Im Nischenmarkt der Fremdwartung bewegen sich keine Großunternehmen:

Gegen die Hersteller sind alle TPM-Anbieter noch Knirpse

30.06.1989

MÜNCHEN (ujf) - Einem Kampf gegen Windmühlenflügel gleicht der Versuch unabhängiger Servicegesellschaften, den Herstellern einen Teil ihres einträglichen Wartungsgeschäfts abzujagen. Nur jeder zehnte DV-Anwender läßt "Fremde" an sein System. Die Hardwareindustrie trägt ihren Teil dazu bei, daß dies auch so bleibt.

"Der deutsche Kunde ist der schwierigste in Europa." Dieses aus Anbietersicht wenig ermutigende Zitat stammt von einem, der es wissen muß: von einem Marketingleiter aus dem recht jungen Branchenzweig "Third-Party Maintenance" oder "Independent Maintenance". Für Skeptiker unter diesen schwierigen Klienten bedeutet letzterer Begriff nämlich soviel wie Instandhaltung durch Leute, die keinen Zugriff auf die Ressourcen des Systemherstellers haben, aber auf dessen Wohlwollen bei der Ersatzteilversorgung und Technikerschulung angewiesen sind.

Sicherheitsbewußt, wie der Deutsche nun einmal ist, haben rund 90 Prozent der hiesigen DV-Chefs bisher dem Werben der Fremdwartungsfirmen widerstanden. Wenn nämlich aufgrund der Entscheidung für eine TPM-Gesellschaft etwas Größeres schiefgeht im Rechenzentrum, kann das schlimme Folgen haben für die Karriere desjenigen, der den Wartungsvertrag zu verantworten hat. Die 15, 20 oder auch 30 Prozent, die er bei den Servicekosten eingespart hat, zählen dann nicht mehr.

Branche ist an Vorurteilen nicht ganz unschuldig

Allein mit diesem Argument - sollte der Anwender nicht selbst darauf gekommen sein - halten die Vertriebsmannschaften der großen Hardwarehersteller seit vielen Jahren die freche Konkurrenz auf Distanz. Notfalls schürt man Vorurteile, an denen diese Branche selbst nicht ganz unschuldig ist. Daß sich schwarze Schafe in dieser Szene jahrelang getummelt haben und noch tummeln, geben die Vertreter des seriösen Teils meist offen zu. Fast jeder Hersteller-Vertriebsmann kann heute auf authentische TPM-Reinfälle verweisen.

In dieser Situation tun sich die Marketiers der Gegenseite schwer, mit positiven Beispielen gegenzuhalten: Da hat doch nur jemand Glück gehabt, heißt es dann, wenn es bei ihm so lange gut gegangen ist. Daß auch Werkstechniker mitunter Fehler machen, tut für einen gründlich vom Hersteller "bearbeiteten" Anwender ebensowenig zur Sache wie der Umstand, daß Unternehmen wie Sorbus, Granada, Econocom oder Areatec ihr Personal nicht nur in eigenen Schulungszentren ausbilden, sondern auch an IBM-Serviceschulungen teilnehmen lassen. August Scheidle, Geschäftsführer der Econocom Maintenance GmbH, hält nichts von der früheren Personalbeschaffungspraxis dieser Branche: "Die Zeit ist vorbei, daß man einfach einen Techniker abwirbt von der IBM." So jemand könne, auch wenn er gut ist, in der Regel sein Know-how nicht den Kollegen vermitteln; technisches Können und didaktische Fähigkeiten seien eben zweierlei Dinge.

Die Hersteller verwenden nicht von ungefähr sehr viel Mühe auf die Abwehr der unliebsamen Wartungs-Konkurrenten: Mit "Blech" ist längst nicht mehr so gutes Geld zu verdienen wie in den Gründertagen der DV, als man Rechner noch vermietete und eine happige Gesamtgebühr verlangte, die einen satten Deckungsbeitrag für die Instandhaltungsaufwendungen enthielt.

Bei der IBM, deren Kunden die Hauptklientel der Fremdwartungsindustrie sind, gehen weltweit inzwischen die Einnahmen des Geschäftszweigs "Technischer Außendienst" zurück - teils aufgrund verlängerter Garantiefristen, teils wegen der geringeren Reparaturanfälligkeit heutiger hochintegrierter Systeme im Vergleich zu den mannigfach verdrahteten Rechenmaschinen früherer Jahre. Mit attraktiveren Rahmenabkommen wie dem Corporate Service Amendment (CSA) oder dem Midrange Service Amendment (MRSA) bemüht sich die IBM heute recht erfolgreich, die Anwender bei der Stange zu halten. Auch andere Hersteller bieten dem Kunden heute die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Service-Klassen zu wählen: Wer sich ein eigenes Ersatzteillager einrichtet, kleinere Arbeiten selbst ausführt oder eine längere Reaktionszeit hinnimmt, kann beträchtliche Nachlässe auf den Vollservice-Tarif erhalten.

Wartungsaufwendungen wachsen nur noch langsam

Die Marktforscherin Rebecca Segal, Direktorin des Forschungsprogramms Kundendienst bei IDC in Framingham/USA, schätzt das jährliche Wachstumspotential für Hardwarewartung recht bescheiden ein. Zwar werde die Installationsbasis bei Mainframes und Midrange-Systemen langsam weiter steigen, doch der Bedarf an Hardwarewartung soll damit nicht Schritt halten - eine Entwicklung, die den Anwender freut, dem Anbieter aber Sorge bereitet. Mit nur 1,2 Prozent durchschnittlicher Wachstumsrate bis zum Jahr 1992 bleiben die Aufwendungen für die Hardwarewartung von Multiuser-Systemen faktisch auf dem Status quo eingefroren.

Nur bei den Arbeitsplatzsystemen machten die IDC-Forscher ein Expansionspotential für die TPM- oder IM-Firmen aus: Bei 15 Prozent jährlichem Wachstum der Installationsbasis wird die PC-lnstandhaltung um durchschnittlich 10,8 Prozent zunehmen, bei Workstations sollen es 35 Prozent Stückzahlplus und immerhin 27,8 Prozent mehr Wartungsaufwand per annum sein.

Auch wenn in Europa die Perspektiven für diesen Industriezweig weniger düster sind als in den USA, können sich die unabhängigen Servicefirmen auf die reine Hardwarebetreuung nicht mehr verlassen. Installations- und Kundendienstarbeiten für Leasinggesellschaften und Broker sind ein Feld, auf dem sich IM-Anbieter derzeit etablieren. Zwei der großen Leasinggesellschaften die Econocom Deutschland GmbH in Langen bei Frankfurt und die CSC Leasing und Finanzierung GmbH in München, sind mit Wartungs-Töchtern an den Start gegangen, die von den Kontakten der Leasing-Vertriebsleute profitieren sollen.

Die Econocom Maintenance GmbH, bereits 1985 gegründet, hat sich im Service für IBM-Multiuser-Anlagen mittlerweile zum drittgrößten Anbieter in der Bundesrepublik entwickelt - hinter den durch Firmenübernahmen entstandenen Europa-Marktführern Sorbus und Granada. Auch dem noch recht kleinen Düsseldorfer CSC-Ableger Areatec erst seit 1988 am Markt, traut IDC gute Aufstiegschancen zu. Die auf kleinere Rechner ausgerichteten TPMer Awitex (unlängst durch die Übernahme der Fremdwartungsaktivitäten von MAIs Tochter Tekserv gewachsen) und Telup-Bitronik sind für das Kronberger Marktforschungsinstitut ebenfalls aussichtsreiche Kandidaten.

Im Vergleich zu den gewaltigen Summen, die die Hersteller für den Service kassieren, haben jedoch sämtliche Third-Party- und Independent-Firmen nachgerade zwergenhaftes Format. Im Jahr 1988 zahlten bundesdeutsche Anwender den Hardwarelieferanten laut IDC über vier Milliarden Mark für Wartung den Drittfirmen aber nicht einmal eine halbe Milliarde. Bis 1992, so die Einschätzung von IDC-Projektleiter Christoph Thomas, werden die Hersteller 5,4 Milliarden Mark mit Wartung umsetzen, die TPM-Konkurrenz eine Milliarde. Die Diskrepanz zwischen den ungleichen Konkurrenten ist so kraß, daß von einem echten Wettbewerb kaum die Rede sein kann. Als größter "Independent" in der Bundesrepublik setzt Sorbus 25 Millionen Mark im Jahr um, Granada als Nummer zwei 21 Millionen Mark. Zum Vergleich: Die IBM Deutschland GmbH nahm mit ihrem technischen Außendienst im Jahr 1988 rund 1,2 Milliarden Mark ein.

An diesem Größenverhältnis wird sich nach Ansicht der Marktforscher auf absehbare Zeit nichts Grundlegendes ändern. Da hilft es auch nicht viel, daß die TPMs und IMs jetzt mehr und mehr dem Trend folgen und " Total Maintenance" für komplette DV-Netze anbieten, bei der sogar Softwarepflege eingeschlossen ist. Denn gegen die Vorbehalte sicherheitsbewußter Anwender wiegt das Argument "alles aus einer Hand" nicht schwer genug.

Daß Wartung ein lukratives Geschäft sein kann, hat sich inzwischen herumgesprochen. Auf dem deutschen Service-Markt dominieren - bedingt durch den für die Branche typischen Kapitalbedarf - ausländische Unternehmen da, wo es um bundesweite Präsenz geht. Im Konzept der flächendeckenden TPM-Anbieter gibt es unter den Großen lediglich ein deutsches Unternehmen, die übrigen decken in erster Linie den regionalen Bedarf ab.

Sieht man sich den Kreis der Drittwarter jedoch etwas genauer an, fällt auf, daß fast alle Ableger bekannter Hersteller- oder Vertriebsfirmen sind und somit nur bedingt wirklich neutral sein können. Lediglich aus Gründen der positiven Außendarstellung und der besseren Marktdurchdringung gehen diese Unternehmen als "neutrale" Drittwarter an den Start. Endkunden, neuerdings auch verstärkt Hersteller und Vertreiber selbst, sehen in jüngster Zeit diese möglichen Partner mit deutlich kritischem Abstand.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Zum einen wünscht sich der Endkunde eine Wartungssituation, in der er nicht ständig mit dem Kauf neuer Produkte konfrontiert wird. Dies aber ist nur allzuoft der Fall, wenn nämlich der Service-Techniker Informationen an den Verkauf weiterleitet und die Wartung dann Verkäuferbesuche nach sich zieht. Zum anderen beeinflußt eine solche Konstellation zwischen Hersteller und Wartungsfirma in erheblicher Weise die Objektivität der Wartungssituation. Nur zu leicht kann dem Kunden schmackhaft gemacht werden, statt einer vorbeugenden Wartung oder einer geringfügigen Reparatur lieber gleich ein neues Gerät anzuschaffen.

Hinter den Kulissen des TPM-Marktes ist somit ein intensiver Kampf um König Kunde entbrannt. Der Gewinner indes steht längst fest: die strikte Neutralität und Unabhängigkeit des TPM-Service in bezug auf Vertriebsinteressen und Unternehmensverflechtungen an ebensolchen.

Vertrauen in TPM braucht eine solide Grundlage. Dabei spielt vor allem die sachliche Kompetenz des Drittwarters eine große Rolle. Gute technische Qualität, ein konsequentes und vielseitiges Leistungsangebot, gute Referenzen und Stärken in der Kundenberatung sind wichtige Indikatoren. Darüber sollte sich der TPM-Interessent vor Abschluß eines Wartungsvertrages bei Referenzkunden des künftigen Service-Partners informieren, aber auch verfolgen, wie der Wartungspartner im und am Marktgeschehen teilnimmt.

Aus der Sicht der Hersteller und Distributoren ist die oben erwähnte strikte Neutralität ein marktentscheidender Faktor: Wenn der TPM-Partner an anderweitige Vertriebsbeziehungen gebunden ist, vertraut man ihm höchst ungern die eigenen Produkte für eine umfassende Wartung an. Denn dann träte ein, was man befürchten muß: das Risiko, daß dem Service-Techniker ein fremder Verkäufer nachfolgt - und die eigenen Geräte demnächst "rausboxt". Aus diesem Grund sind namhafte Produzenten und Vertriebsfirmen bei Markteintritt und Durchdringung sehr sensibel in der Auswahl ihres Service-Partners, bevor sie diesen mit der Wahrnehmung ihrer Wartungsinteressen beauftragen

Mehr und mehr entdecken Produzenten und Vertreiber von Computern und Peripherie, daß sie im Kampf um kosten- und preisgünstigere Positionen im Markt ihre Preispolitik gänzlich um den Faktor Service bereinigen können - mit einem TPM-Partner. Amstrad war 1988 Vorreiter einer Idee, den deutschen Markt ohne werkseigenen Kundendienst zu erobern. Dafür schloß das renommierte Unternehmen eine bundesweit wirksame Service-Kooperation mit der Anders Service Group ab.

Eine solche Zusammenarbeit war bis dato Neuland in Sachen herstellerunab-hängigem Kundendienst gegenüber Endkunden und Händlern, denn diese sind ebenfalls in das Wartungsangebot einbezogen. Der Konsument findet bundesweit eine einheitliche, transparente Preissituation und eine zentral gesteuerte, aber flexible Service-Struktur für die gesamte Amstrad-Produktpalette. Erst unlängst schloß auch der Druckerhersteller Citizen eine derart gestaltete Service-Kooperation ab.

Dieses Wartungskonzept wird mit Sicherheit weitere Kreise ziehen. Warum schließlich sollen die Produzenten der DV-Branche nicht die offenkundigen Vorteile einer Zusammenarbeit mit TPM-Anbietern ausnutzen? Sie sparen Riesenaufwendungen für Service bei der Markterschließung, dauerhafte Kosten für die Aufrechterhaltung einer eigenen Service-Struktur und das Risiko einer mangelhaften Auslastung derselben ein.

Händler haben ebenfalls die Vorteile einer Entlastung durch TPM erkannt. Bei überregionalen Geschäftsbeziehungen ist die Unrentabilität der Wartung für den Händler bereits vorprogrammiert: Er schließt einen Liefervertrag mit einem vielerorts präsenten Endkunden ab, ist zu - Garantieleistung verpflichtet - und stellt dann fest, daß er den Service von der Nordsee bis nach Oberbayern erbringen muß. Dies rechnet sich für ihn nicht. Mit einem entsprechenden TPM-Konzept indes kann er sich auf seine eigentliche Aufgaben konzentrieren: Kundenberatung und Verkauf seiner Produkte.

Der Wartungsmarkt braucht Modelle dieser Art. Der Kunde wiederum braucht mehr Service-Qualität. Mit diesen ersten Beispielen ist sicherlich der richtige Schritt in die TPM-Zukunft getan.

Zuverlässigkeit prüfen

Wie kann man Zuverlässigkeit messen? Keine einfache Frage. Anhaltspunkte aber ergeben sich durch Referenzen, die Arbeit und das Image des TPM-Anbieters im Markt, durch seinen Umgang mit bestehenden und protentiellen Kunden. Man sollte bei der Auswahl seines zukünftigen Service-Partners bereits am eigenen Beispiel beginnen:

- Wie tritt der Service-Anbieter mir gegenüber auf?

- Wie stark ist er in der Beratung, im unverbindlichen, individuellen Konzept?

- Ist dieses maßgeschneidert oder lediglich eine Standardlösung?

- Wie fair wirken seine Vertragsentwürfe?

- Drängt er mich zum Vertragsabschluß?

- Zeigt er mir kostensparende und nutzbringende Alternativen zu meinem Vorteil auf?

- Hilft er mit Aufklärung zur Sache?

Zuverlässigkeit läßt sich außerdem durch gute Kommunikation nachvollziehen. Welchen Dialog führt der Service-Partner in der Öffentlichkeit, in den Medien, in der Fachwelt - wiestelltersich im Spiegel der Kritik dar? Ist der Anwender bereit, auf einige dieser Fragen einzugehen und die fremde mit der eigenen Erfahrung im Vorfeld zu vergleischen, kann er wertvolle Rückschlüsse auf die Qualität des TPM-Anbieters ziehen. Darüber hinaus lernt er dabei noch etwas über TPM hinzu - und das hilft allemal, das Vertrauen in die Drittwartung zu stärken.