Gemischte Gefühle

31.05.1996

Jan-Bernd Meyer

Die Ausführungen von Apple-Chef Gilbert Amelio zur zukünftigen Geschäftsstrategie seines Unternehmens hinterlassen gemischte Gefühle. Durchaus zu verstehen ist das Kopfschütteln von Brancheninsidern: Bei der von Amelio verordneten Umstrukturierung des Unternehmens in die drei Bereiche Applesoft, Applenet und Appleassist erinnern sie sich lebhaft an die wiederholten Umorganisationen des Macintosh-Herstellers. Sie wissen auch nur zu gut, wie wenig Abhilfe derlei betriebliche Metamorphosen Apple in der Vergangenheit gebracht haben.

Füglich in Frage gestellt werden darf auch, ob die Betonung des Internet-Engagements tatsächlich ein tragbares Konzept darstellt, um den permanenten Schwund von Marktanteilen aufzuhalten. Angesichts der hektischen Betriebsamkeit, mit der praktisch alle bedeutenden Hersteller das Netz der Netze für sich auszubeuten gedenken, wäre es in der Tat verwunderlich, würde Apple ausgerechnet bei diesem Modethema vornehme Zurückhaltung zelebrieren.

Auch die neuerlichen Beteuerungen, die Lizenzierungsanstrengungen für die Macintosh-Technologie engagiert voranzutreiben, können die Zweifel an Apples Zukunft nicht zerstreuen. Alle wichtigen PC-Hersteller zeigten den Kaliforniern die kalte Schulter. Weit und breit ist kein Systemanbieter in Sicht, der Amelio den Massenverkauf von Apple-Clones garantieren würde. Die mit einigem öffentlichen Interesse verfolgte Lizenzierungsvereinbarung mit der IBM würde - wenn überhaupt - nur dann Signalwirkung entfalten, wenn Big Blue selbst auf seinen PCs das Macintosh-Betriebssystem anbieten würde.

Trotzdem wäre es verfrüht, Amelios "Regierungserklärung" nach 100 Tagen Regentschaft als wertfrei abzutun. Der Sanierer von National Semiconductor zeigt ein Managementgebahren, daß dem von IBM-Chef Gerstner oder von DEC-Boß Robert Palmer nicht unähnlich ist. Beide haben rigoros Personal abgebaut. Beide trennten sich von Geschäftsbereichen, in denen ihre Firmen kein Alleinstellungsmerkmal am Markt reklamieren konnten. Sowohl Gerstner als auch Palmer haben sich herbeigelassen, darauf zu hören, was ihre Kunden eigentlich wollen.

Die Ausrichtung auf die Wünsche ihrer Klientel scheint nun auch bei Apple unter Amelio kein reines Lippenbekenntnis mehr. Der Kahlschlag in der unübersichtlich gewordenen Macintosh-Produktvielfalt wie auch massive Entlassungen sind weitere Anzeichen dafür, daß der Spindler-Nachfolger zum rigorosen Kehraus bereit ist.

Ein echtes Geschäftskonzept ist das alles noch nicht. Nach wie vor darf gerätselt werden, ob Apple das Großkundengeschäft nun als strategisch bedeutungsvoll ansieht und DV-Verantwortliche entsprechend bedienen will oder nicht. Unklar bleibt ferner, ob es auch in Zukunft etwas teurer ist, auf den Apple-Geschmack zu kommen. Oder ob die Computer-Primadonna sich endlich dem Massenmarkt öffnen wird.

Eins scheint immerhin klar: Das Jugendkult-Unternehmen Apple wird mit dem kühlen Betriebswirt Amelio erwachsen. Ob das reicht, den geschäftlichen Niedergang abzuwenden, bleibt abzuwarten.