Sparkassen-Angestellte testen Kienzle-Giromat:

Geld aus dem Automaten

16.02.1979

VILLINGEN (cw) - Schwaben sind beherzt und vorsichtig. Pioniergeist bei minimiertem Risiko bewies die Göppinger Kreissparkasse als eines der ersten deutschen Kreditinstitute, einen Geldausgabeautomaten in Betrieb zu nehmen - zunächst nur für die eigene Belegschaft. Auf dem Prüfstand steht - materiell - der Kienzle-Giromat; ideell das Konzept der Geldvorhaltung rund um die Uhr. Mit dem Giromal will Kienzle Präsenz auf dem Markt demonstrieren, den so recht noch niemand kennt.

Momentan ist nur eines sicher: Wenn hier ein latenter Bedarf liegt, wird Kienzle mit seinem Giromaten bei der Deckung dabeisein und die Zahl der Mitbewerber auf dem deutschen Markt läßt sich an einer Hand abzahlen.

Als Online- oder Offline-Gerät, im Indoor- oder Outdoor-Betrieb, zum Ein- und Auszahlen von Geldbeträgen ist der Giromal gleichermaßen geeignet. Seine beiden Schachte fassen je rund 1000 Geldscheine Welche Banknoten bereitgehalten werden, entscheidet das Kreditinstitut,

Einstieg in den Markt

Wollte eine Bank einem Kontoinhaber - unabhängig von seinem jeweiligen Aufenthaltsort - den Zugriff auf seine Barbestande erlauben, am Giromaten wurde das nicht scheitern, eher schon an einheitlichen Codiermethoden und daraus entstehenden Identifikationsschwierigkeiten Tieferliegende Netzwerk- und Kompatibilitatsprobleme werden derzeit gar nicht erst erortert. Zunächst will man den Einstieg in den Markt finden. Es ist daher auch ziemlich zweitrangig und nur eine Frage der bankinternen Organisation, ob die für den Zugang zum Giromaten jetzt noch erforderliche Kundenkarte durch entsprechende Präparation der eurocheque-Karte überflüssig wird.

Am liebsten sehen es die Villinger, wenn man ihren automatischen Geldgeber per V.24 - Schnittstelle an das Kienzle-Terminalcomputersystem 3700 koppelt, so macht es Ende Februar oder Anfang März die Göppinger Kreissparkasse Wie Willy Kohmann, Direktor für Computer-Verbundsysteme (Schwerpunkt Kreditwirtschaft) und Mitglied der Kreissparkassen-Geschäftsleitung, versichert, besitzt Kienzle aber auch alle Prozeduren, um den Automaten mit Systemen fremder Hersteller kommunizieren zu lassen.

Fünf Zahlen auf Karten und im Kopf

Wenn einem Kunden eine Giromatenkarte gegeben wird, so legt das Kreditunternehmen fest, wieviel er in welchem Zeitraum abheben darf. Die Codezahl, die auf der Kundenkarte visuell nicht erscheint, ist nur im Magnetstreifen gespeichert Kienzle hat sich für eine rein numerische, fünfstellige Codezahl entschieden, weil es damit angeblich zu keinem Konflikt zwischen der Merkfähigkeit des Karteninhabers und Sicherheitsbelangen kommt.

Die Kundenkarte - in Scheckkartengröße - fungiert als Eintrittsbillett zum Giromaten und informiert das EDV-System über die relevanten Daten: Name, Kontonummer, Konditionen, Codezahl. Wer Geld abheben oder einzahlen will, schiebt die Karte in einen Sesam-öffnedich-Schlitz. Daraufhin gibt das schützende Stahl-Rollo die Bedienungselemente frei. Alles weitere hängt davon ab, ob dem System über Tastatur die Codezahl eingegeben wird, die es vom Magnetstreifen zuvor eingelesen hat. Den Rest erledigen die Bedienerführung über Bildschirm und zwei Korrekturtasten.

Sofort zinswirksam verbucht

Das System druckt für den Kunden einen Beleg, der Betrag, Datum und Uhrzeit enthält, und registriert dieselben Daten über Journaldrucker für bankinterne Zwecke. Zwar ist bei diesem Verfahren, räumt Kohmann ein, das Risiko der Falschangabe oder des Irrtums ebenso groß wie beim konventionellen Nachttresor-Verfahren aber der Giromat ist deshalb vorteilhafter, weil er alle Geldbewegungen sofort zinswirksam verbucht.

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Anonymer Geldspender: Kienzle Giromat

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Beim Indoor-Einsatz kann der Giromat nach Kohmanns Meinung entlastend für den Schalter- und Kassenbetrieb wirken; beim Outdoor-Einsatz ist die jederzeitige Verfügbarkeit von Geldmitteln der Hauptvorteil: Einbetoniert in jede beliebige Mauer, ist der Automat zu jeder Tages- und Nachtzeit für jedermann zugänglich. Die damit verbundene Gefährdung war für Kienzle Anlaß, eine namhafte deutsche Tresorbaufirma hinzuzuziehen, um - deren Know-how nutzend - die zu erwartenden Versicherungsprämien zu drücken. Das ist - so Kohmann - von gelungen.

Bewährungsprobe steht noch aus

Angaben über Abnehmerpreise waren von Kienzle nicht zu erhalten. Man müsse, hieß es, sich selbst erst in den Markt hineintasten. Zur Preispolitik aber machte Kohmann zwei grundsätzliche Bemerkungen:

- Lautet die Bestellung auf eine" Kleinmenge" von Giromat-Exemplaren, so ist Kienzle über den Stückpreis durchaus verhandlungsbereit. Als Kleinmenge gelten in Villingen etwa zehn Stuck.

- Bei einem Auftragsvolumen von 500 000 Mark kann der Kunde mit einem 20prozentigen Rabatt rechnen.

Was den Göppinger Versuch angeht, so darf bezweifelt werden, ob die Sparkassenangestellten eine taugliche Testgruppe darstellen. Vermutlich geraten sie seltener in Liquiditätsengpässe als andere Bundesbürger (wenn überhaupt), und eine unsachgemäße Behandlung des Automaten mag man ihnen auch nicht zutrauen. Die echte Bewährungsprobe steht also noch dahin.

In der Tat: Es ist lästig, am selben Abend zunächst an der Kinokasse, danach im Restaurant und schließlich noch im öffentlichen Verkehrsmittel jedesmal das Scheckheft zücken zu müssen. Ob solcher und ähnlicher Finanzbedarf einen wirtschaftlichen Betrieb von Geldausgabeautomaten erlaubt, wird die Kreditwirtschaft bald errechnet haben.