Nach jahrelangem Hin und Her habe sich die schwarz-gelbe Koalition auf entsprechende Regelungen beim Beschäftigtendatenschutz geeinigt, berichteten Experten beider Fraktionen. SPD und Linke kritisierten die Koalitionspläne scharf.
Die FDP-Innenpolitikerin Gisela Piltz teilte am Samstag mit, Grauzonen im geltenden Recht würden mit der Neuregelung beseitigt. Bespitzelungsskandale - wie in der Vergangenheit etwa bei der Bahn, der Telekom und beim Lebensmitteldiscounter Lidl - solle es künftig nicht mehr geben.
Der zuständige Experte der Unionsfraktion, Michael Frieser (CSU), sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Samstag): "Eine verdeckte Bespitzelung von Beschäftigten darf es in diesem Land nicht mehr geben." Zuvor hatte er in einer Pressemitteilung angekündigt (PDF-Link), das Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz werde noch Anfang dieses Jahres im Bundestag verabschiedet. Heribert Prantl, rechtspolitischer Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", geißelte den Entwurf am Wochenende bereits als "im Prinzip löblich, in der Ausgestaltung unzureichend, in Teilen skandalös".
SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht sprach von einer "Mogelpackung": "Die Änderungen zum ursprünglich vorgelegten Entwurf täuschen darüber hinweg, dass die Arbeitgeberinteressen hier weiter eindeutig den Ton angeben. Dieser Vorschlag schützt die Daten der Arbeitnehmer nicht", hieß es in einer Mitteilung.
Der Linken-Innenpolitiker Jan Korte bezeichnete das Vorhaben als "Verschlimmbesserung": "Keine neue Regelung wäre besser als dieser völlig verkorkste Entwurf." Das Ganze sei wohl als Rettungsversuch für die FDP gedacht, so Korte am Samstag.
FDP-Generalsekretär Patrick Döring erklärte zu dem Gesetzesvorhaben: "Die FDP als Bürgerrechtspartei macht den Unterschied: Wir stärken klar den Datenschutz für Arbeitnehmer." Rot-Grün und Schwarz-Rot hätten dies immer nur angekündigt.
Schon im Sommer 2010 hatte das Bundeskabinett den ursprünglichen Gesetzentwurf beschlossen. Er war von Anfang an umstritten: Während die Gewerkschaften den vorgesehenen Schutz der Beschäftigten für nicht ausreichend hielten, sahen die Arbeitgeber ihre Möglichkeiten zur Kriminalitätsbekämpfung zu stark eingeschränkt. So wollte der Einzelhandel in begründeten Verdachtsfällen weiterhin heimliche Aufnahmen machen dürfen.
Chronologie: Wie Arbeitnehmer kontrolliert werden
Mitarbeiter wurden abgehört, ausgefragt, gefilmt und oft ohne Grund verdächtigt. Bespitzelungsskandale, wie sie in den vergangenen Jahren immer wieder ans Licht kamen, soll es künftig nicht mehr geben. Spektakuläre Beispiele:
Januar 2010: Die Ulmer Drogeriemarktkette Müller muss wegen des rechtswidrigen Umgangs mit Gesundheitsdaten von Mitarbeitern 137 500 Euro Strafe zahlen. Das Unternehmen hatte zwischen 2006 und 2009 Beschäftigte nach Krankheitsgründen gefragt und die Daten rechtswidrig in den Personalakten gespeichert.
Oktober 2009: Für Verstöße gegen den Datenschutz im Unternehmen muss die Deutsche Bahn ein Rekordbußgeld von 1,12 Millionen Euro zahlen. Daten von Mitarbeitern waren zwischen 2002 und 2005 systematisch mit denen von Lieferanten abgeglichen worden, um ohne konkreten Anlass Korruption zu bekämpfen.
April 2009: Es wird bekannt, dass der Lebensmitteldiscounter Lidl Informationen über die Krankheiten von Mitarbeitern systematisch registriert hat. Schon 2008 hatte das Unternehmen für Schlagzeilen gesorgt, weil Mitarbeiter mit versteckten Kameras überwacht wurden. Auch Kunden wurden dabei gefilmt. In Protokollen wurde beispielsweise vermerkt, wann eine Mitarbeiterin zur Toilette ging oder Pause machte. Lidl zahlte insgesamt mehr als 1,5 Millionen Euro Bußgeld.
Mai 2008: Die Deutsche Telekom räumt ein, von 2005 bis 2006 seien Telefondaten von Managern und Aufsichtsräten ausgespäht worden. Der Konzern wollte herausfinden, ob Telekom-Mitarbeiter vertrauliche Informationen an Journalisten weitergegeben haben. Insgesamt sollen etwa 50 Personen bespitzelt worden sein. Das Unternehmen hatte den Fall 2008 mit einer Anzeige selbst ins Rollen gebracht.
Die neuen Vorschriften stellen laut "FAZ" jede Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten im Beschäftigungsverhältnis unter einen doppelten Vorbehalt. Sie müsse erforderlich sein, außerdem dürfe kein überwiegendes Interesse des betroffenen Mitarbeiters entgegenstehen. Dies gelte etwa für Fragen im Bewerbungsgespräch oder die Anordnung von Eignungstests oder ärztlichen Untersuchungen.
Die FDP-Expertin Piltz sprach von einem "Mindeststandard für alle Betriebe", der auch durch Betriebsvereinbarungen nicht unterschritten werden dürfe. Verboten sei jedwede Videoüberwachung in Umkleiden, Schlafräumen oder im Sanitärbereich. Auch eine offene Videoüberwachung werde an strikte Vorgaben gebunden und dürfe nicht zur allgemeinen Verhaltens- oder Leistungskontrolle eingesetzt werden. Der CSU-Abgeordnete Frieser hatte betont, auch die Unternehmen würden mit dem Gesetz in die Lage versetzt, nach klaren Regeln Korruption zu bekämpfen. (dpa/tc)