Hoesch-Tochter mbp - "mutters bestes pferd" - wird ein Vierteljahrhundert alt:

Gegenläufige Tendenzen am Softwaremarkt

05.03.1982

DORTMUND - Ihr 25jähriges Bestehen feierte am 26. Februar die Hoesch-Tochter Mathematischer Beratungs- und Programmierungsdienst (mbp) GmbH in Dortmund. Der mbp - ursprünglich eine Gemeinschaftsgründung von 14 Unternehmen im Raum Dortmund und 1971 hauptsächlich aus Gründen des Kapitalbedarfs ganz von Hoesch übernommen - begann als Zwei-Mann-Betrieb und wird nach Worten des Sprechers der Geschäftsführung Professor Dr. Hans Gerd Pärli noch in diesem Jahr den 500sten Mitarbeiter einstellen. Zu den Gratulanten gehörten Bundesforschungsminister Andreas von Bülow und Dortmunds OB Günter Samtlebe. Den Festvortrag hielt GMD-Chef Professor Dr. Norbert Szyperski.

Minister von Bülow nahm das mbp-Jubiläum zum Anlaß, namens der Bundesregierung ein Bekenntnis für die Informationstechnik abzulegen, ohne die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht zu halten sein werde. Er räumte ein, daß damit gewisse Nachteile und Restrisiken verbunden seien, die es nüchtern und realistisch zu erkennen gelte - beispielsweise mit Hilfe einer verstärkten Wirkungsforschung.

Konzentrierte Förderung

Kritische Fragen zur aktuellen Bonner Forschungspolitik, die ihm auf einer eigens veranstalteten Pressekonferenz gestellt wurden, wies der Minister nicht zurück:

- Es treffe zu, daß die Software-Förderung des BMFT derzeit Gießkannencharakter habe. Hier werde bald kündigte von Bülow an, eine Konzentration der Fördermaßnahmen auf wenige, besonders erfolgversprechende Methodensysteme vorzunehmen sein.

- Es sei nicht zu bestreiten, daß Bonner DV-Fördermittel im Einzelfall auch einmal eher dem Überleben eines geförderten Unternehmens dienten als der Entwicklung eines vielversprechenden Projekts.

Dem mbp bescheinigte von Bülow, seine Arbeit über ein Vierteljahrhundert hinweg sei "angesichts der Schwierigkeiten in der Softwarebranche eine ganz außergewöhnliche Leistung", und das 25jährige Jubiläum eines Unternehmens, das Software anbiete, sei "ein seltenes Ereignis". Letzteres kann angesichts der Tatsache, daß der mbp nach eigener Darstellung das älteste deutsche Softwarehaus ist, allerdings kaum verwundern.

Grußredner und mbp-Beiratsmitglied Dr. Helmut Keunecke konkretisierte in seiner Ansprache eine von Pärli zuvor gemachte Andeutung, derzufolge der mbp "in vielfältiger Weise mit der öffentlichen Hand verbunden" sei, und nannte beispielhaft die Beteiligung der Dortmunder an den Projekten Spacelab und AWACS sowie die Aufträge etwa des Bundeskriminalamts. Die Bedeutung des mbp-Firmenkürzels, meinte Keunecke mit Seitenblick auf Hoesch, habe sich mittlerweile geändert: mutters bestes pferd. Keunecke zitierte den einleitenden Satz des vom mbp-Beirat 1957 verfaßten Arbeitsplans: "Das Büro soll produktive Arbeit leisten."

Preisstiftung

Nach Mitteilung von "Bürovorsteher" Pärli - auch er feierte silbernes Jubiläum - wird der mbp das Wissenschaftsfach Informatik dadurch fördern, daß von nun an auf die beste(n) an der Universität Dortmund in einem Jahr eingereichte(n) Diplomarbeit(en) ein Preis von 5000 Mark ausgesetzt wird. Aber Pärli konnte auch Geschenke in Empfang nehmen, so etwa die Plakette zum 1100jährigen Bestehen der Stadt Dortmund, die ihm OB Samtlebe überreichte.

Samtlebe distanzierte sich in seiner Grußansprache von dem vielfach zu hörenden "dummen Gewäsch von der nach-industriellen Gesellschaft" und setzte diesem den Realitätssinn und die Arbeitsmoral der Arbeitnehmer im Ruhrrevier entgegen. Der Oberbürgermeister verwies auf die Leistungen des Reviers für Regionen Deutschlands, denen es heute besser gehe als dem Land an Rhein und Ruhr, und unterstrich: "Jetzt sind wir es, die Solidarität brauchen."

Anwendergetrieben und effizienzarm

Die Entwicklung der Systemgestaltung, die Professor Szyperski in seinem Festvortrag näher untersuchte, ist nach seiner Darstellung gekennzeichnet von diversen Hauptströmungen.

Szyperski nannte konkret

- das Streben nach Benutzerfreundlichkeit,

- die unterschiedliche Preisentwicklung bei Soft- und Hardware,

- das mangelhafte Verständnis der Software als Investitionsgut

- die "anwendergetriebene" Softwareentwicklung ohne sonderliche Beachtung von Effizienzgesichtspunkten

- die industriell-professionelle Softwareentwicklung unter Effizienzaspekten,

- das immer wichtiger werdende "Make-or-buy"-Problem.

Nach Szyperskis Ansicht wird der Entscheidungsprozeß bei Systementwicklungen mehr und mehr auf eine Software-Firmware-Hardware-Kette hinauslaufen, bei der die Prüfung der Sache vor einer zu treffenden Hardwareentscheidung stehen wird. Unter Hinweis auf zahlreiche De-facto-Standardisierungen - so etwa die der Mikrocomputer auf der Basis von Prozessoren a la Z80 und M68000, der portablen Betriebssysteme wie CP/M und Unix, aber auch der relativ wenig verbreiteten Standard-Datenbanken - prophezeite Szyperski eine zunehmende Konfektionierung vor allem bei der professionellen Software.

Strategische Lücke

Der GMD-Chef wandte sich auch den Marktgegebenheiten zu: Der normale Anwender sei "entwicklungsunfähig aus sich selbst heraus", lege ein budgetorientiertes anstelle eines strategieorientierten Denkens an den Tag und stehe - auch angesichts der schwer zu beurteilenden Hardware-/Software-Kostenschere

- vor einem "kalkulatorischen Loch". Es sei völlig unklar, meinte Szyperski, ob die Inhouse-DV-Teams schrumpfen würden oder nicht; ebenso stellten sich auf Anbieterseite entscheidende Fragen, beispielsweise, ob die Hardwarehersteller ihr Softwaregeschäft weiter ausdehnen könnten oder nicht, ob es regelrechte Software-Verlage geben werden zu Bestsellern (und Flops), ob es gelingen werde, Software- und Informationsnetze aufzubauen etc.

Eines sei sicher, betonte Szyperski: "Die Konkurrenz wird differenzierter, der Markt farbiger." Szyperski gab den Anbietern einige Merkpunkte mit auf den Weg. Demnach wird aus Gründen der Marktgröße und der optimalen Know-how-Nutzung internationale Zusammenarbeit immer notwendiger sein. Fusionen werden unvermeidlich sein, da Unternehmensgröße und Marktanteile weithin viel zu niedrig seien. Es sind "Produkt- und Leistungsbereinigungen" zu erwarten.

Szyperski, der am Markt ein echtes System-Consulting-Angebot im Sinne kompletter schlüsselfertiger Lösungen vermißt, gab den Softwarehäusern den Rat, in guten Zeiten und damit rechtzeitig ein strategisches Management zu realisieren und Technokratie-Versuchungen zu widerstehen.