Geschäftsideen zu kopieren ist erlaubt

23.03.2011
Ein erfolgreiches Startup braucht nicht immer eine Innovation. Mehrfachgründer Oliver Beste über das Geheimnis des Erfolgs im Internet-Zeitalter.

CW: Sie haben mittlerweile 16 Unternehmen, darunter Mytoys.de, gegründet. Wie wird man zum Seriengründer?

BESTE: Erst einmal ist es sinnvoll, über Praktika oder ein Jahr Berufserfahrung die Perspektive eines Angestellten kennen zu lernen. So wächst das Einfühlungsvermögen für die Aufgabe, Mitarbeiter zu führen. Studieren und Praxiserfahrung sind gut, doch mehr als ein oder zwei Jahre als Berater oder in anderen Berufen sind verlorene Zeit. Mein Rat: So früh wie möglich gründen, weil man dabei lernt, wie man es erfolgreicher macht. Am besten schon parallel zum Studium eine Firma starten, mit der man sein Studium finanziert.

CW: Wie haben sich die Anforderungen an Gründer mit Technologiehintergrund in den vergangenen Jahren verändert?

BESTE: Der Anspruch an das technische Verständnis des Gründerteams ist erheblich gewachsen. Das heißt jedoch nicht, dass eine Hightech-Gründung ein Studium der Informatik oder Ingenieurwissenschaften erfordert. Es reicht ein technisch begabter Mitgründer. Erfolgreiche Gründer sind Komponisten, keine Solisten. Sie holen sich die Talente ins Boot, die sie brauchen.

CW: Deutschland gilt nicht unbedingt als Paradies für Unternehmensgründer. Was müsste sich Ihrer Ansicht nach ändern?

BESTE: Gründergeist erfordert Vision und Begeisterung. Dafür braucht es Idole. Die meisten Schüler sehen eine Firmengründung nicht als berufliche Alternative. Sie wissen nicht einmal, wie Unternehmen in ihren Grundzügen funktionieren mit Angestellten, Produktion, Gewinn- und Verlustrechnung etc. Warum? Weil wir, das heißt Schulen, Universitäten, Medien, Politiker und Eltern, den Menschen nicht vorleben und erklären, was ein Gründer ist. Ich setze auf die Einsicht der Bildungspolitiker, in den nächsten Jahren flächendeckend das Fach Wirtschaft an den Schulen einzuführen mit einem Kapitel "Berühmte Gründer und Unternehmer" wie Carl Friedrich Benz, Werner von Siemens, Hasso Plattner oder Götz Werner. Und ich setze auf die Vorbildrolle von jungen Gründerstars wie den Brüdern Samwer, Lars Hinrichs oder Lukasz Gadowski.

CW: Der Erfolg der Brüder Samwer begann damit, dass sie eine in den USA bestehende Plattform exakt kopierten. Was halten Sie von solchen Copycats?

BESTE: Da bin ich befangen, weil fast alle meine Gründungen von Mytoys.de bis Ratepay.com Copycats sind. Innovation ist ein Geschenk für die Menschheit, passiert jedoch eher aus Zufall in wenigen Biotopen. Für Internet-Firmen ist das Biotop meist das Silicon Valley in den USA, weil dort die meisten Internet-Unternehmen, Risikokapitalgeber und Gründer sitzen. Ein neues Geschäftsmodell ist genauso wenig geistiges Eigentum wie eine Pizzeria, die auch kopiert werden darf. Auch iPod, iPhone und iPad sind keine Neuerfindungen, sondern Produktverbesserungen im Wettbewerb. Die große Anzahl an Kopien in Europa bieten den US-Originalen die optimale Chance für schnelles Wachstum durch günstige Akquisitionen. Ich halte es also mehr mit der asiatischen Kultur, in der es als große Leistung gilt, wenn die Kopie mit dem Original wettbewerbsfähig oder sogar besser ist. Wer denkt seit dem iPod noch an den Walkman?

CW: Mit der Verbreitung von Smartphones wird das Internet mobiler. Gibt es für rein stationäre Geschäftsmodelle noch einen Markt?

BESTE: Stationärer Verkauf ist riesig. 90 Prozent des Handelsumsatzes laufen stationär ab, weil der Ikea-Effekt ein menschliches Grundbedürfnis ist: Anfassen und sofort nutzen. Groupon bringt erstmals in großem Stil den Stationärgeschäften Neukunden durch Internet-Werbung. Das ist der nächste große Trend: Stationärgeschäfte werden ihre Angebote über das mobile Internet allen Kunden verfügbar machen können mitsamt der Information, wie viel Minuten entfernt zu welchem Preis was vorrätig ist. Ich werde demnächst einen städtischen Marktplatz gründen, der alle gewünschten Waren aus der Stadt aus Stationärfilialen innerhalb einer Stunde liefert. Da wird der Online-Handel ganz schön ins Schwitzen kommen.

CW: Großen Unternehmen geht der qualifizierte Nachwuchs aus. Wie stellen sich Technologiegründer diesem Thema?

BESTE: Ist das für die neue Generation nicht herrlich? Endlich brauchen wir keine Angst mehr vor Arbeitslosigkeit trotz hervorragender Ausbildung zu haben. Wir Gründer versprechen zusätzliche Anreize von Geld bis zur flexiblen Arbeitszeit, wir lagern an Dienstleister aus, wir gehen nach Bangalore und Minsk. Und manchmal verzweifeln wir und müssen auf eine Gründung mangels Entwicklern verzichten. Deshalb ermutigen wir jeden, Informatik, Ingenieurwissenschaften, Physik, Chemie oder ein anderes technisches Fach zu studieren.

CW: Vor dem Forum Kiedrich haben Sie Gründer zu Helden erklärt. War das nicht etwas überzogen?

BESTE: Natürlich sage ich das ein bisschen mit Humor. Gründer sind mutig, ergreifen die Initiative und schaffen Wohlstand für Mitarbeiter und Lieferanten. Sie bringen großen Nutzen durch neue Produkte und Dienstleistungen oder durch bessere Qualität und günstige Preise für Kunden. Als großer Fan meines ehemaligen Arbeitgebers McKinsey sehe ich in Deutschland viele Berater und Banker, aber einen gefährlichen Mangel an Gründern. Das ist gefährlich für die Sicherung von Sozialausgaben, Renten, Gesundheitsversorgung, Bildung. Trotz der besten Autoingenieure dürfen wir nicht weitere 125 Jahre nur von alten Firmengründungen und Innovationen wie denen von Daimler und Benz leben. Hinzu kommt: Gründer sind nicht nur Unternehmer, sondern auch Social Entrepreneurs. Mein Idol ist der in seiner Heimat so angefeindete Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der Banken für Arme in Bangladesch und viele andere Social Enterprises gegründet hat. Auch die sozialunternehmerischen Menschen in Deutschland sollten mit öffentlicher Bewunderung ermutigt werden. Unsere Gesellschaft braucht innovative Lösungen von der Bildung bis zum Umweltschutz! (am)