Diversity

Generation 50+ startet die dritte Karriere

30.03.2013
Von Liane Borghardt

60 Prozent der über 50-jährigen arbeiten

Die Fakten sprechen für sich: Im Jahr 2000 waren laut Eurostat nur 37 Prozent der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Inzwischen ist die Beschäftigungsquote der Älteren auf knapp 60 Prozent gestiegen. Und die Relation zwischen Alt und Jung verschiebt sich weiter. In acht Jahren wird jeder dritte Erwerbstätige über 50 Jahre alt sein.

So stellt sich die viel beschworene Vielfalt von Mitarbeitern mit verschiedenen Erfahrungshintergründen, neudeutsch Diversity, infolge des demografischen Wandels und des daraus resultierenden Fachkräftemangels von selbst ein. Was nach modischem Schlagwort klingt, ist "nicht nur in den PR-Abteilungen verankert, sondern längst in der Geschäftsführung angekommen", sagt Jutta Rump, Professorin für Personalmanagement und Organisationsentwicklung an der Hochschule Ludwigshafen.

Und zwar aus betriebswirtschaftlichem Kalkül. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft wird das Bruttoinlandsprodukt demografiebedingt ab dem Jahr 2020 jährlich um etwa 0,5 Prozent weniger wachsen. Andererseits ließe sich fast die Hälfte dieser Verluste ausgleichen, indem ältere Erwerbstätige länger im Arbeitsleben gehalten würden.

Allerorten stellen Unternehmen sich deshalb darauf ein. Legen neue Programme für Gesundheit und Weiterbildung älterer Mitarbeiter auf, variieren herkömmliche Karrierewege und Arbeitszeitmodelle mit Blick auf deren Bedürfnisse. Die Deutsche Bahn etwa setzt auf flexiblere Arbeitszeiten: Kollegen über 60, die jahrelang in Wechselschichten oder Nachtdienst gearbeitet haben, sollen ihre Einsatzzeit um 20 Prozent reduzieren können, bei teilweisem Lohnausgleich. Für Jüngere wiederum soll es mehr Anreize geben, sogenannte Langzeitkonten zu nutzen, um schon vor dem Renteneintritt kürzertreten zu können.

Gesundheitstest und Sport

Glasproduzent Schott begegnet dem Alterungsprozess unter anderem mit einem Gesundheitstest für Mitarbeiter über 45 Jahren; dank der Vorsorge sei der Krankenstand trotz gestiegenen Altersdurchschnitts gesunken. Beim Lübecker Marzipanhersteller Niederegger wiederum werden täglich mitten im Schichtbetrieb die Fließbänder abgeschaltet. Dann wird in der Werkshalle eine Viertelstunde kollektiv geturnt. Der Automobilhersteller Daimler schult Mitarbeiter in der Produktion ergonomisch und erprobt alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, um die körperliche Belastung für Ältere zu reduzieren. Mitarbeiter aus der Montage beispielsweise können sich zum Anlagenwart ausbilden lassen.

Trotz dieser Bemühungen stehen Unternehmen, in denen die über 50-Jährigen überwiegen, vor einem weiteren Problem: Wenn dort im kommenden Jahrzehnt mehr als die Hälfte der Mitarbeiter in Rente geht, droht ein massiver Wissensabfluss. Dem gilt es bereits heute entgegenzuwirken. Denn über Jahre erworbene Expertise lässt sich weder in Datenbanken speichern, noch überträgt sie sich im Arbeitsalltag nebenbei.