"Genug Computer für möglichst wenig Geld"

04.12.1981

Mit Dr.-lng. Kornel Terplan, Rolf Klostermann und Michael Weintraub sprach Jochen Ewe

Wie steht der Anwender zu einer EDV? Welche Rolle spielt die Anbieterseite? Welche Aufgaben sind in Angriff zu nehmen, und wo ist was hinzuzulernen? Fragen dieser Art behandelte die Gesprächsrunde mit drei Experten aus dem Lager der Unternehmensberater. Teil I dieses bewußt mit einem breiten Themenrahmen versehenen Round-Table-Gesprächs war in CW Nr. 46, Seite 20 ff. abgedruckt. Stichworte waren: Jeder - also auch der "kleine" - Anwender muß seine EDV als wichtigen ökonomischen Faktor betrachten und behandeln (lernen). Mit Planung lassen sich erhebliche Rationalisierungseffeke erzielen. Maßgeblich für die Dimensionierung einer Hard-/Software-Konfiguration sollte der gewünschte Servicegrad sein. Zwischen DV-Fachleuten und Endbenutzern existierten Kommunikationshemmnisse. Beratung tut not.

Weintraub: Ich sehe vordergründig das Problem, daß die Geschäftswelt keine statische Welt ist; das bedeutet, daß sich ein Unternehmen samt seiner EDV den Marktvorgängen flexibel anpassen muß. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, daß "ein Schuß Untersuchung" pro Jahr sinnlos ist. Kapazitätsplanung ist ein kontinuierliches Geschäft. Die Kapazitätsplanung beinhaltet erst einmal die Übersetzung der aktuellen Geschäftspläne auf die EDV-Anforderungen, zweitens das Messen und Sich-davon-Überzeugen, wie gut man im Plan liegt, schließlich die Änderungsmechanik, um das Ganze wieder anzupassen; das heißt, Sie müssen immer jemanden haben, der dieses "What, if..?" spielen kann.

CW: Das entspricht im Prinzip der Liquiditätsplanung größerer Unternehmen, die auch in lang-, mittel- und kurzfristige Planung zerfällt.

Weintraub: Ja, dabei gibt es einen strategischen und einen taktischen Planungshorizont, und dieser muß von irgendjemandem im Unternehmen im Blick behalten werden.

Klostermann: Aber interessanterweise wird das auf anderen Sektoren ja gemacht. Nur in der Datenverarbeitung wird es nicht gemacht; das ist das Schizophrene an der Sache. Das heißt, man hat einen gordischen Knoten, und genau den packt man nur sehr schleppend an.

Weintraub: Es gibt einen Grund dafür: Die Top-Manager sind wegen der Komplexität der Materie davon überzeugt, daß sie mit mehr Geld das Problem notfalls erschlagen können.

Terplan: Da wird genau die Rolle der Hersteller sichtbar.

Weintraub: Exakt.

Klostermann: Der Hersteller - da gebe ich Ihnen vollkommen recht - geht genau auf diese Ebene. Daran wird, wie ich vorhin schon sagte, das einseitige Hardware-Denken erkennbar, bei dem die Belange des Benutzers zu kurz kommen oder auch überfordert werden - wenn nämlich der Hersteller bei Otto Normalverbraucher das gleiche Know-how voraussetzt, das er von EDV-Spezialisten alter Prägung kennt. Diesem Normalanwender fehlt die richtige Software. Er braucht Tools, Tunings und Softwarepakete, die allgemein verständlich und universell verwendbar sind. Aber auf seiten der Softwarehäuser ist da nicht viel Hilfe in Sicht. Die bewegen sich ebenso wie die Hardwarehersteller immer noch in den alten Trampelpfaden.

Sie stehen allerdings auch vor einer Schwierigkeit: Wer so ein Konzept mal zum Stehen bringt, muß damit rechnen, daß Otto Normalverbraucher hinten runterfällt, weil der nämlich weder die Qualität noch den Preis dieser Software richtig beurteilen kann. Dazu fehlt ihm das Verständnis, und die Softwarehäuser oder Beratungsfirmen liefern es ihm nicht.

Weintraub: Wir kommen also stellvertretend für diesen Anwender zu der Eingangsfrage: Warum messen wir eigentlich?

Klostermann: Ja.

Weintraub: Sie können sich mit Meßdaten eindecken. Die große Frage ist: Was fangen Sie damit an? Meine Antwort darauf ist: Man sollte sie dazu benutzen, um zu planen. Denn der Hersteller ist nicht im Business um Ihnen effiziente und auf Sie zugeschnittene Rechnerkonfigurationen - Hardware und Software - zu liefern, sondern um Geld zu verdienen.

CW: Ist denn der Anwender, der dazu auf externe Beratungsdienstleistungen zurückgreift, nicht in der Gefahr, je nach dem wem er in die Hände fällt, nur tendenziös beraten zu werden?

Weintraub: Das Risiko haben Sie immer, aber es wird dadurch minimiert, daß der Berater im Prinzip kein Interesse daran hat, irgendeinen Hersteller auf unsaubere Art ins Spiel zu bringen. Eine Bezahlung des Beraters in der Form, daß er einen gewissen Prozentsatz von dem erhält, was eingespart wird, dürfte eine enorme Objektivität auslösen.

CW: Der Berater verdient also um so mehr, je höher der Planer zuvor das Budget angesetzt hat.

Weintraub: Das ist wahr. Das ist auch ein Lernprozeß für den Hardwareplaner.

CW: Mit dem Effekt, daß der Berater eines Tages nicht mehr benötigt wird.

Weintraub: Er wird immer benötigt. Denn dieses Know-how ist auf dem Markt immer noch sehr rar.

CW: Aber er wird von anderen Auftraggebern benötigt?!

Weintraub: Ja, er wird anderswo benötigt.

CW: Sie wollen dagegen Einspruch einlegen, Herr Dr. Terplan?

Terplan: Nicht gegen letzteres. Zu der Forderung nach einem breit angelegten Kenntnisstand des externen Beraters hätte ich anzumerken: Nach meiner Meinung gibt es genügend Tools, die der unabhängige Berater daraufhin auswählen kann, welche für welche Gebiete am meisten geeignet sind. Was die Vielzahl der verfügbaren Meßdaten in einem Unternehmen betrifft, bin ich voll mit der Forderung einverstanden, daß man die Daten sehr sorgfältig filtern muß. Zurück zum ursprünglichen Problem: Im Zentralbereich würde ich mit Softwaremethoden arbeiten, wenn man mich danach fragen würde, welche Methoden empfehlenswert sind. Im Netzbereich haben wir leider keine solchen Möglichkeiten - oder ganz begrenzt, bei einem Hersteller vielleicht -, diese Datenvolumina mit Software sinnvoll zu bewältigen, etwa mit Hilfe eines statistischen Pakets. SAS ist ein solches. Es gewinnt an Wichtigkeit, wie wir auf den ECOMA-Konferenzen sehen. Mit ihm lassen sich die Datenbestände so weit komprimieren, daß kein Datenfriedhof entsteht sondern sinnvoll selektierbare Information zur Verfügung steht und sich auf dieser Basis je nach Hersteller ein Planungsmodell einschalten läßt. Wenn der Berater in der Lage ist, wirklich umfassend zu beraten, dann stimme ich voll mit Herrn Weintraub überein, daß er heute und in Zukunft wegen seiner Objektivität gebraucht wird.

CW: Wie viele Berater, die diese Anforderungen erfüllen, gibt es Ihres Erachtens in Deutschland?

Terplan: Sehr schwierig zu beantworten.

Weintraub: Ich würde einen Schuß ins Dunkle riskieren und sagen: nicht mehr als 100.

Terplan: Ich würde sogar weniger schätzen.

Weintraub: Auch ich glaube, es ist weniger, aber jedenfalls nicht mehr als 100. Sehen Sie, wir haben es mit einer enormen Komplexität zu tun; die moderne Hardware und die modernen Betriebssysteme geben uns eine so große Anzahl von Knöpfen, an denen wir drehen können, daß man hier eine Vereinfachung durchführen muß. Für mich bedeutet Verstehen Vereinfachen.

Das heißt, man muß die Fähigkeit haben, aus der ganzen Komplexität die Faktoren herauszuziehen, die relevant sind; und das vermag heutzutage leider nicht jeder.

Terplan: Dazu brauchen Sie wieder die Daten als Basismaterial . . .

Weintraub: Sie brauchen erst mal eine Darstellung der Daten, um den Istzustand festzustellen. Das ist auch das, was die meisten Kapazitätsplaner erst mal tun: Sie versuchen, sich ein Bild von dem zu machen, was heute geschieht. Ich glaube, das ist weitgehend möglich. Meine große Frage ist: Was dann? Wie projizieren Sie Ihre Zukunft? Es dürfte allgemein bekannt sein, wie es heute ausschaut: Meistens ist schon das Bild vom Istzustand eines Betriebes veraltet, weil für die Analyse der Basisdaten ein oder zwei Mannmonate notwendig sind.

CW: So soll die Lage sein?

Weintraub: Das ist der Istzustand. Sie dürfen eines nicht vergessen: Normale Intuition und lineare Extrapolationen sind bei solchen Projektionen nicht praktikabel. Die Welt ist zu komplex geworden.

Wir wissen alle, daß die Anzahl der in das System kommenden Transaktionen sich auf die Antwortzeit nicht-linear auswirkt. Sie hat ein Knie, von dem ab sie exponentiell nach oben schnellt. Es ist Aufgabe des Kapazitätsplaners, immer auf dem unteren Teil, vor dem Knie zu bleiben. Bloß wie findet er dieses Knie? Wenn er schon dort ist, ist es zu spät. Mit den heutigen Hardware-Lieferzeiten von vier bis sechs Monaten für eine Box ist das nicht zu tolerieren; Sie müssen in die Zukunft schauen können. Es gibt Mathematik, die das beschreibt, und es gibt auch ein Softwarepaket, das diese Mathematik benutzt - womöglich werden auch andere auf den Markt kommen, denn diese Mathematik ist bekannt.

Das Paket, von dem ich hier rede, ist Best/ 1. Es erlaubt Ihnen zu sagen, wann Sie am Knie anlangen werden und was Sie dagegen unternehmen können; Ein derartiger "Blick nach vorn" muß sowohl für die Kapazität der zentralen als auch der distribuierten EDV als auch - last not least - für die Effizienz der Programmierer geschehen. Denn da sind Wechselwirkungen, die wir planen müssen.

CW: Man kann nicht alles zuverlässig schätzen. Man kann vielleicht den Nebel etwas lichten.

Klostermann: Sie können sozusagen nur rückblickend in die Zukunft schauen, aufbauend auf Erfahrungswerten, die Sie gesammelt haben - etwa von der 1401 bis zum Istzustand von heute; und ein Spiegelbild dessen gibt die Zeit bis zum Jahre 2000 exakt genauso wieder, vielleicht mit höherer Komplexität. In jedem Unternehmen sind zwischen einem Höchstpunkt und einem Tiefstpunkt Schwankungen aufzufangen; und man muß genau voraussagen können, ob diese Spitzen noch zu verkraften sind. Dazu diese Tools; damit bin ich einverstanden. Mit dem Vermarkten der Tools aber ist Beratung verbunden, was wiederum Anforderungen an den Berater stellt. Und in der Bewältigung dieser Anforderung liegt bei uns - nur für Informatics möchte ich hier reden - nicht alles optimal.

Derzeit haben wir noch den Zustand, daß Mitarbeiter manchmal den Leistungsumfang des eigenen Unternehmens überhaupt nicht kennen. Das heißt, hier ist ein Defizit im Wissensstand, der noch nicht ausreichend vermittelt wurde. Wir sind allerdings im Vergleich zum Anwender schneller in der Lage, unsere Fehler zu erkennen und zu beheben; wir müssen sie schneller erkennen, um - dies ist unser Job - anderen aus diesen Fehlern heraushelfen zu können. Der Berater muß dafür hin und wieder zurück auf die Schulbank; er muß sein Wissensspektrum breiter streuen, um wirklich als unparteiischer Berater tätig sein zu können.

Solches Lernen wird auch durch den Wettbewerb gefördert, den ich ausdrücklich begrüße. Der fachlich und persönlich gute Berater existiert, wie schon gesagt wurde, noch kaum. Man kann aber an der Auftragssituation einer Unternehmensberatung da einiges ablesen. Wer nämlich bei namhaften Firmen mit langfristigen Aufträgen fest im Sattel sitzt, verfügt damit über den bestmöglichen Nachweis seiner Qualifikation.

Terplan: Um die Spannbreite an Wissen abzudecken, die Sie angedeutet haben, muß man meines Erachtens an die dreißig Produkte perfekt beherrschen und zusätzlich stets auf dem laufenden bleiben - nicht leicht, wenn man dazu auch noch mehrere Kunden hat.

Klostermann: Ja, aber möglich.

CW: Sehen Sie dies anders, Herr Weintraub?

Weintraub: Keineswegs. Ich würde sogar sagen, daß der Spitzenberater darüber hinaus noch Integrationswerkzeuge beherrschen muß, die die verschiedensten Daten auf denselben Nenner bringen, so daß er sich aus der Komplexität ein aussagefähiges Bild machen kann. Ich denke da an Werkzeuge wie das bereits erwähnte SAS. Mir scheint aber wichtig, die Aufmerksamkeit nicht nur dem Berater, sondern auch dem Anwender und seiner Möglichkeit zuzuwenden. Für den Anwender ist es unverzichtbar, eigenverantwortlich entscheiden zu können.

Er braucht taugliche Entscheidungsunterlagen, die ihm dies erleichtern; und er wird sich dann keinem bestimmten Hersteller an die Rockschöße hängen. Er wäre sonst nicht so gut in der Lage, sein Unternehmen dem Markt anzupassen. Wer aber steuert, muß auch ein Ziel haben. Und aus meiner Erfahrung - ich bin lange genug Berater gewesen - ist das das größte Problem.

CW: Der Mangel an Zielen?

Weintraub: Der Mangel an explizit definierten Zielen, die die Fachabteilungen mit der zentralen EDV vereinbaren. In Deutschland ist das Führen der betrieblichen EDV als Profit-Center bei weitem noch nicht so verbreitet wie in den USA.

Terplan: Sind die Vorteile einer solchen Konstruktion wirklich so eindeutig?

Weintraub: Ja. Vor allem, wenn man an die exzellente betriebliche Transparenz denkt.

CW: Die Preisliste, die es da zu erstellen gilt, ähnelt stark einem Bundesbahn-Kursbuch - schwierig zusammenzutragen und periodisch zu erneuern.

Weintraub: Sie können aber anders die Ausgaben für Ihre EDV - und die gehen in die Millionen - nicht planen und nicht managen.

CW: Trotzdem sehe ich hier die Gefahr einer unökonomischen Haarspalterei.

Terplan: So wäre es auch, wenn man nicht inzwischen mehr und mehr dazu übergegangen wäre, global abzurechnen, also nicht bis hinunter zum einzelnen Telefongespräch.

Weintraub: In der Tat ist da eine Grenze, von der an Planung nicht mehr viel bringt. Bleistifte und Papier, würde ich sagen, braucht man nicht zu planen. Mit der EDV ist das jedoch anders. Lieferzeiten von sechs Monaten kann sich der Anwender kaum gefahrlos leisten.

CW: Glücklicherweise gibt es da auch andere Lieferanten.

Klostermann: Die Datenverarbeitung innerhalb eines Unternehmens als selbständige Einheit fördert jedenfalls allerlei zutage. Mißstände kommen viel schneller heraus oder entstehen erst gar nicht.

Die Vorstände deutscher Unternehmen sind der Datenverarbeitung gegenüber recht aufgeschlossen und die jüngere Generation, die hier noch mehr Verständnis mitbringt, rückt sukzessive nach. Trotzdem besteht zwischen den DV-Aufgaben und ihrer Bewältigung bis auf weiteres eine erhebliche Lücke, die sich nur dann verringern läßt, wenn die Unternehmensberater den Kenntnisstand des relevanten Personenkreises verbessern helfen. Der Manager muß lernen, daß es standardisierte, pauschalierte Wege gibt, auf denen er sich sicher bewegen kann, die er begreift und darum auch verkaufen kann. Er muß seine Vorgehensweise im eigenen Unternehmen verkaufen.

In Deutschland allerdings sind wir, verglichen mit Amerika, noch ein gutes Stück zurück. Bei uns ist Individualität Trumpf - und der Rattenschwanz von Problemen, die mit ihr verbunden sind. Die Anforderungen der Amerikaner an ihre EDV unterscheiden sich nicht von denen hierzulande, aber drüben arbeitet man wesentlich effizienter - mit Standardsoftware.

Weintraub: An dieser Stelle sollte einmal gesagt werden, daß den deutschen Datenverarbeitern etwas mehr Konservatismus guttäte.

Es gibt, um das zu belegen, in den USA noch jede Menge 360er Maschinen, die mit reellem Speicher fahren, sehr effizient, sehr stabil. Und da haben die Leute - anders als bei uns - auch die Zeit um nachzudenken. Es ist für mich erschreckend zu sehen, daß in Deutschland viele Benutzer die ersten mit einem neuen Paket sein müssen. Ich bin sicher, daß man hierbei nicht fragt: Was wird es mich kosten, und was wird es mir bringen? Dabei ist die Wonne, der erste mit einer neuen Box zu sein, nur sehr kurz und zudem unmeßbar. Wir kommen da ins Psychologische hinein.

Terplan: Prestigedenken.

Weintraub: Ja, und ich weiß nicht, wie das zu einer Ruhe im Unternehmen, die notwendig ist um zu planen, beitragen kann. Ich würde allen DV-Managern raten - wenn ich darf -, für ein halbes Jahr sämtliche Neuentwicklungen vor allem auf dem Betriebssystemsektor einzufrieren, um sich dadurch eine gewisse Ruhe zu schaffen um nachzudenken. Wenn Sie unter Druck entscheiden müssen, ist die Wahrscheinlichkeit nicht groß, daß Sie richtig entscheiden.

Klostermann: Kennzeichnend für die heutige Situation ist aber, daß unter Druck Ad-hoc-Entscheidungen gefällt werden müssen. Verantwortlich dafür ist der Anwender, der seinen eigenen Istzustand nicht richtig erkennt, weil er nicht auf dem notwendigen Wissensstand ist. Und das liegt wieder daran, daß viele den Anwender unter Umständen dumm halten wollen.

Außerdem gilt es zu bedenken, daß diejenigen, die "unten" in der Datenverarbeitung sind, die darüber angesiedelt sind und die, die im Management sitzen, mit unterschiedlichen Sprachen sprechen. Hier ist der Berater gefordert.

Eine unserer zentralen Pflichten ist es, Probleme und Lösungen auch für den Anwender verständlich zu machen - mathematisch zwar korrekt, aber so, daß es jeder versteht; und wenn es jeder versteht, dann versteht es der Benutzer, der Endbenutzer und auch ein Mitarbeiter, der 50 Jahre alt ist und jetzt ein Terminal auf den Tisch bekommt. Die Krise, in der wir uns befinden, besteht aus reinen Kommunikationsproblemen, Verständnisschwierigkeiten.

Weintraub: Wir müssen also eine Sprache schaffen, die wirklich von unten nach oben verstanden wird.

CW: Werden es schließlich die Kosten sein, die dazu zwingen, mehr Problembewußtsein zu entwickeln und eine gemeinsame Sprache zu finden?

Weintraub: Kosten allein - da würde ich sagen: Nein. Hinzu kommt das Konkurrenzdenken.

CW: Sie wollen damit sagen: Ein Betrieb beobachtet eine positive Entwicklung bei einem Konkurrenzunternehmen, und das wirft die Frage auf, . . .

Weintraub: . . ., wie haben die das gemacht? Wenn die es anders machen, dann ist es auch möglich. Aus der Geschichte der Wissenschaft ist bekannt: 50 Prozent der Lösung eines Problems besteht darin zu wissen, daß eine Lösung existiert.

Klostermann: Was die Sache aber schwierig macht, ist, daß selbst Unternehmensleitungen die Datenverarbeitung als irgendetwas Fremdartiges, Hochtrabendes, als technischwissenschaftlich Phänomenales ansehen. Ist sie ja gar nicht! Sie ist eine ganz dumme technische Drehbank, die höchst intelligent genutzt wird - mit der Software.

Weintraub: Man kann es auch so sehen: Die Anwender haben Wunden, die ihnen weh tun. Unsere Aufgabe, und mit "uns" meine ich den ganzen EDV-Markt . . .

Klostermann: Exakt.

Weintraub: . . . ist, Medizin und Verband auf diese Wunde zu legen.

CW: Man muß dem Anwender dazu erst einmal sagen, daß er krank ist.

Weintraub: Im Regelfall muß man davon ausgehen, daß er gar nicht weiß, daß er krank ist.

Terplan: Doch, doch; er weiß es . . .

Klostermann: Er weiß es schon, nur er will es nicht wahrhaben. Es ist hier wie bei manch einer anderen Krankheit auch: Man hat sie, aber man zeigt sich pudelwohl.

Weintraub: Und jeder Anwender draußen hat irgendein Leiden. Davon können wir ausgehen, weil dieses System so dynamisch ist.

Klostermann: Künstlich dynamisch gehalten wird!

CW: Von bestimmten Herstellern?

Weintraub: Nicht nur; es kommen sehr viele Anwendungen zur Realisierung, die gar nicht notwendig sind, die man vielleicht sehr kosteneffektiv noch mit manuellen Methoden abdecken kann.

CW: Sie kritisieren also eine Übercomputerisierung?

Weintraub: Ja. Und ich glaube daß es vielleicht die Aufgabe dieses Gesprächs sein sollte, die Anwender draußen darauf hinzuweisen, daß sie aufpassen müssen. Sie werden alle irgendwann einmal krank; dem kann man vorbeugen. Und dazu gehört eine Sprache, die auf allen Niveaus, auf allen Levels des Unternehmens gleichermaßen gut verstanden wird, ein unemotionelles Kommunikationsmedium.

CW: Vielleicht wird diese Sprache sich einmal herausbilden - quasi automatisch.

Weintraub: Ich glaube, wir sind auf dem besten Wege dazu. Man kann schon in den meisten Fällen die Frage stellen: Was geschieht, wenn ich Projekt A realisiere und die Alternativen B, C, D und E aussondere?

Dazu gibt es ziemlich gute Projektmanagement-Tools, die ungefähr ausrechnen, wie lange es dauern wird und zu welchen Kosten. Damit hat man eine Entscheidungsgrundlage. Dasselbe gilt für Tuning, Performancemessung und Kapazitätsplanung.

CW: Gibt es einen Weg, der den Anwender ohne viel Aufwand und Risiko einige wichtige erste Schritte vorwärtsbringt?

Weintraub: Ja, das erste, was gemacht werden muß, ist, Ziele zu definieren. Eine Bank beispielsweise legt fest, daß die trivialen Transaktionen - etwa eine Einzahlung auf ein Konto - nicht länger dauern sollen als zwei Sekunden.

CW: Sie meinen also schon recht konkrete Ziele.

Weintraub: Ich meine konkrete Ziele, die Anwender-bezogen sind.

Terplan: Ein Beispiel wäre etwa ein bestimmter Servicegrad.

CW: Haben Sie, Herr Dr. Terplan, ebenfalls eine Anfangsstrategie zu empfehlen?

Terplan: Ich stimme mit dem Gesagten überein und würde den Servicegrad an die erste Stelle setzen; die nächsten Ziele sind davon abgeleitete Ziele. Und dann kommt man zu der Frage, wie weit man von diesen Zielen entfernt ist.

Weintraub: Ich würde in diesem Zusammenhang eine Untersuchung begrüßen, die die verschiedenen Zielsetzungen der Anwender einmal miteinander vergleichen wurde. Denn ich glaube, daß es für jeden Anwender interessant ist herauszufinden, was der andere macht.

Klostermann: Rein psychologisch gesehen, kommt solch ein Vorhaben leicht einem Offenbarungseid der daran teilnehmenden Firmen gleich.

Weintraub: Die EDV-Spezialisten auch sehr unterschiedlicher Firmen sprechen nach meiner Erfahrung aber intensiv miteinander.

Klostermann: Sicherlich, wir sind eine ganz kleine Welt; begrüßenswert ist so ein Gedankenaustausch; da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Für uns Berater ist es ebenfalls sehr wichtig, daß der Kunde sich uns offenbart. Dadurch, daß wir die Problemlage in Unternehmen A kennenlernen, können wir den Betrieben B und C besser helfen, und was wir bei D erfahren, nutzt wieder A.

Weintraub: So verschieden sind wir demnach nicht.

Klostermann: Daß auf User-Guides Erfahrungen ausgetauscht werden, geht vollkommen in Ordnung; aber nach den Erfahrungen, die ich habe, passiert das rein oberflächlich. Interna werden kaum diskutiert. Niemand hält es da mit den Amerikanern, die ja beispielsweise sagen: Ich habe einen Fehler gemacht, und zwar so und so, und das und das war das Resultat.

Weintraub: Ich habe da eine andere Erfahrung. Unter den Technikern, die sich etwa mit der Systemprogrammierung beschäftigen, ist die Transparenz recht groß.

CW: Bei Vertretern deutscher Unternehmen?

Weintraub: Ja. Ich bin auf mehreren solchen Konferenzen, Kreisen und Besprechungen gewesen. Dort spricht man ganz offen von seinen Problemen.

Terplan: Solange es die Antwortzeit oder ähnliches betrifft, ja. Die Antwortzeit ist ein sehr populäres Thema.

Weintraub: Thema etwa von Referaten, wo der Vortragende darlegt: Ich habe zu große Antwortzeiten gehabt, und das und das habe ich dagegen unternommen. Das ist durchaus eine Offenbarung, allerdings positiv gefärbt nach dem Muster: Ich habe das Problem gehabt; und so habe ich es gelöst. Es kommt aber auch sehr oft die Frage: Hört mal, ich habe das und das Problem, hat irgendjemand von Euch eine Lösung?

Terplan: Ich habe zum Beispiel gute Erfahrungen mit sogenannten Referenzbesuchen gesammelt. Beispiel: Unternehmen A hat ein Tool X implementiert und nutzt es seit sechs Monaten. Jetzt kommt ein anderes Unternehmen und hat ein gleichartiges Interesse. Man kann nun im Unternehmen A ohne weiteres einen vollen Arbeitstag verbringen, obwohl die beiden Unternehmen in Konkurrenz stehen.

Klostermann: Dieser Referenzcheck draußen beim Anwender ist meines Erachtens das Allerwichtigste. Wir als Berater nämlich erzählen eh immer, daß wir das Beste anbieten - machen wir uns da nichts vor.

Man sollte die Anbieter förmlich dazu zwingen, daß der Interessent sich draußen informieren und sehen kann, daß sein Problem bei einem anderen Anwender auf eine bestimmte Art gelöst wurde; und er kann dann selbst vergleichen.

Der EDV-Anwender ist in der Hardwareplanung beispielsweise mündig geworden, sehr mündig. Im Bereich der Dienstleistung ist er weniger mündig geworden - zwangsläufig, weil die Ursachen ja auch bei uns liegen.

CW: Meinen Sie damit, daß er nicht in dem Umfang mündiger geworden ist, in dem der State-of-the-Art sich verbesserte?

Klostermann: Ja, aber die Situation ändert sich. Wir sind dabei, zum Anwender zu gehen und ihm zu sagen, wo es lang geht. Er wird dann erkennen, daß es irgendwo einen Highway gibt, wo sich jeder drauf bewegt; aber die Nebenstraßen sind immer unterschiedlich.

CW: Dieser Satz hat Schlußwortformat . . .

Weintraub: Ich würde aber doch gerne noch einmal auf mein Hobby zu sprechen kommen - die Planung. Ich glaube, daß durch Planung auch Kontrolle ausgeübt wird.

Was man plant, sind Ziele. Und diese sind ein Manko bei den meisten mir bekannten Unternehmen. EDV-Ziele, Funktionen und Performance, gewinnen aber immer mehr an Bedeutung. Welches der verfügbaren Planungsinstrumente der Anwender sich auswählt, ist egal, solange er damit seine Ziele erreichen und kontrollieren kann, was mit ihnen geschieht, wenn sich die Realität ändert. Solange er vorplanen und dadurch die notwendige Ruhe im Unternehmen schaffen kann.

CW: Ruhe im Unternehmen durch Planung? Ein guter Vorsatz.

Weintraub: Es ist natürlich ein Ideal, aber es ist weitgehend realisierbar.

CW: Es wäre interessant, Herrn Culman von der Lufthansa zu fragen, ob in seinem Hause mehr Ruhe eingekehrt ist, seitdem Best/1 dort läuft.

Klostermann: Durch Planung? Na ja. Ich möchte aber ergänzend sagen: Zur Planung gehört erst einmal, den Istzustand festzustellen; den muß man selbst erkennen können. Und dazu gehört ein bestimmter Wissensstand in Hardware, Software und Problemanalyse.

Weintraub: Eines muß ich hier anmerken: Es zeigt sich mehr und mehr, daß mit den neuen Planungstools Detailkenntnisse nicht so furchtbar wichtig sind.

Klostermann: Gut, nur muß der Anwender eine Ist-Analyse erstellen können, um auf dieser Basis seine Planung zu machen. Dazu muß er mündiger werden und sein Individualistentum aufgeben. Er muß auf wirklich standardisierte Software und Hardware zurückgreifen, muß weg von den Exoten, weil er sich ansonsten ein weiteres Problem schafft.