Recht im Internet/Regelung für den Bereich Business-to-Customer

Gesetzgeber bessert Vertragsrecht für den E-Commerce nach

10.11.2000
Der Kunde ist König. Eigentlich sollte dieser Grundsatz auch beim Web-Shopping gelten. Doch weit gefehlt. Das gültige Vertragsrecht war nur bedingt auf den virtuellen Kauf anwendbar. Mit der E-Commerce-Richtline und dem Fernabsatzgesetz haben die Gesetzgeber nun nachgebessert. Matthias Hartmann* stellt die Neuerungen vor.

In diesem Jahr sind zwei für die Weichenstellung im E-Commerce entscheidende Regelungswerke verabschiedet worden. Zum einen auf europäischer Ebene die E-Commerce-Richtlinie, deren Fassung vom Europäischen Parlament im Mai angenommen wurde. Zum anderen wurde nach langer Diskussion Ende Juni das Fernabsatzgesetz im Bundesgesetzblatt verkündet und damit die Fernabsatzrichtlinie der EU vom Mai 1997 umgesetzt. Das Fernabsatzgesetz gibt der Wirtschaft nunmehr klare Regelungen für den E-Commerce im Business-to-Consumer-Bereich an die Hand. Die E-Commerce-Richtlinie der EU weist zugleich in die nähere Zukunft. Ein Wermutstropfen bleibt indes: Nach wie vor besteht große Unsicherheit, weil zentrale Regelungen zum E-Commerce wie das Teledienstegesetz (TDG), das Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG), das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie das Signaturgesetz (SignG) zu novellieren sind. Zum Teil befinden sich die entsprechenden Gesetzesentwürfe bereits in der Diskussion.

Obwohl das Fernabsatzgesetz bereits in Kraft ist, findet sich noch immer eine Reihe von E-Commerce-Angeboten, die den Anforderungen offensichtlich nicht entsprechen. Dabei regelt das Fernabsatzgesetz zentrale Bereiche wie etwa den elektronischen Vertragsschluss, die Informationspflichten und die neu in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) integrierten Rechtsinstitute des Widerrufsrechts, § 361 a BGB, sowie des Rückgaberechts, § 361 b BGB. Weitere Änderungen betreffen das Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz (AGBG), das Wettbewerbsrecht und das Fernunterrichtsschutzgesetz. Außerdem führt das Fernabsatzgesetz den Euro an Stelle der D-Mark in zahlreiche Gesetze ein. Das Fernabsatzgesetz gilt seit Anfang Juli und sollte, sofern noch nicht geschehen, unverzüglich in alle E-Commerce-Angebote, die sich an den Verbraucher richten, integriert werden.

Das Fernabsatzgesetz hat Gültigkeit bei allen Fernabsatzverträgen, die in § 1 des Gesetzes definiert sind. Eine wichtige Ausnahme stellt jedoch der gesamte Business-to-Business-(B-to-B-)Bereich dar, der vom Gesetz nicht erfasst ist. In den Anwendungsbereich fallen laut § 1 Abs. 1 nur Verträge zwischen Unternehmen und Verbrauchern, die ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden.

Unter Fernkommunikationsmittel werden nicht nur Online-Erklärungen, E-Mail und Fax, sondern auch Briefe und Telefonanrufe verstanden. Der Verbraucher wird im neuen § 13 BGB als "jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann", definiert.

Es gibt weitere wichtige Ausnahmen. So findet das Gesetz keine Anwendung auf Verträge über:

- Geschäfte mit Grundstücken,

- Time-Sharing-Verträge bei Wohngebäuden,

- Finanzgeschäfte, vor allem Bankgeschäfte,

- Versicherungen,

- Waren des täglichen Bedarfs wie etwa Lebensmittel, die im Rahmen regelmäßiger Lieferungen abgegeben werden, sowie

- die Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen der Unterbringung, Beförderung und Freizeitgestaltung, wenn der Zeitpunkt der Leistung festgelegt ist (zum Beispiel Hotelbuchungen, Konzertveranstaltungen oder Reisebuchungen).

Drei große Branchen sind damit nicht unmittelbar betroffen: Banken, Versicherungen und der Tourismus.

Hiesiges Wettbewerbsrecht ist äußerst restriktivIm Gegensatz dazu reicht der Anwendungsbereich der von den Eurokraten in Brüssel auf den Weg gebrachten E-Commerce-Richtlinie weiter. Sie dient dazu, EU-weit Regelungen für "Dienste der Informationsgesellschaft" zu harmonisieren. Damit betrifft sie auch den B-to-B-Bereich, wobei die Richtlinie jedoch regelmäßig abweichende Vereinbarungen zwischen den Vertragspartnern zulässt.

Schon nach geltender Rechtslage hat der Anbieter im Internet Namen und Anschrift anzugeben. Bei Unternehmen wie GmbHs oder AGs sind auch Namen und Anschrift der Vertretungsberechtigten auf der Homepage aufzulisten (§ 6 TDG, ? 6 Abs. 1 Mediendienstestaatsvertrag (MDStV). Bei Mediendiensten, also vor allem redaktionellen Angeboten an eine Vielzahl von Nutzern, ist darüber hinaus ein vom Gesetz besonders qualifizierter Verantwortlicher im Sinne des Mediendienstestaatsvertrages anzugeben, § 6 Abs. 2 MDStV.

Diese Informationspflichten werden im Rahmen des Fernabsatzgesetzes noch verschärft. Vor Abschluss eines Fernabsatzvertrages ist der Verbraucher in einer dem Medium entsprechenden Weise klar und verständlich über folgende Punkte zu informieren: Neben Identität und Anschrift sind die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung mitzuteilen. Außerdem soll der Kunde erkennen können, wann genau ein Vertrag zustande kommt. Zu den wesentlichen Informationen gehören auch die Mindestlaufzeit von Verträgen oder etwaige Leistungsvorbehalte. Schließlich sind, wie nach Wettbewerbsrecht ohnehin, der Preis einschließlich der Preisbestandteile und die anfallenden Liefer- und Versandkosten anzugeben, sowie über das neu eingeführte Widerrufs- und Rückgaberecht zu informieren. Diese und weitere Informationen zu Verbraucherschutzrechten und deren Ausübung müssen dem Kunden spätestens bis zur Erfüllung des Vertrages auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Dies hat vor allem Auswirkungen auf die Dauer des neuen Widerrufs- und Rückgaberechtes.

Informationspflichten sieht auch die E-Commerce-Richtlinie vor. Neben Namen und Anschrift sowie Kommunikationsdaten sind auch Registernummern, bei zulassungspflichtigen Tätigkeiten die Aufsichtsbehörde sowie die Umsatzsteueridentifikationsnummer anzugeben. Für reglementierte Berufe wie Ärzte und Anwälte finden sich in Art. 5 Abs. 1 der EU-Richtlinie noch weitere Sonderregelungen. Grundsätzlich bleibt es bei der Zulassungsfreiheit von Internet-Angeboten, § 4 TDG, Art. 4 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie.

Ein bislang ungelöstes zentrales Problem der E-Commerce-Richtlinie stellt die Harmonisierung der Anforderungen an Werbung dar. Nach Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung dürfen Dienste der Informationsgesellschaft, die in dem Land zulässig sind, in dem sich der Diensteanbieter niedergelassen hat, in anderen Mitgliedsstaaten nicht aufgrund nationaler Normen eingeschränkt werden. Zwar sind hiervon zahllose Ausnahmen vorgesehen. Ferner gilt dies auch nur für den so genannten koordinierten Bereich, doch umfasst dieser auch die Werbung. Auch ist es richtig, dass sich die EU seit vielen Jahren darum bemüht, die Anforderungen an die Werbung zu harmonisieren. Das ist bis heute jedoch nur in Teilen gelungen. So gibt es eine Richtlinie über vergleichende Werbung oder Werbung für Heilmittel und andere Spezialregelungen.

Der Großteil des Wettbewerbsrechts in Deutschland, der vor allem auf der Ausformung durch die Rechtsprechung beruht, ist bislang nicht EU-weit angeglichen. Dies würde dazu führen, dass Werbung unabhängig davon, auf welches Zielgebiet und auf welche Verbraucher sie gerichtet ist, nur den Wettbewerbsregeln unterworfen ist, die am Ort der Niederlassung gelten. Nach dem bislang geltenden Marktortprinzip ist es möglich, nach deutschem Wettbewerbsrecht gegen ausländische Anbieter vorzugehen, die mit ihrer Werbung auf den deutschen Markt zielen. Konsequenz der Neuregelung ist dann, dass sich der hier niedergelassene Anbieter den meist strengeren hiesigen Regelungen unterwerfen muss, sein EU-Mitbewerber aber nicht. Es besteht unter Juristen Einigkeit darüber, dass Teile des Wettbewerbsrechts in Deutschland zu restriktiv sind und auch den ursprünglichen Zweck des Verbraucherschutzes aus den Augen verloren haben. Doch eine völlige Freigabe der Werbung ist sicher nicht beabsichtigt. Die Beibehaltung des Status quo würde wiederum zu einer erheblichen Benachteiligung der Anbieter führen, die ihre Niederlassung in Deutschland haben. Immerhin ist zu erwarten, dass aufgrund des erheblichen Zeitdrucks, der durch die Verabschiedung der Richtlinie entsteht, endlich Bewegung in das teilweise verkrustete Wettbewerbsrecht kommt.

Nach wie vor können die meisten Verträge problemlos und wirksam auch über elektronische Medien geschlossen werden. Genau so, wie es heute möglich ist, per Telefon Aktien zu ordern, via Fax Rohstoffe zu verkaufen, oder bei Versteigerungen durch Handheben mitzubieten, so ist es auch auf elektronischem Wege möglich, Verträge zu schließen. Das Problem liegt eher darin, Vertragspartner oder Vertragsschluss nachweisen zu können. Ein Vertrag kommt zustande, wenn über die wesentlichen Punkte zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Solche Äußerungen können auch durch Automaten instrumentalisiert sein, wie etwa das Beispiel des Zigarettenautomaten zeigt. Durch Einwurf der Münzen und Wählen der Marke bietet der Kunde an, zu dem festgelegten Preis die Packung erwerben zu wollen. Der Automat gibt die Packung frei und transportiert so die Erklärung des Aufstellers, das Angebot anzunehmen. Dies ist im Internet auch nicht anders.

Nach wie vor können aber solche Geschäfte nicht wirksam elektronisch vorgenommen werden, die nach Gesetz ausdrücklich der Schriftform bedürfen. Dies sind etwa Bürgschaften bei Nichtkaufleuten, § 766 BGB, Quittungen, § 368 BGB, Schuldanerkenntnisse, §§ 780, 781 BGB, Kündigung von Wohnraummiete, § 564 a BGB. Für Verbraucherkreditverträge besteht eine besondere Regelung in §§ 4 und 8 Verbraucherkreditgesetz.

Kernproblem: Beweisbarkeit des VertragsabschlussesAusgeschlossen bleiben auch Rechtsgeschäfte, die eine notarielle Beurkundung erfordern. Hieran wird sich wohl auch durch die Signaturen gemäß Signaturgesetz nichts ändern. Der Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an einen modernen Rechtsgeschäftsverkehr, Stand 06. 09. 2000 (FormanpG), der die Verwendung von elektronischen Erklärungen in das BGB integrieren soll, sieht derzeit noch keine wesentliche Änderung der Rechtslage bei gesetzlichen Schriftformerfordernissen vor. Etwas anderes gilt, wenn die Schriftform lediglich vertraglich vereinbart ist. Hier kann ausdrücklich definiert werden, welche elektronischen Erklärungen zulässig sein sollen oder ob der mutmaßliche Wille der Vertragspartner zu ermitteln ist. Ein deutliches Indiz dafür kann etwa sein, wenn der Vertrag mit der Schriftformklausel selbst elektronisch geschlossen worden ist. Das eigentliche Problem bei Internet-Verträgen liegt also nicht in der Wirksamkeit der Vereinbarung, sondern in der Identifikation des Vertragspartners und dem Beweis des Vertragsschlusses.

Ohne besondere Identifikationsmechanismen kann der Unternehmer als Beweis dafür, dass eine bestimmte Person eine Bestellung vorgenommen hat, allenfalls die IP-Nummer angeben, mit der die Kommunikation stattfand, einige Daten über die vom Kunden verwendete Software, Informationen aus den Cookies sowie die Onlinezeit des Vertragsschlusses.

Theoretisch wäre es möglich, mit Hilfe der Provider-Log-Files und der digitalen Daten aus den Vermittlungsstellen auch den Telefonanschluss des Kommunikationsursprungs zurückzuverfolgen. In wirtschaftlich erheblichen Fällen könnten über die Einleitung von Strafverfahren die weiter gehenden Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden nutzbar gemacht werden. Regelmäßig erfordert der Nachweis des Vertragsschlusses durch einen bestimmten Kunden aber sichere Identifikationsmechanismen.

Zur Identifizierung von Kunden wurden von der Rechtsprechung PIN-Verfahren im Bereich der ec-Karten ebenso akzeptiert wie die Zugangskennnummern von Btx. Signaturen nach dem Signaturgesetz sind demnach nicht erforderlich und spielen wegen der Kosten bislang auch kaum eine Rolle. Die EU-Richtlinie zu den Signaturen ist noch 1999 verabschiedet worden und soll demnächst durch eine Novelle des Signaturgesetzes umgesetzt werden. Dadurch könnten standardisierte Signaturen endlich Verbreitung finden. Die Einzelheiten sind noch nicht entschieden und sehr komplex. Es besteht aber die Hoffnung, dass elektronisch signierte Dokumente auch prozessual den persönlich unterschriebenen weitgehend angepasst werden könnten. Das Interesse der Wirtschaft an Identifikationsmechanismen besteht nur zu einem Teil darin, problematische Vertragsbeziehungen beweisbar zu machen. Bei den Versandhäusern gibt es ohnehin eine Quote von Problemfällen, die ins Kalkül einbezogen werden.

Wirtschaftlich wertvoll sind vor allem die dabei entstehenden Kundendaten. Das allgegenwärtige Thema Customer-Relationship-Management (CRM) deutet auf reges Interesse der Unternehmen hin, mehr über den Kunden zu erfahren und dieses Wissen zum wirtschaftlichen Vorteil zu nutzen. Juristisch steht allerdings vielen sehr spannenden Konzepten der Personalisierung und Individualisierung von Werbung und Produkten der restriktiv geregelte Datenschutz entgegen. Nach geltendem Recht unterliegen Teledienste dem Gebot der Datenvermeidung, § 3 Abs. 4 TDDSG.

Nach der Zielrichtung des Gesetzes sollen Teledienste so strukturiert sein, dass möglichst wenige personenbezogene Daten über den Nutzer entstehen. Weitgehend soll die anonyme Nutzung angeboten werden oder zumindest Pseudonyme zugelassen sein. In der Tat ist für Geschäfte des Alltags die Identifizierung des Vertragspartners selten erforderlich. Zu Recht wäre der Kunde irritiert, würde er im Foyer des Supermarktes nach Name, Wohnort und E-Mail-Adresse und noch nach ein paar "freiwilligen" Angaben zu den persönlichen Verhältnissen gefragt.

Missbrauch von Daten durch Data MiningLange vor Erfindung des E-Commerce hat das Bundesverfassungsgericht der Datensammelwut einen Riegel vorgeschoben. Im Urteil zur beabsichtigten Volkszählung wurde das so genannte "Informationelle Selbstbestimmungsrecht" als Grundrecht der Verfassung anerkannt. Jeder soll jederzeit darüber bestimmen können, wer was über ihn weiß. Belanglose Daten gibt es nicht. Diese Prinzipien werden in der schönen neuen Welt des CRM nicht wiederzuentdecken sein. Unbeschadet der gesetzlichen Lage wird gesammelt, was die Leitungen hergeben. Anstatt die Datenhalden abzutragen, werden diese durch Data Mining ausgebeutet. Es steht jedoch zu erwarten, dass die allgemeine Missachtung des Datenschutzes zu ernsthaften Problemen führen wird. Der betroffene Nutzer geht zwar meist nicht gegen den Datenmissbrauch vor. Dies erledigen aber vielleicht die Mitbewerber, die in datenschutzwidrigem Verhalten einen Wettbewerbsverstoß sehen. Des Weiteren deutet vieles darauf hin, dass die Aufsichtsbehörden selbst die ständige Missachtung des Datenschutzes im Internet nicht mehr hinnehmen. Theoretisch könnten schon jetzt Seiten gesperrt werden. Die aktuell diskutierte Novelle des Teledienstedatenschutzgesetzes sieht neue Bußgeldtatbestände vor.

*Matthias Hartmann ist Anwalt der Kanzlei Graefe & Partner in München, Berlin und Frankfurt.