Genosse Freiberufler

19.09.2007
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Der Trend bei IT-Freelancern geht zu Kooperationen. Der Erfolg gibt ihnen Recht. Ob lockerer vernetzt oder als Mitglieder einer Genossenschaft die IT-Selbständigen erhöhen ihre Chancen auf interessante Projekte.

Der Vermittlungsmarkt der IT-Freiberufler ändert sich. So hat sich die Auftragslage der Freelancer insgesamt verbessert, gleichzeitig sind die Anforderungen stark gestiegen. Neben Technik-Know-how sind verstärkt Sozialkompetenz, gutes Englisch und Internationalität gefragt. Dass viele Unternehmen mit selbständigen IT-Experten direkt keine Verträge mehr abschließen, macht die Lage für die Freiberufler auch nicht leichter. Die Folge: Immer mehr IT-Berater arbeiten in Netzwerken zusammen. Diese Entwicklung zeichnet sich seit etwa 2001 ab. Dirk Bisping, Vorstand des Berufsverbands Selbständige in der Informatik e.V. (BVSI) und der Pegasus Informatik AG (PIAG), weiß, warum: "Die Auftragslage für selbständige IT-Profis war damals sehr schlecht, und die Agenturen sind vielfach mit den Externen rüde umgegangen." So hätten sich die Vertreter von Vermittlungsagenturen nicht die Mühe gemacht, den Einzelkämpfern Feedback über den Stand der Projektsuche zu geben. Bisping: "Auch bei den Stundensätzen wurden die Freelancer gnadenlos heruntergehandelt." All das habe zu großem Ärger geführt und gleichzeitig den Antrieb zu Netzwerken gegeben. "Das Gefühl des Ausgeliefertseins hat zu viele Energien gekostet, die die IT-Profis woanders, beispielsweise in der Akquise, besser einsetzen wollten."

Arbeiten in einer eG

Die Rechtsform der "eG" (eingetragene Genossenschaft) ist in der IT-Branche eher unüblich, erweist sich aber als sinnvolle Variante für Selbständige, die einerseits ihre Selbständigkeit bewahren, aber andererseits im Team arbeiten möchten.

Der Einzelkämpfer wird zum Teamworker, wodurch große und komplexe Projekte leichter gestemmt werden können. Darüber hinaus punktet ein Genossenschaftsmitglied im rechtlichen Sektor. Die Haftungsrisiken als Unternehmer sind beschränkt, das Privatvermögen wird anders als bei einer GbR im Krisenfall nicht angetastet.

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warum sich selbständige IT-Profis verstärkt in Netzwerken zusammenschließen;

was Genossenschaften den Mitgliedern bringen;

welche Vorteile die Auftraggeber haben.

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Aus all diesen Gründen riefen vor drei Jahren 25 BVSI-Mitglieder die Pegasus Informatik AG (PIAG) ins Leben. Heute gehört das Unternehmen zu den größeren Playern, was die Eigenvermarktung betrifft.

Ärger über ausbleibende Folgeaufträge

Bisping: "Die damaligen Gründer ärgerten sich zudem darüber, wenn ihre monate- oder sogar jahrelange Arbeit bei einem Kunden nach Projektende zu keinem Folgeauftrag führte. Also schlossen sie sich selbst zu einem Unternehmen zusammen mit dem Ziel, einen eigenen Kundenstamm aufzubauen." Zusätzlich zu Einzelaufträgen auf der Basis von Dienstleistungsverträgen wickelt das Unternehmen auch komplexe Festpreisprojekte ab, an denen ein ganzes Team von Beratern und IT-Experten beteiligt ist. Neben Pegasus schossen in den letzten Jahren indes noch eine Reihe anderer Netzwerke aus dem Boden. Im Lauf der Zeit wurden aus zunächst lockeren Verbünden teilweise echte Beratungshäuser. Der BVSI-Vorstand stellt zwar zwischen den einzelnen Freiberufler-Initiativen eine Art Konkurrenzkampf fest, sieht aber auch Vorteile: "Wenn bei einem Projekt der passende Berater fehlt, fragt man eben bei den Mitbewerbern nach." Seiner Meinung nach ist der Projektmarkt schlichtweg um einige Facetten reicher geworden.

Noch immer kommt zu oft Quantität vor Qualität

Dass die Vermittlungsagenturen sich Anfang des neuen Jahrtausends nicht gerade kooperativ verhalten haben, bestätigt auch Horst Härtel, Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft 7-it Informations-Management & Service eG, München. Allerdings kommt seiner Erfahrung nach auch heute noch oft genug Quantität vor Qualität. Der Vorstandsvorsitzende hat am eigenen Leib erfahren, dass man als selbständiger Einzelkämpfer kaum eine Chance hat. So würden viele Auftraggeber für ihr Projekt ein Team mit übergreifendem Fach-Know-how suchen. Härtel: "Verglichen mit einem informellen Zusammenschluss von Freiberuflern kann eine Genossenschaft hier ganz anders auftreten. Die Mitglieder erhalten Aufträge, an die sie als Einzelunternehmen nicht herangekommen wären." Zudem gebe es in einer Genossenschaft Stellvertreter bei Urlaub oder Krankheit, und Auftraggeber könnten von einem breiten Spektrum an fachlichem und Branchenwissen profitieren. Darüber hinaus bräuchten sie den Vertrag nur mit einem Unternehmen und nicht mit mehreren Freelancern abzuschließen. 7-it unterhält mittlerweile mit rund 50 Unternehmen so genannte Kooperationsvereinbarungen. Härtel: "Bei der Genossenschaft ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit wichtiger als in einer anderen Rechtsform. Hier kann jeder Freiberufler selbst akquirieren und entscheiden, wie er den Auftrag abwickelt."

7-it hat die Erfahrung gemacht, dass sich Aufträge vorrangig durch Vertrauens-Marketing gut akquirieren ließen. Jedes der 17 Mitglieder verfügt über eine Reihe von Kontakten, besucht Veranstaltungen und ist in anderen Netzwerken vertreten. Härtel: "Trotz aller Anstrengungen haben uns so genannte richtige Marketing-Aktionen keinen Erfolg gebracht." Dass sich die Neugründungen gegenseitig den Projektmarkt streitig machen, glaubt er nicht. Wenn der Kunde spezielles Know-how brauche, das bei 7-it nicht vorhanden sei, würden die Kooperationspartner um Hilfe gebeten.

Bei der IT-Genossenschaft Jariva handelt es sich um einen Verbund aus Freiberuflern, Gewerbetreibenden und Unternehmen aus der IT-Branche sowie einer eigenen Vermittlungsagentur. Jariva-Mann Manfred Feige weiß aus Erfahrung, dass sich Freiberufler schon immer Gedanken darüber gemacht haben, wie man den mitverdienenden "Dritten im Bunde", der letztlich nur die Kontakte vereinbart, durch eigene Kooperationen umgehen kann: "Es gibt dabei allerdings ein großes Problem. Nur die Idee reicht nicht, zum Erfolg gehört viel Ausdauer." Wenn das fehle, scheitere jedes Netzwerk.

Die Stundensätze sind für alle Mitglieder transparent

Diese Erkenntnis sei ein Anstoß für die Gründung der Genossenschaft gewesen. Die mangelnde Bereitschaft der IT-Chefs, Einzelverträge mit Freelancern abzuschließen, habe bei der Entscheidung ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt. "Die Verantwortlichen wollen nun einmal einen zentralen Ansprechpartner haben, bei dem sie die erforderlichen IT-Profis bestellen können", so Feige. Das Besondere an einer Genossenschaft sei, dass aus Einzelkämpfern Teamworker werden. Grundsätzlich bleibe jeder Freelancer in der Genossenschaft rechtlich und wirtschaftlich eigenständig. Er hafte mit seinem Geschäftsanteil, den er als Genossenschaftsmitglied einkauft. Telefonakquise gehört bei Jariva zu den vorrangigen Aufgaben. Erklärt Feige: "Wir verdienen genauso wie jede andere Agentur an einer Vermittlungsprovision." Diese betrage für Mitglieder zehn Prozent, für Nichtmitglieder 15 Prozent. Anders als bei vielen anderen Agenturen, so Feige, erfährt das Genossenschaftsmitglied, welchen Stundensatz der Kunde zahlt. Das Geschäft sei für das Mitglied transparent. "Es ist eben ein grundlegender Unterschied, ob man nur Vermittler ist oder selbst Gesellschafter an seiner eigenen Vermittlungsagentur", so Feige.

Peter Fäßler, einer der Gründer des Netzwerks EOS, handelte zunächst nach dem Motto: "Lieber selbständig als arbeitslos", als er gemeinsam mit drei weiteren Ehemaligen seines Ex-Arbeitgebers eine Dozententruppe bildete, die Netzwerker, Programmierer und R/3-Fachleute ausbildete. Fäßler fand so großen Gefallen an der selbständigen Tätigkeit, dass er kein Angestellter mehr sein wollte.

"Der harte Kern besteht aus zehn IT-Consultants", wie Fäßler berichtet. Damit werde ein Spektrum von SAP bis E-Commerce, Programmierung sowie Beratung und Schulung abgedeckt. Das Netzwerk akquiriert zwar Aufträge, führt sie aber selbst nicht aus, sondern gibt sie an einzelne Freiberufler oder Gruppen weiter. Die Akquise hat Fäßler gemeinsam mit einem Kollegen übernommen. Mittlerweile würden sie mit acht Stammkunden zusammenarbeiten. Dazu komme noch die übliche Laufkundschaft, die hin und wieder mal anrufe. Mit Agenturen hat EOS bislang nicht so gute Erfahrungen gemacht: "Die Agenturen sehen immer nur den einzelnen Freelancer, wir verkaufen uns aber gerne als Gruppe." Den großen Boom erkennt der EOS-Vertreter zwar noch nicht, aber die Auftragslage habe sich seit Jahresbeginn immerhin um einiges verbessert: "Die Anzahl der Anfragen ist größer als unser Angebot." Aus diesem Grund plant EOS, in naher Zukunft eine Genossenschaft ins Leben zu rufen.

Der Selbständigen-Zusammenschluss Its-people wiederum rechnet sich nicht zu den Genossenschaften. Marketing-Leiterin Beatrice Wächter beschreibt die Organisation als einen Verbund von selbständigen GmbHs, die deutschlandweit tätig sind. Durch die vielen rechtlich selbständigen Gesellschaften werde die Nähe zum Auftraggeber gewährleistet. "Der Kunde kann vor Ort optimal bedient werden, der Freiberufler wieder in seiner Region tätig sein." Bei Its-people gibt es keine festangestellten Mitarbeiter. Laut Wächter arbeitet der Verbund ausschließlich mit selbständigen Beratern zusammen, die aber auf unterschiedliche Weise an die GmbHs gebunden seien.

Sie räumt ein, dass neben ihrer Gruppe eine Reihe anderer Verbünde mit ähnlicher Rechtsform auf der Suche nach Auftraggebern und Freiberuflern sind. Its-people übernimmt die Akquisition der Projekte. Darüber hinaus würden bei regionalen Stammtischen und in Arbeitsgruppen das persönliche Kennenlernen unterstützt und Erfahrungen ausgetauscht. Zurzeit gibt es laut Wächter 150 Mitglieder sowohl assoziierte als auch Vollzeitmitglieder. Sie haben die Möglichkeit, Anteile an ihrer regionalen Gesellschaft zu erwerben und damit am Erfolg der Gesellschaft zu partizipieren. Der Verbund ist spezialisiert auf SAP, Oracle, Data Warehouses und Business Intelligence. Einen Vorteil sieht Wächter darin, dass im Verbund die Mitglieder regional zugeordnet sind. Jeder Geschäftsführer kenne alle Professionals und könne Freiberufler und Kunden zusammenbringen. (hk)