Geoinformatiker: Spezialisten für digitale Räume

24.10.2000
Von Helga Ballauf
Geoinformatik ist im Begriff, sich zu einer Disziplin mit bedeutenden Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Aber nur wenige Hochschulen bieten das Fach bereits an. Bei diesem Studienfach werden der Umgang mit Geoinformationssystemen, die Möglichkeiten der 3 D-und 4 D-Visualisierung und die Nutzung von Geodaten auf DV-gestützter Grundlage gelehrt. Den Bildschirm füllt eine Weltkarte.

Klick – das Gebiet Kanadas erscheint vergrößert. Klick – die Lebensräume verschiedener Eskimostämme kommen ins Bild. Klick auf "Inuit" – jetzt steht Wissenswertes über diese Volksgruppe auf dem Monitor. Schließlich kann man ein Bilddokument über das Aussehen der Inuit oder eine Tonsequenz mit dem Klang ihrer Sprache wählen. Sabine Probst vermittelt mit der Demoversion "Eskimosprachen" einen Eindruck davon, was ein Geoinformationssystem (GIS) leisten kann.

Sabine Probst
Sabine Probst

Die Geoinformatikerin bietet seit einem Jahr Dienstleistungen und Applikations-Programmierung auf GIS-Basis an. Die Firma Geocontor, die Probst gemeinsam mit einer Partnerin betreibt, schult und berät Anwender aus Ämtern und Behörden. Was muss der Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamt beachten, wenn er raumbezogene Daten benötigt? Wie lässt sich GIS im Katasteramt anwenden? Nun weitet Probst ihr Angebot auf die Privatwirtschaft aus. Das Internet ergänzt die Möglichkeiten, Geodaten zu erfassen und aufzubereiten oder bereits vorhandene zu recherchieren und zu vermarkten. So muss etwa ein Ingenieurbüro Daten für den Straßenbau nicht neu erfassen, wenn das die Gemeinde schon getan hat. Der Versicherer sieht auf einen Blick, wie groß die Hochwassergefahr in einer Region ist. Und dem Immobilienmakler erleichtern digital aufbereitete Raumdaten die Suche nach einem geeigneten Gewerbegrundstück.

„Einerseits boomt das Geschäft mit Geodaten“, weiß Probst. „Andererseits ist es ein sensibler Markt: Die visuelle Aufbereitung von raumbezogenen Daten ist ein nettes Extra. Wenn aber das Geld knapp wird, verzichtet man lieber darauf.“ Als die Unternehmerin vor fünf Jahren das Karthografiestudium an der FH München beendete, spielte in dem Fach der Computer noch keine große Rolle. Probst brachte sich IT-Grundlagen selbst bei, machte Praktika bei GIS-Herstellern und verabschiedete sich von der manuellen Kartografie, dem Zeichnen von Hand: „Ich habe gesehen, dass das ein Auslaufmodell war.“ Danach betreute die Geoinformatikerin vier Jahre lang in einem Ingenieurbüro wasserwirtschaftliche Projekte auf GIS-Basis.

„Erfahrungen als fest angestellte Mitarbeiterin sind wichtig, um betriebliche Abläufe kennenzulernen: Angebotserstellung, Projekt-Management, Kostenrechnung“, berichtet Probst aus ihrer Anfangszeit. Als sie keine berufliche Weiterentwicklung im Vermessungsbüro sah, hat sie den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. „Ich rechne mit einer Durststrecke von mindestens zwei Jahren. Zum einen muss man sich in der Branche einen Namen machen. Zum anderen vergeht in der Regel viel Zeit, bis sich der Kunde entscheidet, ob er einen Auftrag erteilt.“

Nach Ansicht Probsts besteht das erforderliche Wissen von Geoinformatikern inzwischen zu einem hohen Prozentsatz aus IT-Kenntnissen. „Die Fachkenntnisse aus Geographie, Kartographie und Vermessung rücken immer mehr in den Hintergrund und lassen sich anlernen“, meint sie. Deshalb könnten sich auch Wirtschaftsinformatiker leicht auf diese Arbeit spezialisieren. Gleichzeitig rät sie, sich in dem noch diffusen Berufsfeld ein eigenes Profil zuzulegen. Am besten gelinge dies in studienbegleitenden Praktika, mal bei einem GIS-Hersteller, mal bei einem Anwender und mal bei einem Dienstleister: „Das hat mir geholfen, meinen Schwerpunkt im Bereich Schulung und Applikationsentwicklung zu definieren.“