Kolumne

"Geschäftssinn statt Visionen"

29.11.1996

Seit Jahren versuchen die drei größten Softwarehäuser Microsoft, Oracle und Computer Associates den Eindruck zu erwecken, visionärer Erfindergeist hätte sie an die Spitze gebracht. Das trifft nur bedingt zu. Wichtiger für den Erfolg waren kaufmännisches Geschick und die Fähigkeit, die eigene Unternehmensgröße für den Ausbau der Marktanteile einzusetzen.

Microsoft dominiert weite Teile des Marktes, weil mit überzeugendem Marketing und den richtigen Partnern Schlüsselpositionen besetzt wurden. Heute gehört der Desktop Microsoft - und er dient dem Unternehmen dazu, wie ein Polyp seine gewaltigen Fangarme um andere Wachstumsmärkte zu schlingen. Mit großen Partnern kooperiert Gates, die kleinen kauft er, sofern sie ihm gefallen - man denke etwa an E-Shop (Merchant Server) oder Vermeer. Gelingt das nicht, wie im Falle Intuit oder angeblich auch Netscape, werden deren Ideen aufgegriffen - freundlich gesagt.

Dem ausgeprägten Geschäftssinn von Firmengründer Larry Ellison verdankt auch Oracle seinen Erfolg. Kundenbindung war dem Chefstrategen stets besonders wichtig: Die Anwender sollten an die Datenbank gefesselt werden, und abhängig davon auch an andere Produkte.

Ellison erkannte, daß professionelle Anwender Investitionssicherheit wollen. Er sorgte dafür, daß sein System auf nahezu allen Betriebssystem- und Hardwareplattformen lief, und bot den Kunden damit die Chance, im Notfall mitsamt ihrer Datenbank den Hersteller zu wechseln. Heute profitiert Oracle von einer breiten installierten Basis und kassiert bei den Softwarelizenzen.

Computer Associates dagegen hat sich darauf spezialisiert, Softwarefirmen mit interessanten Produkten und großer Kundenbasis aufzukaufen und sich am Lizenzgeschäft schadlos zu halten. Die Geschäftsbedingungen sind berüchtigt - Anwender von Datenbanksystemen wie IDMS, Datacom oder von Legent-Systemsoftware wissen ein Lied davon zu singen.

Sind die Geschäftsansätze der Top drei auch völlig unterschiedlich, so ist ihnen doch eines gemeinsam: Ihre Stärke resultiert aus dem Sicherheitsdenken der Anwender. Da diese sich scheuen, die Produkte kleiner, aber innovativer Softwarehäuser einzusetzen, dürfen sie sich auch nicht über das monopolistische Geschäftsgebaren der Großen beklagen.