Beratergeschichten

Geschäfte in Shanghai: Mit Karaoke läufts besser

03.06.2010

Zu neuen Ufern nach China

Leidloff schmunzelt und blickt versonnen in den Shanghaier Himmel. Eine spannende Zeit war das damals, er möchte sie auf keinen Fall missen. Auch wenn ihm später Deutschland zu klein wurde als "Jagdrevier". Raus wollte er, die Welt sehen. Als seine Firma beschloss, weiter zu expandieren, schlug Leidloffs Stunde. Vor zwei Jahren war es dann soweit: In der chinesischen Niederlassung eines mittelständischen Druckmaschinenherstellers sollte das deutsche SAP-Template eingeführt werden, zusammen mit einem Dienstleister vor Ort. Was verheißungsvoll klang, entpuppte sich bald als "clash of cultures". Zu unterschiedlich waren die Mentalitäten. Leidloff: "In Europa erwartet man von einem Berater Eigenständigkeit und Initiative. In China dagegen müssen die Mitarbeiter viel stärker geführt werden. Selbst wenn sie wissen, was sie zu tun haben, erwarten sie genaue Instruktionen." Entscheidungen würden zudem nur von ausgewählten Personen getroffen.

Hinzu kamen fachliche Unzulänglichkeiten. Kaum einer sprach gut Englisch, auch nicht beim lokalen Partner. Berater mussten wegen Inkompetenz ausgetauscht werden, fähige waren von einem Tag auf den anderen verschwunden. Ein geschlossener Vertrag ist in China noch lange keine endgültige Vereinbarung. Leidloff musste auch hier umdenken.

Andreas Leidloff, IT-Berater bei Itelligence, verbringt die Hälfte seiner Arbeitszeit in Shanghai.
Andreas Leidloff, IT-Berater bei Itelligence, verbringt die Hälfte seiner Arbeitszeit in Shanghai.

Heute macht er manches anders. Er arbeitet nur mit Partnern zusammen, die sowohl in der westlichen als auch in der östlichen Kultur zu Hause sind. Die Vermittlerrolle ist für ihn das A und O. "Man braucht eine starke Persönlichkeit, um die Leute zu überzeugen und das Projekt voranzubringen; andererseits darf man nicht anmaßend auftreten und seine Lösung als die einzig richtige darstellen." Das widerspreche der chinesischen Diskussionskultur, die von Zurückhaltung und Respekt geprägt sei.

Nicht bekehren, sondern zuhören

Leidloff erklärt: "Wir erwarten, dass sich ein Land wie China automatisch an die europäische Kultur anpasst. Doch warum soll es unsere Werte übernehmen, wenn diese nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen?" Es sei ein Irrtum zu glauben, dass Entwicklung immer westlich geprägt sein muss. Vielmehr müsse man lernen, eigene Verhaltensweisen zu hinterfragen, jeden Tag neu. Nicht werten, sondern beobachten, ist Leidloffs Prinzip.

Plötzlich piepst sein Mobiltelefon. Es ist Kent Jiang, sein chinesischer Counterpart, der die Geschäfte während seiner Abwesenheit leitet. Ob die Reise gut gewesen sei, will Kent wissen und lädt ihn für heute Abend zum Essen ein. In den knapp zwei Jahren, die beide jetzt zusammenarbeiten, ist so etwas wie Freundschaft entstanden. "Ich habe viele Kontakte geknüpft. Wer die asiatische Kultur kennt, weiß, dass vieles nur über persönliche Beziehungen läuft." Die zu Kent hat ihm geholfen, verlässliche und kompetente Berater zu finden. Auch heute noch stellt Leidloff neue Mitarbeiter nur auf persönliche Empfehlung ein.