter und erfordert einen größeren Zeit­aufwand.

Um Vor- und Nachteile des Modells realistisch einzuschätzen, ist es wichtig, langfristig zu evaluieren. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich beispielsweise häufig, dass der Verlust für das Unternehmen sehr viel höher ist, wenn Mitarbeiter das Unternehmen aufgrund mangelnder flexibler Alternativen verlassen. Zudem wirken sich flexible Arbeitsbedingung positiv auf die Motivation und Identifikation des Mitarbeiters mit dem Unternehmen aus. "Nicht zu unterschätzen ist auch die positive Außenwirkung solcher Angebote, beispielsweise auch für das Recruiting", kommentiert Neefe.

Tandem muss perfekt harmonieren

Was müssen Unternehmen dabei beachten, wenn sie so ein Modell der geteilten Führungsaufgaben interessieren? Neefe hat fünf Tipps: Zwei gute Führungskräfte machen noch kein gutes Team. Die Persönlichkeiten der Tandempartner müssen harmonieren, ihre Kompetenzen sich bestenfalls ergänzen. Wer in einem Führungsteam arbeiten will, muss bereit sein, Macht zu teilen. Ein offener Umgang mit Kritik und die Bereitschaft, immer wieder die andere Perspektive einzubeziehen, ist unerlässlich. Wichtig im Hinblick auf die anderen Mitarbeiter ist, dass das Führungsteam nach außen hin geschlossen auftritt.

Steffen Neefe, Top Employers Institut: „Die Generation der Millenials möchte zwar weiterhin Karriere machen und Verantwortung tragen, aber nicht um jeden Preis.“
Steffen Neefe, Top Employers Institut: „Die Generation der Millenials möchte zwar weiterhin Karriere machen und Verantwortung tragen, aber nicht um jeden Preis.“
Foto: Top Employers Institute

Entscheidend für den Erfolg des Modells ist die Rückendeckung und Unterstützung der Geschäftsführung sowie eine offene Kultur und Kommunikation im Unternehmen. Organisation und Verantwortlichkeiten ­sollten vorher geklärt sein - auch, wie die Arbeitsteilung aussehen soll. Wichtige Entscheidungsabläufe müssen vorab festgelegt werden. So sind die Regeln klar, falls es später zu Meinungsverschiedenheiten kommt.

Zeitüberschneidungen der beiden Führungs­kräfte sind wichtig. Ein gemeinsamer Arbeits­tag beugt Kommunikationsproblemen vor und ermöglicht einen fixen Zeitpunkt zu Koordinationsmeetings - was oft auch bei den anderen Mitarbeitern des Teams für ein gutes Gefühl sorgt. Die Stärken des Topsharing-Modells kommen erst längerfristig zum Tragen, deshalb hilft eine kurzfristige Evaluation wenig. Eine größere Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen, geringere Ausfallzeiten, hochqualifizierte Mitarbeiter, die dem Unternehmen sonst verloren gegangen wären, sind wichtige Punkte, die sich nicht direkt messen lassen - für das Unternehmen aber bares Geld wert sind.