Kritik: Zu hohe Kosten, Unklarheit über Effektivität

Gesetzgeber, Datenschützer und Carrier uneins über TK-Abhören

06.10.2000
BAD GODESBERG (ave) - Die TK-Anbieter sind unzufrieden. In seltener Einigkeit wehren sie sich gegen die gesetzlichen Regelungen zu Auskunftsersuchen staatlicher Stellen über TK-Vorgänge im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen. Diese Pflichten verursachten zu hohe Kosten.

Auf einer Veranstaltung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfD) machten Carrier wie die Deutsche Telekom und Mannesmann Mobilfunk ihrem Unmut Luft. Sie beklagten sich über Bestimmungen im Fernmeldeanlagengesetz (FAG) beziehungsweise Telekommunikationsgesetz (TKG), die ihnen vorschreiben, Ermittlungsbehörden "im Bedarfsfall" bei deren Tätigkeit zu unterstützen. Im Klartext bedeutet das für die Anbieter, dass sie auf richterlichen Beschluss hin Kunden- beziehungsweise Verbindungsdaten (etwa Wahl- und Zielnummer, Uhrzeit und Dauer des Telefonats) zur Verfügung stellen müssen, wenn damit eine Straftat aufgeklärt oder verhindert werden kann.

Dagegen sei im Prinzip nichts einzuwenden, erklärte Thomas Königshofen, Konzernbeauftragter für den Datenschutz bei der Deutschen Telekom: "Im Interesse der Strafverfolgung sind solche Eingriffe in das TK-Recht völlig legitim." Er kritisierte aber, dass die Umsetzung dieser Richtlinien seinem Arbeitgeber Kosten in Höhe von mehreren Millionen Mark verursacht, die von den Behörden nur zu einem geringen Teil zurückerstattet würden. "Pro Tag bekommen wir mehrere Anfragen nach Zielnummernsuchen, die unsere Rechner dann exklusiv ausführen müssen." In den USA sei dies anders.

Jährliche Berichte gefordertLaut Königshofen lassen sich die Carrier dort diese Dienste bezahlen. So verlange AT&T pro Recherche etwa 3000 Dollar.

Henning Wüstefeldt, Datenschutzbeauftragter bei Mannesmann Mobilfunk, kritisierte überdies, es gebe keinerlei Erkenntnisse darüber, wie effektiv solche Maßnahmen überhaupt seien. Gabriele Löwnau-Iqbal, Referentin beim BfD, stimmte dem zu. Sie beklagte zudem, dass nicht nur direkt Tatverdächtige, sondern mit zunehmender Tendenz auch Kontaktpersonen, die selbst keine Straftat begangen haben überwacht würden, und stellt fest: "Die Frage, ob die erhöhte Zahl der Maßnahmen auch zu einer höheren Erfolgsquote im Rahmen der Verbrechensbekämpfung geführt hat, kann zum jetzigen Zeitpunkt niemand wirklich zuverlässig beantworten." Angaben der Referentin zufolge wurden im Jahr 1998 insgesamt 11272 Telefonanschlüsse überwacht, davon 6391 Mobiltelefone. Sie fordert eine jährliche Berichtspflicht an den Bundestag, um über Anlass, Verlauf, Ergebnisse, Anzahl der Betroffenen und die dadurch entsandenen Kosten aufzuklären.

Die Kritik ließ ein Sprecher des Bundesjustizministeriums nicht unkommentiert. Es sei ein Gutachten in Auftrag gegeben worden, das unter anderem die Wirksamkeit von TK-Abhörmaßnahmen untersuchen solle. Ein Ergebnis werde für Mai 2001 erwartet. Andreas Schultz vom Bundesinnenministerium bat um die Kooperation der TK-Unternehmen, die nötig sei, damit die Strafverfolgungsbehörden ihre Ermittlungen anstellen könnten.