Gemeinsame Fernverarbeitung: Ja Gemeinsame Datenübertragung: Nein

29.08.1975

Ministerialdirigent Dipl.-Ing. Woltgang Krüger Bundespostministerium

Die Direktrufverordnung (DirRufV) wird nach wie vor diskutiert und es gibt positive und negative Stimmen. Diese Diskussion ist notwendig und fruchtbar und wird insgesamt von der Deutschen Bundespost begrüßt. Unter diesem Vorzeichen möchte ich einige Ausführungen zu einem Teilaspekt der Direktrufverordnung machen, um mit zur Klarheit beizutragen.

Ansprechen möchte ich den ° 6 Abs. 6 der DirRufV.

Es wird häufig die Feststellung getroffen, diese Bestimmung verbiete den Zusammenschluß interessierter Unternehmen zur gemeinsamen Datenfernverarbeitung. Diese Aussage ist unzutreffend. Die DirRufV verbietet nicht die gemeinsame Datenfernverarbeitung, im Gegenteil, sie eröffnet die Möglichkeit, daß ein Rechenzentrum von verschiedenen Unternehmen im Wege der Fernverarbeitung genutzt werden kann und dabei neben Wählverbindungen (Fe, Tx, Dx) auch feste Verbindungen über HfD angeschaltet werden können. Die DirRufV beinhaltet für die Verarbeitung keinerlei Einschränkungen.

In der Diskussion über den ° 6 Abs. 6 ist jedoch deutlich geworden, daß nicht die gemeinsame Datenverarbeitung gemeint ist, sondern das Schwergewicht auf der gemeinsamen Datenübertragung liegt. In diesem Fall gibt es tatsächlich Einschränkungen und für die Vermittlung von Nachrichten enthält ° 6 Abs. 6 eine Aussage, die heißt: Endeinrichtungen ... dürfen nicht ausschließlich oder überwiegend dem Zweck dienen, digitale Nachrichten für andere Personen oder zwischen anderen Teilnehmern zu vermitteln.

An einem Beispiel mag der Sachverhalt, der hier angesprochen ist, verdeutlicht werden. Eine Firma möchte zwischen ihren Niederlassungen in Hamburg und München Daten übertragen. Das Datenaufkommen selbst ist zwar gering, doch ist aus anderen Gründen eine schnelle Datenverbindung sinnvoll. Eine Direktrufverbindung mit 9600 bit/sec. Übertragungsgeschwindigkeit ist interessant, die von der DBP zu einer monatlichen pauschalen Verkehrsgebühr angeboten wird. Was liegt näher, als die nicht selbst genutzte Übertragungskapazität anderweitig anzubieten, das heißt unterzuvermieten. Über einen oder zwei Fernsprechhauptanschlüsse könnten zum Beispiel bei der Endeinrichtung in Hamburg, mit der die Direktrufverbindung abgeschlossen ist, zur Ortsgesprächsgebühr von Interessierten Daten aufgeliefert werden mit einer Zustelladresse in München. Eine entsprechende Einrichtung in München würde die Verteilung zum Beispiel wieder zur Ortsgesprächsgebühr über das Fernsprechnetz vornehmen.

Was würde passieren, wenn es die Einschränkung und ° 6 Abs. 6 nicht geben würde und derartige Anwendungen zugelassen würden. Es bilden sich einzelne "Carrier", die aus der Tatsache, daß sie ohne zusätzliche Gebühren neben den eigenen Daten fremde Daten auf ihrer festgeschaltete Verbindung übertragen können, ein Geschäft zu ungunsten der Post machen.

Die Reaktionen auf diese Ausführungen sind häufig, das ganze ist doch gar nicht tragisch, die Post bekommt für die festgeschaltete Verbindung ihr Geld, folglich kann sie zufrieden sein.

So einleuchtend diese Schlußfolgerung auch klingen mag, sie ist schief. Die Gründe dafür sind folgende: Die Deutsche Bundespost ist verpflichtet, Fernmeldedienstleistungen der Allgemeinheit anzubieten und für eine gleichmäßige Versorgung aller Gebiete zu sorgen. Unwegsame Berghütten und Inseln gehören ebenso dazu wie Großstädte. Das hat zur Folge, daß überall Anlagen für diese Dienstleistungen bereitgehalten werden müssen, deren Grundkosten sehr hoch sind. Sie müssen durch die Summe aller Gebühren aufgebracht werden, die um so günstiger sein können, je größer die gesamte Verkehrsmenge ist. Dieses Gebührengefüge verliert in dem Augenblick seine Ausgewogenheit, wenn einzelne bestimmte Dienstleistungen herausgenommen werden, die wie Direktrufverbindungen eine pauschalierte Gebühr haben. Der Post entgeht dadurch Fernverkehr, sie erleidet Einnahmeeinbußen. Die Konsequenz ist, daß alle übrigen Teilnehmer durch höhere Gebühren die Grundkosten des Netzes zu tragen haben.

Eine solche Entwicklung ist aus gesamt-volkswirtschaftlichen Überlegungen abzulehnen. Die Deutsche Bundespost muß deshalb derartige Praktiken unterbinden. Damit handelt sie anders als ein Vermieter, der in einem Mietvertrag eine Klausel über das Untervermieten vorsieht.

Aus dieser Verantwortung heraus wurde der ° 6 Abs. 6 in die DirRufV aufgenommen. Sinnvolle Datenfernverarbeitungssysteme werden dadurch nicht behindert, er dient ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit vor allzugroßer Geschäftstüchtigkeit einzelner. Eine solche Schutzbestimmung allgemeiner Art ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluß, und es werden bei der Post Überlegungen angestellt, wie diese Problematik sinnvoll gelöst werden kann. Eine Alternative, die dabei ins Auge gefaßt wird, ist eine verkehrsabhängige Gebühr für feste Verbindungen, abhängig vom Volumen des Datentransfers.

(Siehe auch "Interview der Woche", CW Nr. 31, 1. August 1975.)