Compaqs Geschäft in Deutschland besonders schwach

Geringe Nachfrage zwingt zu Massenentlassungen

20.07.2001
MÜNCHEN (CW) - Compaq Computer Corp. erwartet für das abgelaufene zweite Geschäftsquartal niedrigere Umsätze und Gewinne. In einer ersten Reaktion erhöhte der Rechner- und Lösungslieferant den bereits im April beschlossenen Arbeitsplatzabbau von 7000 auf 8500 Stellen.

Ursprünglich waren die Texaner davon ausgegangen, dass zum Ende des zweiten Quartals (Ende: 30. Juni 2001) 9,2 Milliarden Dollar Umsatz in die Kassen geflossen sein würden. In einer Voraberklärung heißt es jetzt, das Unternehmen rechne mit einem Erlös von 8,4 Milliarden Dollar. Das entspricht einem Umsatzrückgang gegenüber dem vorhergehenden Quartal von neun Prozent. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatte Compaq demgegenüber noch 10,1 Milliarden Dollar erwirtschaftet. Die offiziellen Ergebnisse des zweiten Geschäftsquartals wird das Unternehmen am 25. Juli 2001 bekannt geben.

Probleme in EuropaDer Gewinn für das zweite Vierteljahr dürfte ungefähr vier Cent pro Aktie ausmachen, sagte das Unternehmen. Damit liegt Compaq im Rahmen der Schätzungen der Wallstreet-Analysten. Allerdings hatte das Unternehmen bei Bekanntgabe der Ergebnisse für die ersten drei Monate des laufenden Geschäftsjahres im März noch gehofft, als Profit fünf Cent pro Aktie ausweisen zu können.

Schuld an dem unbefriedigenden Ergebnis ist laut Finanzchef Jeff Clarke die anhaltend schwache Konjunktur in den USA. Im letzten Quartal seien aber auch die Ergebnisse in Europa zurückgegangen. Insbesondere in Großbritannien, Deutschland und der Schweiz musste Compaq schmerzhafte Einbrüche hinnehmen.

Nach dem abgelaufenen Jahr 2000, in dem die deutsche Niederlassung von Compaq stärker gewachsen war als das Unternehmen insgesamt, ist dies eine Enttäuschung für Deutschland-Chef Peter-Mark Droste. Droste hatte noch im März selbstbewusst referiert, Compaq Deutschland habe im Jahr 2000 insgesamt 4,1 Milliarden Mark (1999: 3,6 Milliarden Mark) umgesetzt und sei damit der größte IT-Markt Europas mit dem stärksten Wachstum im Jahr 2000 (zwölf Prozent). Nach Informationen aus dem Unternehmen nahe stehenden Kreisen hat Compaq Deutschland im zweiten Quartal besonders heftig im Consumer-Segment gelitten. Die Lager von Massenvertreibern wie Media Markt seien voll und nicht abgebaut worden. Außerdem sanken wegen der allgemeinen Konjunkturschwäche ab Mitte Mai die Auftragseingänge "schlagartig".

Compaqs CEO Michael Capellas hat wegen der enttäuschenden Geschäftszahlen weitere Entlassungen angekündigt. Bereits im April 2001 teilte das Unternehmen mit, es werde sich von 7000 Mitarbeitern trennen, 4500 würden gekündigt, weitere 2500 Arbeitsplätze sollten durch natürliche Fluktuation abgebaut werden. Nach den neuerlich schlechten Zahlen wird Compaq Letztere aber zusammen mit weiteren 1500 Firmenangehörigen per Abfindung gleich aus dem Unternehmen hinauskomplimentieren.

Insgesamt werden 8500 Angestellte oder zwölf Prozent der Compaq-Belegschaft (71300 Mitarbeiter weltweit) ihren Job verlieren. Von den jetzt zusätzlich zu entlassenden 4000 Mitarbeitern verlieren allein in der Region Europe, Middle East, Africa (Emea) 1750 ihren Job. 830 Mitarbeiter wird Compaq in Deutschland, Großbritannien und Frankreich entlassen, heißt es aus unternehmensnahen Kreisen. Hierzu plant das Europa-Management um Personalchef Hugo Bague und Executive Chairman Werner Köpf offensichtlich, in verschiedenen Emea-Länderorganisationen operierende Funktionsbereiche wie Marketing, Finanzen sowie weitere administrativ handelnde Abteilungen zusammenzulegen. "Alles, was nicht direkt Kontakt zu Kunden hat, ist jetzt gefährdet", befürchtet ein Insider.

Nachdem das Unternehmen bereits im ersten Vierteljahr 249 Millionen Dollar für Abfindungen und Restrukturierungskosten beiseite gelegt hatte, werden hierfür im gerade beendeten Quartal weitere 490 Millionen Dollar aufgewandt.

Mit den jetzt getroffenen Maßnahmen will Compaq seine jährlichen operativen Ausgaben nicht wie bisher geplant um 600, sondern um 900 Millionen Dollar senken. Zu den reduzierten Kosten sollen neben den geringeren Personalaufwendungen auch ein niedriger taxierter Wert des Lagers beitragen. Diese Aussage ist brisant. Compaq gesteht damit ein, dass die nunmehr schon jahrelangen Bemühungen, ein effizientes und an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtetes Bestellwesen (Built-to-Order/Configure-to-Order) einzurichten, immer noch keine befriedigenden Resultate gezeitigt haben.

Nach wie vor trägt Compaq schwer an hohen Kosten für die Lagerhaltung. Obwohl das Unternehmen sich ziert, genaue Angaben zum Umgang seiner Lagerbestände zu machen, errechnet sich betriebswirtschaftlich ein ständiger Lagerwert von rund 1,43 Milliarden Dollar. Thomas Reuner, Analyst bei der Gartner-Tochter Dataquest, bestätigt die internen Probleme bei Compaq: "Built-to-Order funktioniert nur in Ansätzen, Configure-to-Order kaum - es hapert also genau in den Punkten, in denen Dell der Konkurrenz weit voraus ist." Compaq habe in der Vergangenheit versucht, unter dem Schlagwort "Channel for the Internet Age" eine neue Vertriebsstrategie zu etablieren. Dazu habe das Unternehmen einen Partner gesucht, der ihm in Europa CTO-Funktionen bereitstellt, um die Lieferkettensystematik in eine E-Commerce-Strategie einzubinden. Genau das habe Compaq aber nicht geschafft.

Daraufhin habe Compaq das Konzept geändert und lagere die Produktion und Lieferung von Consumer-PCs und auch von Standard-Desktops mittlerweile aus. In Compaqs schottischer Fertigungsstätte Erskine versuchte das Unternehmen, CTO-Konzepte voranzutreiben. Aber auch dort hat Compaq den - O-Ton Reuner - "Befreiungsschlag" in Bezug auf die Fertigung nach Kundenanfrage nicht geschafft. CTO sei nach wie vor ein Kernproblem von Compaq, sagt Reuner, "da sind Konkurrenten - und nicht nur Dell - schon weiter". Möglicherweise wegen der fehlgeschlagenen CTO-Bemühungen hat Compaq bereits die Entscheidung getroffen, die PC-Produktion aus Erskine in die Tschechische Republik zu verlagern. Für die schottische Fertigungsstätte bedeutet das einen Verlust von 700 Arbeitsplätzen.