Analysten: Geplante Entlassungen zu wenig

Geldnot bringt Corel in eine Zwickmühle

16.06.2000
MÜNCHEN (CW) - Der kanadische Softwareanbieter Corel wird sich schwer tun, die versprochenen Einsparungen von 40 Millionen Dollar pro Jahr zu erzielen, auch wenn er ein Fünftel seiner Mitarbeiter entlässt. Möglicherweise muss er sich von seinen Beteiligungen trennen. Das aber könnte zu Lasten der erklärten Linux-Strategie gehen.

"Das Unternehmen benötigt langfristige Stabilität, um die an seine PC-Produkte gewöhnten Kunden dahingehend zu erziehen, dass sie sich Linux ansehen", äußerte sich Kevin Restivo, Softwareanalyst beim Marktforschungsunternehmen IDC Corp., gegenüber dem britischen Brancheninformationsdienst "Computergram". Eine fortgesetzte Kannibalisierung des Geschäfts und der Investitionen verhindere eine solche Stabilität, ließ der Marktbeobachter durchblicken.

Doch möglicherweise wird Corel keine andere Wahl haben, als - wie schon in der Vergangenheit praktiziert - einige seiner Finanzbeteiligungen aufzugeben. Darunter fallen dann wohl auch die Anteile an Graphon Corp., einem Anbieter von Thin-Client-Software, und an dem Linux-Server-OEM Rebel.com, mit dem Corel gerade erst eine strategische Partnerschaft angekündigt hat (CW 23/00, Seite 7).

Die Möglichkeit, dass Corel die in Aussicht gestellten Einsparungen - die Rede war von 40 Millionen Dollar pro Jahr - allein durch Mitarbeiterentlassungen erreichen könnte, schätzen die Analysten gering ein. Laut Jean Orr von Bluestone Capital Partners dürften sich die Gehälter der 320 zur Entlassung vorgesehenen Mitarbeiter lediglich auf etwa 20 Millionen Mark summieren.

Zwar will CEO Michael Cowpland nicht nur ein Fünftel seiner Belegschaft nach Hause schicken, sondern vorerst auch auf sein eigenes Salär verzichten. Doch es bleibt wohl ein Fehlbetrag in zweistelliger Millionenhöhe.