MWC

Gehört dem Nirvana-Phone die Zukunft?

15.02.2010
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Einen interessanten Ansatz propagierten auf dem Mobile World Congress (MWC) Citrix und Open Kernel Labs: Sie wollen das Handy virtualisieren.

Mehr Rechenpower, mehr RAM, mehr Megapixel - die Weiterentwicklung der Handys ähnelt teilweise immer mehr pubertärem Imponiergehabe, bei dem der Nutzenaspekt speziell unter Enterprise-Aspekten zu kurz kommt. Hier wollen nun Citix und Open Kernel Labs mit der Idee der Handy-Virtualisierung einen anderen Weg einschlagen. Sollte das Konzept Erfolg haben, müssten IT-Verantwortliche ihre Anwendungen nicht mehr für verschieden Mobile-Plattformen anpassen, sondern könnten Sie virtuell in einer Citrix-Umgebung laufen lassen.

Technisches Kernstück ist dabei der "OKL4 Microvisor", der als eingebetteter Hypervisor auf dem Handy laufen soll. Er schottet die eigentliche Hardware vom Betriebssystem - als virtuelle Gastsysteme werden derzeit Android, Symbian und Linux unterstützt, weitere sollen folgen -, sowie von Treibern oder dem Citrix-Receiver-Client ab. Folgt man Rob McCammon, Vice President bei Open Kernel Labs, löst die Company mit diesem Ansatz gleich mehrere Probleme:

  • Mobile Bezahlsysteme können etwa in einer eigen sicheren virtuellen Umgebung laufen;

  • die Treiberentwicklung für Zusatzgeräte wird einfacher, da sie von der eigentlichen Handy-Hardware abgeschottet erfolgen kann;

  • die Nutzung eines Smartphones für persönlichen Bedürfnisse und Unternehmenseinsatz wird möglich, da beide Bereiche sauber in unterschiedlichen virtuellen Maschinen laufen können, und

  • Unternehmen sparen Zeit und Kosten, da sie ihre Anwendungen nicht mehr an unterschiedliche Plattformen anpassen müssen, sondern nur noch einmal für Citrix aufsetzen müssen.

Last but not least benötigen die Smartphones laut McCammon weniger leistungsfähige Hardware, "denn die Applikation läuft ja im Backend auf den Citrix-Servern." Der Manager träumt bereits davon, auf Dienstreisen künftig sein Notebook zuhause zu lassen und nur noch mit dem Smartphone zu reisen. "Über eine Dockingstation wird es dann an Bildschirm und Tastatur angeschlossen", so seine Vision.

So überzeugend der Virtualisierungsansatz auch ist - er hat einen Schönheitsfehler: Damit das Ganze funktioniert , benötigt Open Kernel Labs die Unterstützung der Hersteller, denn diese müssen den Microvisor nativ auf ihren Handys implementieren. Einen Flash-Kit, um dies später selbst auf dem Smartphone installieren zu können, will Open Kernel Lab nämlich nicht anbieten. McCammon ist allerdings optimistisch, dass sich in den nächsten zwölf bis 18 Monaten einige Hersteller finden, die diese Technik ihre Smartphones integrieren. Ebenso zuversichtlich ist er in Sachen Docking-Station, und wenn nicht, "dann gibt es noch Neuentwicklungen wie DLP fürs Handy oder Bluetooth-Tastaturen", schließt der Manager verschmitzt.