Gegen kurzfristige Rationalisierungskonzepte DGB mobilisiert Arbeitnehmer zur Analyse von Lean-Konzepten

22.07.1994

OBERHAUSEN (CW) - Nach dem Motto "Schlank ist gesund" verfolgen viele deutsche Unternehmen umfassende Restrukturierungskonzepte. Die Folge: Arbeitsbedingungen veraendern sich, viele Jobs fallen dem Rotstift zum Opfer. Der DGB will nicht tatenlos zusehen. Er hat Bewertungskriterien erarbeitet, mit denen Arbeitnehmer den Lean-Ansatz ihres Broetchengebers kritisch unter die Lupe nehmen koennen.

Die Gewerkschaften wollen keine Spielverderber sein. Grundsaetzlich zeigen sie sich einverstanden mit schlanken Konzepten wie Kaizen (kontinuierlicher Verbesserungspozess), Gruppenarbeit oder Qualitaets-Management - allerdings nur dann, wenn sich dahinter nicht "alte Huete" verbergen.

Lean-Konzepte werden nach Einschaetzung der Technologieberatungsstelle (TBS) beim DGB Landesbezirk Nordrhein- Westfalen in Oberhausen oft nur als "Steinbruch benutzt, um ueberkommene kurzfristige Rationalisierungseffekte zu erzielen, die an den strukturellen Problemen der Unternehmen und veralteten Management-Konzepten nichts veraendern".

Dagegen, so das gewerkschaftliche Selbstverstaendnis, sollten Arbeitnehmervertreter mit Hilfe der "Bewertungskriterien zur Beurteilung von Lean-Production-Konzepten" der TBS angehen. Noch immer gehe es vielen Unternehmen nur um Produktivitaetserfolge, die in kurzer Zeit und mit geringen Investitionsmitteln erzielt werden sollten - dazu sei auch das Mittel des Personalabbaus recht.

Die eigentliche Lektion des Lean-Konzepts haetten hierzulande nur wenige begriffen. Oft handle es sich um eine "Mogelpackung" - um Massnahmen, die nach Einschaetzung der TBS "Rationalisierungen reinster tayloristischer Tradition zum Kern haben und zum Teil unter der Federfuehrung alter Seilschaften weiter an zentralistischer Arbeitsplanung und Computerperfektionierung arbeiten".

Die Gewerkschaftler nehmen in ihrer Broschuere die Ideen des Business Re-Engineering teilweise so genau, dass Vorstandsetagen, die einen halbherzigen Ansatz verfolgen, in die Defensive gedraengt werden koennten.

Anhand einer Vielzahl von Kontrollfragen, fuer die in der Broschuere jeweils die schlechteste und die bestmoegliche Antwort vorgegeben ist, koennen Leser ueberpruefen, wie konsequent ihr Unternehmen die reine Lehre verfolgt.

So laesst sich analysieren, ob beispielsweise die Arbeitsorganisation im Sinne flacher Hierarchien veraendert, Gruppenarbeit gefoerdert, die Fertigungsstruktur und -tiefe optimiert oder der Verwaltungsaufwand reduziert wird. Natuerlich verlieren die Gewerkschaftler dabei die Arbeitnehmerinteressen niemals aus dem Auge.