CA-Earl mit Pursuits DOSMVT kombiniert:

Gesamte Programmpalette auf 560 Zeilen

03.10.1980

ST. LOUIS (pi) - Einen besonderen Versuch des Software-Engineering hat eine Dienstleistungsgesellschaft in St. Louis unternommen. Die Distronics Corporation, eine Tochter der Western Union Teleprocessing, New Jersey, spannte den Reportschreiber der Computer Associates, CA-Earl, mit dem Betriebssystem DOS/MVT der Software Pursuits zusammen. Dabei wurden Mannmonate Programmierzeit eingespart.

Unter den Hunderten Betriebssystemen und Softwaretools, die dem IBM-Benutzer bessere Performance versprechen, kommt es kaum vor, daß zwei Systeme, noch dazu von verschiedenen Softwarehäusern, zusammengespannt eingesetzt werden. Der Versuch wurde von Richard Ringen, DV-Abteilungsleiter der Western Union Teleprocessing, angesichts eines scheinbar unlösbaren Softwareproblems unternommen.

Distronics, das insbesondere für Großhändler von Heizungs-, Klima- und Elektrobedarf in ganz USA ein Online-Paket "Geschäftsabwicklung für gewerbliche Betriebe" anbietet, stellte kürzlich das RZ von einer 360/ 50 auf eine 370/155 um. Statt DOS wurde das Pursuits-Betriebssystem DOS/MVT gewählt. Die Hauptspeicherkapazität stammt von 14 Memorex-Mod II-Plattenlaufwerken.

Software, Programmierunterstützung, genauso wie Hardwarespezifikation und -empfehlung kommen vom Mutterhaus. Die vielen Dienstleistungen seitens Distronics schließen physische Bestandskontrolle ein. Bis zur Entwicklung der gegenwärtigen Lösung mit Einsatz des Online-Systems mußten über 50 000 Lochkarten zu Jahresende wiederholt kurzfristig bearbeitet werden. Für Distronics viel Ärger und Unkosten.

Der Betriebsablauf war etwa folgender: Am Bestandsaufnahmetag bekam der Kunde je einen Satz gelochter und beschrifteter Karten; jede entsprach einem im Kundenlagerhaus gelagerten Teil (das bedeutet 14 000 Karten pro Lager). Der Kunde trug die Bestandsnummer ein. Die Rücksendung an das Datenzentrum erfolgte stapelweise.

Die schriftliche Information auf den retournierten Karten wurde gelocht und überprüft; wieder entstanden Kosten. Die vervollständigten Karten wurden dann mittels verschiedener Programme verarbeitet und die zurückgegebenen Karten dabei geprüft. Das setzte teure Handarbeit voraus.

Auch ließen sich die Kunden oft viel Zeit, und die Ordnung ließ zu wünschen übrig. Ein Neuausstellen verlorener Karten war zeitraubend. Bestandsbereinigungen hätten in weniger als einer Woche vorliegen sollen, beanspruchten der Kunden wegen aber Monate. Dies alles enttäuschte Distronics und seine Kunden gleichermaßen.

Um die Bestandskontrolle zu verbessern, zu beschleunigen und gleichzeitig kostensparender vornehmen zu können, wurde die Entwicklung eines neuen Systems beschlossen. Abteilungsleiter Ringen wurde mit der Entwicklung beauftragt, obwohl er seit langem nicht mehr selbst programmiert hatte. Erschwerend kam hinzu, daß der Auftrag im November vergeben wurde und die Jahres-Bestandsaufnahme binnen weniger Wochen fällig wurde.

Ringen bediente sich des dem Englischen ähnlichen Tools CA-Earl. Die unformatierte Sprache mit umfassenden Programmbausteinen ermöglichte es dem Western Union Teleprocessing-Mann, mit wenigen Befehlen große Abschnitte des Bestandsberichte-Programms zu entwickeln, während seine Programmierer in Assembler und Cobol Software für die Dateiverwaltung sowie die Bildschirmformate entwarfen.

Trotzdem blieb es eine Mammut-Arbeit, wie Ringen erläutert: "Die meisten Kunden haben ja mehrere Lagerhäuser, oft bis zu neun über das ganze Land verteilt. In jedem dieser Lager können 12 000 bis 25 000 Teile liegen. Im Rahmen unserer festen Satzlängen wäre eine Speicherung dieser Datenflut eine absolut unwirtschaftliche Belegung unserer Plattenkapazität. Um hier zu sparen, nahmen wir vier festumrissene Klassen von Bestandsdaten an; diese hingen von der Anzahl der Kunden-Lagerhäuser ab".

Missing Link

Über die Voraussetzungen zu dem heiklen Versuch der Programmverknüpfung sagt Ringen: "Inzwischen hatte sich ein verhältnismäßig simpler Bestandsreport nun zu einem Multiprogrammsystem mit sechs verschiedenen Reports ausgewachsen. Die Kunden bekamen vor und nach Bestandsaufnahme physische Bestandslisten, Aufstellungen fehlender Karten, wert- und mengenmäßige Vergleichsziffern etc."

Die Kunden wurden nun um Eingabe ihrer Bestandsdaten im Online-Betrieb über ihre Bildschirme unter Verwendung besonders formatierter Masken gebeten. Das bedeutete zwar zusätzliche Arbeit für den Kunden, jedoch bekam er jetzt von Distronics auch wertvolle, vorher nicht verfügbare Berichte.

Sechs Berichte und vier verschiedene Datenbanken, das bedeutet, daß 24 verschiedene Programme geschrieben werden müssen. Auch mit CA-Earl kein leichtes Unterfangen. Zusätzlich ergaben sich daraus nicht verkraftbare betriebliche Schwiergkeiten.

Da kam Herrn Ringen eine brilliante Idee: Standardeinrichtung bei DOS/MVT ist der "proc"-Prozessor. Funktionsmäßig ähnelt dieses Verfahren dem Produkt CA-Driver. Warum nicht einfach ein Hauptprogramm schreiben und die "proc"-Systemteile dazu einsetzen, dabei wahlweise nur die JCL- und die Generierungsfunktionen erzeugen, die zur Berichterstellung absolut nötig sind?

Ringen schrieb ein 560-Zeilen-Programm als einen großen Ablauf, der alle Programmteile für die verlangten Programme enthielt. Über das Programm und die vorhergehende JCL verteilten sich die verschiedenen DOS/MVT-"proc"-Befehle über Aufnahme oder Ignorierung der verschiedenen Reportschreiber-Anweisungen.

Der DVler arbeitete mit Symbol-Substitutionen zur Variierung von Aussagen und Initialisierung von Parametern. Er setzte "Wahlweise Expansions-Möglichkeiten" für die eigentlichen Berichte zur Modifizierung von CA-Earl-"Report"-, "Select"- und " Print"-Befehlen ein. Eingefügte Prozeduren zur Entschlüsselung der Kundennummer suchen die betreffende Bestandskartei heraus und ordnen die entsprechenden Platten zu; dabei wird statt vier Laufwerken nur eins belegt.

"Mit nur einer Karte und fünf oder sechs Parametern können wir jeden der 24 Berichte erzeugen", freut sich Ringen. "Was wir auf der Karte brauchen, ist die Kundenkennziffer, Angaben über den verlangten Bericht und wahlweise Parameter (Welche Filialen hereinnehmen, welche Produkte oder Produktgruppen, ein- oder doppelzeilig?)."

Da Feldbeschreibungen, Moduln und Leseroutinen bei allen Berichten gleich sind, gewann Ringen viel Zeit. Er stellte den ganzen Job in weniger als einem Monat fertig, einschließlich Implementierung und Dokumentation. "Ich traue mich zu behaupten daß ich, wenn ich nicht noch anderweitig eingespannt gewesen wäre, den Job in zwei Wochen geschafft hätte." Mit Assembler oder Cobol hätte das zumindest die dreifache Zeit in Anspruch genommen, schätzt CA.

Die Kunden waren, wie das Dienstleistungsunternehmen angibt, vom schnellen Service und den neuen Reports sehr angetan. Statt gelochter und übersetzter Karten bekamen sie nun ausgedruckte Berichte. Mittels Bildschirmen konnte der Kunde nun während des physischen Bestandsaufnahmeverfahrens Bestandsdaten im Online-Betrieb in den Großcomputer eingeben, was normalerweise übers Wochenende erledigt wird.

Fehlende Posten fand man schnell über Sicherheitsnummern in ausgedruckten Aufstellungen. Datenkontrolle erfolgte mittels Interimberichten ohne Zeitverlust. Anstatt Wochen dauerte die Bestandsaufnahme nun Tage. Zusätzliche Arbeit übernahmen sie dafür angeblich gerne, ebenso die Unkosten für die Eingabe der Bestandsdaten.