Robotron wird anders sein

Gespräch mit Dietmar Otto, Robotron

15.12.1989

CW: Wie viele Mitarbeiter hat Robotron in der letzten Zeit verloren?

Otto: Von den reichlich 68 000 Beschäftigten des Kombinates haben uns zirka 1300 verlassen. Durch große Anstrengungen konnten wir aber bisher alle diese, Ausfälle kompensieren.

CW: Wie wird es weitergehen?

Otto: Es gibt noch keinen endgültigen Plan und keine endgültigen Vorstellungen . einen Plan wie bisher wird es auch nicht geben - wie das im nächsten Jahr weitergeht. Fest steht, daß Robotron weiterbestehen wird und daß es auch nicht kleiner sein wird, daß es vielleicht ein bißchen anders sein wird.

Es wird sicher neue Formen der Produktion und des Vertriebs geben. Wir werden versuchen, neue Strukturen und Exportlinien aufzubauen. Beispielsweise sind wir dabei, sehr kurzfristig eine eigene Vertriebsorganisation - mit Partnern - in der Bundesrepublik aufzubauen.

CW: Was waren des für Leute, die weggegangen sind ?

Otto: Das war überwiegend Produktionspersonal, nur wenige kamen aus den Bereichen Forschung und Entwicklung. Von zirka 2000 Software-Entwicklern beispielsweise haben uns bis Ende November ganze sieben verlassen; aus dem mittleren Management, soweit mir bekannt, fünf.

Die große Mehrheit jedoch ist dabei, hier engagiert zu arbeiten. Natürlich gibt es, wie überall derzeit, sehr ernsthafte Diskussionen, auch Forderungen, die Wirtschaft und auch dieses Unternehmen neu zu organisieren, andere Formen, effektivere Formen zu realisieren, oder die Durchsetzung des Leistungsprinzips. Da gibt es eine ganze Reihe von Forderungen, und natürlich nicht nur Forderungen, sondern auch ernsthafte Überlegungen und Gespräche. Ich bin sicher, daß wir hier sehr kurzfristig neue Wege gehen, auch gemeinsam mit Partnern in anderen Ländern. Ich bin da sehr optimistisch.

CW: Haben Sie mit Leuten gesprochen, bevor sie weggingen?

Otto: Ich kenne keinen von denen, die uns verlassen haben. Aus meinem engeren Kreis war niemand dabei.

Früher gab es öfter Diskussionen, auf verschiedenen Ebenen, mit Leitern und Mitarbeitern, die einen Antrag auf Übersiedlung gestellt hatten. Aber jetzt, bei dieser Welle, gab es meines Wissens keine Debatten. Sie kennen ja die Situation und wissen, daß es keine Möglichkeit gab - und auch keine Absicht - die Leute zu hindern, sondern ... bitte, wenn sich jemand so entschieden hat, ist das sehr bedauerlich, aber was sollen wir tun? Wenn es zu Gesprächen gekommen ist, was ich nicht ausschließen möchte, dann wurde sicher über die Beweggründe geredet und versucht, wo sich Lösungswege abzeichnen, die Probleme zu Iösen, um damit die Leute doch hierzubehalten.

Persönlich allerdings kenne ich einige Fälle, wo nicht aufgrund von Agitation, sondern aufgrund der Entwicklung in der DDR Werktätige von Robotron von sich aus den Antrag auf Ausreise zurückgezogen haben und sich entschieden haben, doch hier zu bleiben, weil sie der Auffassung sind, daß sich inzwischen doch einiges ändert, einiges zum Guten wendet, und sie demzufolge ihren Platz hier sehen.

CW: Wenn jemand zurückkehren wollte, würde der seinen Arbeitsplatz wieder bekommen?

Otto: Das müßte die Kaderabteilung entscheiden, aber ich würde das nicht ausschließen. Man kann es sicher nicht absolut sagen. Das muß sicher auch von Fall zu Fall entschieden werden. Natürlich können bestimmte Arbeitsplätze nicht ewig frei gehalten werden. Das ist auch ein Problem der leistungsorientierten Tätigkeit in unserer Wirtschaft. Wir werden nicht, wenn jemand zurückkommt, aus sozialen Erwägungen heraus , Ja' sagen, so wie beispielsweise beim Mütterjahr, wo der Arbeitsplatz von Gesetzes wegen freigehalten werden muß. Das wird von Fall zu Fall entschieden werden, und wenn die Möglichkeit besteht, wird es sicher gemacht, aber es ist nicht so, daß die Stelle wieder eingerichtet wird, auch wenn sie nicht gebraucht wird. Diese soziale Augenauswischerei, ich glaube, die gehört der Vergangenheit an.