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BDZV-Kongress in Essen

Geld verdienen mit Zeitungen- wie geht das künftig?

17.09.2010
Die Verlage stecken in einem Dilemma. Zwar sind Nachrichten und andere journalistische Produkte gefragt wie kaum zuvor, aber dennoch sinken die Einnahmen.

Auf dem Zeitungskongress in Essen suchen Experten nach Lösungswegen. Die Informationsseiten im Internet brechen einen Rekord nach dem anderen. Nach Angaben des Branchenverbands BITKOM verzeichneten die 20 größten deutschen Nachrichtenportale in der ersten Jahreshälfte knapp vier Milliarden Besucher - fast ein Drittel mehr als vor einem Jahr. Doch gleichzeitig sinkt die Zeitungsauflage scheinbar unaufhaltsam. Seit Anfang des Jahrtausends gingen pro Erscheinungstag rund fünf Millionen Exemplare verloren, die Auflage rutschte auf unter 25 Millionen. Auch die Anzeigen werden weniger.

Wie können die Verlage diese Herausforderungen bestehen? Darüber diskutieren fast 500 Chefredakteure, Verlagsmanager und andere Experten auf dem Zeitungskongress in Essen (20. bis 21. September).

Das Problem ist: Der Boom im Internet lässt sich nicht in Geld umwandeln, die Einnahmen gehen zurück. Für viele Verlage hat sich die Hoffnung zerschlagen, Gratis-Inhalte im Netz mit Werbung zu finanzieren. Oft hängen die schicken Internetseiten am Tropf der Zeitungen. Gerade kleinere Portale finden kaum Reklamekunden.

Christoph Keese vom Medienunternehmen Axel Springer glaubt nicht, dass Werbeerlöse im Internet die rückläufigen Erträge der gedruckten Presse ausgleichen können. "Es gibt in Deutschland bisher kein journalistisches Informationsportal, das eine angemessene Verzinsung auf das eingesetzte Kapital verdient. Die Mehrheit schreibt Verluste", sagt er. "Mit Journalismus setzen wir im Internet bislang wenig Geld um. Also müssen wir versuchen, mehr und mehr Inhalte im Netz und auf mobilen Geräten zu verkaufen." Bis das Geschäft richtig groß werde, würden aber noch Jahre vergehen.

Deshalb setzt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen, trotz sinkender Auflagen weiter auf Papier: "Die Zukunft liegt für einen langen Zeitraum und für einen großen Teil unserer Aktivitäten in der gedruckten Form."

Inzwischen nimmt der Streit über kostenlose Online-Angebote von ARD und ZDF wieder an Schärfe zu. Dabei geht es zum Beispiel um die angekündigte "tagesschau"-Anwendung für das iPhone und um das ARD- Angebot "tagesschau.de", das die Verleger als kostenlose Konkurrenz zu ihren eigenen Angeboten sehen. "Wenn man das weiterdenkt, dann ist das die Eröffnung der öffentlich-rechtlichen elektronischen Zeitung", betont Heinen. "Gedruckt wäre das nicht denkbar gewesen. Dass es jetzt elektronisch gehen soll, das können wir nicht akzeptieren." Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger fordert sogar eine Debatte über die Privatisierung von ARD und ZDF; Heinen kann sich vorstellen, dass die Sender viele Inhalte von privaten Anbietern erstellen lassen.

ZDF-Intendant Markus Schächter sieht das genau umgekehrt: "Das ist schon recht befremdlich - da bewegt sich die gedruckte Presse allmählich in den Bereich der elektronischen Medien und fordert von der Politik, die dort etablierten Anbieter zurückzudrängen oder gar ganz abzuschaffen." Dabei seien die Forderungen der Verlegerverbände weitgehend erfüllt worden. "Das ZDF allein hat sein Onlineangebot dauerhaft um mehr als 80 Prozent reduziert. Jetzt noch immer von ungebremster Expansion zu sprechen, ist ein ganz schlechter Stil." Angesichts des hartnäckigen Streits fordert die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Dagmar Reim, eine Abrüstung in der Diskussion.

Doch ob der Zeitungskongress zu einem Friedensgipfel wird, ist ungewiss. Auf einer prominent besetzten Podiumsdiskussion mit dem Mitherausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ), Frank Schirrmacher, dem Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner und dem ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust werden Welten aufeinanderprallen. Boudgoust und Schirrmacher hatten im Sommer heftig über einen Kommentar in der "FAZ" gestritten. Darin war über ein ARD-Papier zu lesen: "Es verkündet nichts anderes als einen totalen Machtanspruch, das Ende der freien Presse und die Herrschaft des Staatsjournalismus."

Warum wird diese Auseinandersetzung so zäh ausgetragen? "Es ist der größte Existenzkampf seit es die Printmedien gibt, und das Internet ist das Schlachtfeld", erklärt der Berliner Medienwissenschaftler Prof. Norbert Bolz. Die Verleger wüssten, dass die Zukunft der Medien im Netz liege. Dabei gebe es eine permanente Benachteiligung der privaten Sender und Verlage gegenüber ARD und ZDF. "Allerdings kann man den Dauerstreit auch als Ausdruck von Hilflosigkeit und Verbitterung sehen, weil man selbst nicht weiß, wie man mit dem Web 2.0 umgehen soll. Intelligenter wäre es, nach eigenen Stärken zu suchen", meint der Professor. Auch das will der BDZV auf dem Kongress in Gang bringen - mit Diskussionsrunden über Qualität, Effizienz, Kooperationen, Leistungsschutzrechte und Orientierung. (dpa/tc)