Gehaltsmodelle jenseits von Aktienoptionen

06.06.2002
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Reich durch Aktienoptionen - das motivierte einst Angestellte, alles für den Job zu geben. Nach dem Hype ist die IT-Branche in der Realität der Krise angekommen, wo die Optionen fast wertlos geworden sind. Neue Wege sind gefragt, um Mitarbeiter anzuspornen.

Einen neuen Konservatismus macht Malte Brümmer in der Gehaltspolitik aus. Der Vergütungsexperte der Kienbaum Management Consultants GmbH, Gummersbach, bezieht

"Firmenwagen und Altersvorsorge gehören zu den beliebtesten Nebenleistungen", so Malte Brümmer, Vergütungsexperte der Kienbaum Management Consultants GmbH
"Firmenwagen und Altersvorsorge gehören zu den beliebtesten Nebenleistungen", so Malte Brümmer, Vergütungsexperte der Kienbaum Management Consultants GmbH

diesen Trend nicht nur auf die IT-Unternehmen, die sich im vergangenen Jahr von überdurchschnittlichen Gehaltserhöhungen verabschiedeten und wie andere Branchen nur noch die tarifübliche Steigerung von etwa drei Prozent bezahlten.

Auch die Mitarbeiter selbst legen inzwischen wieder Wert auf Beständigkeit: „Es geht nicht mehr um den Spaß im Jetzt und kurzfristige Nebenleistungen wie den Bügelservice, sondern um langfristige Vorsorge wie eine zusätzliche Altersversicherung“, so Bruemmer. So sei die Altersversorgung neben dem immer beliebten Klassiker Firmenwagen zu den gefragtesten Nebenleistungen aufgestiegen, während Aktienoptionen in der Gunst der Mitarbeiter deutlich zurückgefallen sind und nur noch als eine Zusatzleistung unter vielen angesehen werden.

Kundenzufriedenheit bestimmt Gehalt

Zudem setzen Unternehmen verstärkt auf variable Vergütungssysteme, um durch monetäre Anreize die Leistung der Mitarbeiter und dadurch auch den Erfolg der Firma zu steigern. So führte die Telefonica-Tochter Mediaways GmbH, Verl, vor eineinhalb Jahren einen Qualitätsindex ein, von dessen Wert 20 Prozent des variablen Gehaltsbestandteils abhängen.(Die restlichen 80 Prozent sind an das Erreichen individueller Zielvereinbarungen geknüpft). Der Qualitätsindex setzt sich aus den drei Parametern Kundenzufriedenheit, Verfügbarkeit und Accounting zusammen. Jeden Tag können die Mitarbeiter des Internet-Service-Providers im Intranet beobachten, wie sich die einzelnen Werte des Indexes und damit auch die Leistungen der unterschiedlichen Abteilungen entwickeln.

„Vorher hatten wir nur individuelle Ziele“, erklärt Markus Pauli, Abteilungsleiter Corporate Organisation und Quality Management. „Dabei fehlte die Transparenz. Heute können wir uns genau im Intranet darüber informieren, wo es gut läuft und wo noch Nachholbedarf besteht.“ Alle sechs Monate befragt ein externer Dienstleister im Auftrag von Mediaways die Kunden, die unter anderem die Freundlichkeit der Mitarbeiter oder die Kompetenz des Service per Fragebogen beurteilen. Als Zweites geht die Verfügbarkeit des Netzes, des Access-Bereiches und aller Server- und Hardwaresysteme täglich mit in den Qualitätsindex ein. Zuletzt wird der Bereich Accounting miteinbezogen, in dem der Internet-Provider für Kunden wie AOL berechnet, wie lange dessen Kunden im Netz waren. Als Messlatte gilt hier die Korrektheit der Abrechnung.

„Da 80 Prozent unserer Mitarbeiter im operativen Geschäft tätig sind und viele auch abteilungsübergreifend arbeiten, können viele den Stand des Qualitätsindexes auch direkt beeinflussen“, ist Pauli überzeugt. Das erhöhe nicht nur Motivation und Identifikation der Mitarbeiter mit ihrer Tätigkeit, sondern mitunter auch den sozialen Druck untereinander, die Leistung im Sinne des Qualitätsindexes zu erbringen.

Bisher wurde laut Pauli das Gesamtziel immer erreicht, wenn es auch in einzelnen Teilbereichen Probleme gab: „Im neu eingeführten Bereich Voice over IP waren die ersten beiden Monatswerte zu niedrig. Durch die danach eingeleiteten Maßnahmen sind die Qualitätswerte im Voice-Bereich aber so gestiegen, dass sie die unbefriedigenden Werte mehr als kompensiert haben.“ Zweimal im Jahr zahlt Mediaways die variablen Lohnbestandteile aus, die abhängig von der Position im Unternehmen zwischen fünf und 30 Prozent des Gesamtgehaltes betragen können.

Berater bestimmen den variablen Anteil selbst

Die Unternehmensberatung Avinci geht in Sachen variable Entlohnung noch weiter als Mediaways. In für Berater ungewohnter Offenheit präsentieren sie ihr ausgeklügeltes Vergütungssystem, das zwischen Garantie-, Ziel- und Maximalgehalt unterscheidet, auch im Internet. Ehrgeiziges Ziel ist es, „unternehmerisches Denken zu belohnen, die Mitarbeiter am Unternehmenserfolg zu beteiligen und dennoch das Sicherheitsbedürfnis des Einzelnen zu berücksichtigen“. Darum kann auch jeder Berater den Prozentsatz seines variablen Anteils innerhalb vorgegebener Grenzen selbst bestimmen. Bei einem jährlichen Zielgehalt unter 50 000 Euro kann der variable Prozentsatz etwa zwischen null und 15 Prozent, bei einem Zielgehalt zwischen 60 000 und 69 999 Euro kann er zwischen zehn und 25 Prozent liegen.

Damit die Berater ihre Ziele erreichen, müssen sie pro Jahr 1300 Stunden dem Kunden in Rechnung stellen oder einen

Die Firma weiterbringen und Punkte sammeln für den eigenen Geldbeutel: Diese Ziele bringen die Avinci-Berater Ralf Gernhold, Thomas Bolz und Karl-Gerhard Pütz (von links) unter einen Hut.
Die Firma weiterbringen und Punkte sammeln für den eigenen Geldbeutel: Diese Ziele bringen die Avinci-Berater Ralf Gernhold, Thomas Bolz und Karl-Gerhard Pütz (von links) unter einen Hut.

persönlichen Umsatz in Höhe des eigenen Gehalts plus 50 000 Euro erzielen. „Im vergangenen Jahr haben 96 Prozent unserer Mitarbeiter diese Vorgaben erreicht - viele schon nach einem dreiviertel Jahr“, sagt Karl-Gerhard Pütz, Solution Unit Manager bei Avinci in Frankfurt am Main.

Vor allem wer einen langfristigen Projekteinsatz habe, könne es sich erlauben, den variablen Anteil höher ausfallen zu lassen. Pütz wie seine beiden Kollegen Thomas Bolz und Ralf Gernhold geben jedoch zu, dass sich die Situation am Beratermarkt inzwischen verschlechert hat und es nicht mehr selbstverständlich ist, dass auf ein Projekt das nächste folgt und die Ziele von allen problemlos erreicht werden können.

Breiteres Engagement belohnen

Allerdings haben die Frankfurter auch noch das Instrument des Maximalgehalts: So kann jeder Berater unabhängig von seinen Zielvorgaben Punkte sammeln, indem er etwa das Wissens-Management-System pflegt, einen neuen Mitarbeiter anwirbt, eine interne Schulung abhält oder auch einen Artikel in einer Fachzeitschrift veröffentlicht.

Wie viele Punkte es für welches Engagement gibt, wird zu Jahresanfang immer wieder neu festgelegt. Am Ende des Geschäftsjahres werden 75 Prozent des Gewinns, der zehn Prozent Rendite übersteigt, an die Mitarbeiter ausgeschüttet. Dazu wird der „Renditeüberschuss“ durch die Gesamtzahl der Punkte geteilt und jedem Punkt ein realer Wert in Euro gegenübergestellt, so dass der einzelne Berater sein Gehalt nochmals maximal um zwei variable Anteile plus 5000 Euro steigern kann.

„Mit diesem Punktesystem wollen wir auch verhindern, dass die Mitarbeiter Tag und Nacht dem Kunden nur Stunden in Rechnung stellen und und ansonsten keine Zeit mehr für den internen Know-How-Transfer haben“, so Senior Consultant Bolz. Vielmehr will Avinci ein breiteres Engagement, das die Firma weiterbringt, belohnen und durch dieses System auch auf die Marktlage reagieren: „In dem Jahr haben wir die Punkte für die zusätzliche Akquise beim Kunden erhöht, um auch auf diesen Weg die Auftragslage zu beleben“, erklärt Pütz.