Möglichkeiten und Konsequenzen für den Anwender lokaler Netze:

Gefragt sind echte LAN-Problemlösungskonzepte

24.06.1983

Die Innerbetriebliche Kommunikation in einem örtlich begrenzten Bereich ist in der Bundesrepublik auf das Grundstück begrenzt. Für die technische Realisierung der innerbetrieblichen Kommunikation besteht völlige Wahlfreiheit der Kommunikationsmittel, sieht man einmal von möglichen Restriktionen bei der vielleicht nicht zu umgehenden Benutzung von Postdiensten im Fernbereich ab.

Ein lokales Netz oder kurz LAN ist gemäß IEEE 802 durch folgende Eigenschaften zu charakterisieren:

- Es erlaubt die Kommunikation einer Vielzahl von unabhängigen Geräten miteinander.

- Die Kommunikation findet in einem örtlich begrenzten Bereich statt.

- Es wickelt mittlere bis hohe Datenraten bei niedriger Fehlerrate ab.

Im Prinzip ist also die Definition eines LAN sehr simpel und in welchen Bereichen mit einem Fernbereichsnetz (Wide Area Network = WAN) vergleichbar.

Trotzdem wird derzeit eine große Verunsicherung der Anwender durch Versuche einer LAN-Begriffsdefinition hervorgerufen, die Kriterien einschließt wie zum Beispiel:

- Einheitliches physikalisches Medium mit einer Übertragungsleistung größer 1MBit/sec

- Gateway-Dienste zu WAN's als elementarer Bestandteil des LAN-Konzeptes

- Unterstützung des typischen Verkehrsverhaltens multifunktionaler Geräte.

Diese Begriffsdefinition stellt eine sehr weitreichende Eingrenzung der LAN-Möglichkeiten dar. Zugleich wird mit einem solchen Abgrenzungs- und Deffnitionsstreit von dem eigentlichen Aufgabenbereich von LANs "abgelenkt", der lediglich in einer Unterstützung der betrieblichen Kommunikation in einem örtlich begrenzten Bereich steht, aber mit allen Anwendungsbereichen zu tun hat. Anwender sind daher heute kaum bereit, sich öffentlich zu LAN-Aktivitäten zu bekennen. Man ist vielmehr "verwirrt" und will (nach Möglichkeit) zunächst im "Verborgeneng" LANs "ausprobieren".

Legt man die IEEE 802-Eigenschaften als Maßstab an, so lassen sich die Möglichkeiten lokaler Netze durch drei Netztypen beschreiben.

1) Netze mit schmalbandiger Übertragungsmöglichkeit bis maximal 20 KBit/sec mit der Systemalternative "analog PABX". Typische Anwendungen wären neben der Sprachübertragung die Rechner-Terminal-Kommunikation heutiger Ausprägung sowie die Integration der Textkommunkation im Fernbereich wie Telex oder Teletex über Nebenstellenanlagen. Abwickelbar wären auch alle Datenkommunikationsdienste bis zu der maximalen Übertragungsrate.

2) Netze mit schmalbandiger Übertragungsmöglichkeit auf der Basis von 64 KBit/sec-Kanälen, also dem digitalen Sprachkanal, mit der Systemalternative "digitale PABX". Es wird die digitale Übertragungs- und Vermittlungstechnik über Nebenstellenanlagen benutzt. Typische Anwendungsbereiche neben der Sprachübertragung wären etwa:

- digitale Sprachdatenverarbeitung, insbesondere das Abspeichern und editieren von Sprachnachrichten, auch "speech-filing" genannt;

- eine Funktionsintegration von textlicher und akustischer Informationsdarstellung;

- alle schmalbandigen Daten- und Textkommunikationsdienste;

3) Netze mit schmal- und breitbandiger Übertragungsmöglichkeit mit der Systemalternative Koaxialkabelsystem. Hierbei handelt es sich um Kommunikationssysteme mit einer Gesamtübertragungsrate des Übertragungsmediuns von 1 MBit/sec und mehr. Eine Begrenzung nach oben hin findet nur durch technische Randbedingungen statt.

Die heutige Diskussion der unterschiedlichen Technologien bezieht sich primär auf den Netztyp 3. Angesichts der Diskussion um unterschiedlichste Systeme und vor allem angesichts des ihm zugemuteten Begriffswirrwarrs, fühlt sich der Anwender regelrecht "genasführt" . Eines ist offenkundig: Das Entscheiden zwischen unterschiedlichen Technologiekonzepten sowie das Verstehen und Auseinanderhalten des derzeitigen Begriffswirrwarrs überfordert. Es ist notwendig, die Information über lokale Netze von unterschiedlichen Gesichtspunkten aus für unterschiedliche Enscheidungsträger aufzubereiten. Den Organisator interessiert, welchen Nutzen die Systemkonzepte besitzen. Erst dann, wenn er die hierfür verbreitete Information auf Anhieb versteht, hat das da

zugehörende System überhaupt die Chance, mit Aufmerksamkeit bedacht zu werden. Echte Problemlösungskonzepte sind daher gefragt.

Für den Aufbau von lokalen Netzen mit ihren Geräten sind zwei unterschiedliche Strategien möglich:

1) nichtintegrierte Lösung mit einer Trennung von Netzwerk-Interface

und Endgerät sowie

2) integrierte Lösung für Netzwerk-Interface und Endgerät.

Die Anwendung einer nichtintegrierten Lösung führt zu einem geschlossenen Transportsystem, auf dessen Basis aber "offene" Anwendungssysteme aufgebaut werden können. Bei einer Anwendung der integrierten Lösung entstehen dagegen "geschlossene" Anwendungssysteme.

Bei einem Vergleich der Systemalternativen sollte zunächst auf einen begrifflichen Widerspruch hingwiesen werden. Der Begriff Breitbandsystem ist auf das gesamte Kabelsystem zu beziehen. Bezogen auf Endteilnehmer besteht auf Grund des Trägerfrequenzverfahrens eine

Bandbreitenbegrenzung, also eine unter Umständen schmalbandige Übertragung.

Bei der Auswahl eines Netztypes für die Installation muß immer der Anwendungsbereich im Vordergrund stehen und damit die Frage nach der benötigten Bandbreite und der möglichen Integrationstiefe von Kommunikationsarten (siehe Abb. 1).

Alle Netztypen können in den Anwendungsbereichen Verwaltungs- und bürointerner Bereich, Produktionsbereich und Datenverarbeitungsbereich zum Einsatz gelangen. Dabei werden die Anwender unterschiedliche Erwartungen an die lokalen Netze stellen.

Die Befürworter von zentralen rechnergesteuerten Vermittlungssystemen (=PABX-Systeme) weisen auf die kommende Verfügbarkeit von digitalen 64 KBit/sec-Kanälen für die Sprachkommunikation und im dienstintegrierten öffentlichen ISDN-Netz hin, durch die auch bestimmte Formen der Daten, Text-und Festbildkommunikation integriert werden können. Sie verweisen andererseits auf die bei Koaxialkabel-Systemen neu zu Einstallierende Kabel-Infrastruktur hin, ferner auf die noch relativ hohen Anschlußkosten an diese Infrastruktur und auf die Probleme im Zusammenhang mit den Übergängen in öffentliche Netze.

Mit PABX-Systemen c= Netztyp 1/2) lassen sich die Geschwindigkeitsanforderungen für die heute bekannten Formen der Sprach-, Text- und Festbildkommunikation abdecken. Bewegtbildübertragung, aber auch dynamische Computer-Grafik-Anwendungen, gehen in ihren Anforderungen über diese Kapazität weit hinaus.

Auf der anderen Seite bietet der Netztyp 3 auf der Basis von Koaxialkabeln mit Übertragungsgeschwindigkeiten bis zu 50 MBit/sec (und auf der Basis von Lichtwellenleitern noch darüber hinaus) die erforderlichen Übertragungskapazitäten, ist aber unter Umständen derzeit, bezogen auf einen Anschluß, noch teurer als ein PABX-Anschluß. Dafür zeichne sich dieser Netztyp 3 zusätzlich durch seine Multiplexfähigkeit aus das heißt, es können viele Übertragungen zur selben Zeit stattfinden

Sehr oft wird die Frage Netztyp 1/2 oder Netztyp 3 mit Kostenargumenten diskutiert. Da heißt es: Es ist zu teuer, große Bandbreiten zu installieren und teilweise ungenutzt zu lassen. Bei allen Netztypen ist die Installation von Kabeln der vergleichsweise "billigste" Teil.

Man sollte die Entscheidung über seine Anwendung aus heutiger und zukünftiger Sicht abhängig machen und von den Kosten. Weitere Entscheidungskriterien für ein Management zeigt Abbildung 2.

Heute wird sehr oft die Meinung vertreten, lokale Netze vom Typ 3 könnten derzeit noch nicht installiert werden, weil es im Bereich des Terminalanschlusses, insbesondere an IBM noch keine sinnvollen Lösungen gibt. Diese Ansicht war bis zum Februar dieses Jahres richtig. Jetzt aber gibt es auch von IBM Ansätze zu einem Netztyp 3 im Bereich des IBM 3270-Systems unter Einsatz von Basisbandkoaxialkabel.

Mit Hilfe lokaler Netze vom Typ 3 versucht man, bei Terminalinstallationen in allen Anwendungsbereichen eine ökonomischere und vor allen Dingen flexiblere Lösung zu finden als es die bisherige Punkt-zuPunkt-Verkabelung (= Spaghetti-based) darstellt.

Mit dem Aufbau eines Breitbandsystems wird ein lokales Netz in einem Unternehmen zur Verfügung gestellt, das für die Abwicklung von Kommunikationsvorgängen auch außerhalb der DV-Anwendung benutzt werden kann und aus ökonomischen Gründen auch sollte.

Wir müssen also umdenken bei der Verkabelung. Volle Kabelschächte werden bald ein Unternehmen nicht mehr als "dynmisch" ausweisen, sondern als "veraltet", soweit es die Kommunikation in vielen Bereichen der betrieblichen Informationsverarbeitung angeht.

Die möglichen Produkte müssen bezüglich folgender Paramenter verglichen werden:

1) Kostensituation pro Anschluß (ohne Kabelsystem)

2) Lösung des Umzugs-/Zuordnungsproblems (=Flexibilität)

3) Risiko bei der Einführung.

Protokollumsetzer sind in den Kosten derzeit wesentlich höher als Multiplexersysteme. Die Unterschiede zwischen Basis- und Breitbandlösung sind gering und im wesentlichen durch die Clusterung bestimmt.

Die geringe Kostenersparnis der Basisbandlösung pro Anschluß kann aber die Vorteile der Breitbandlösung nicht aufwiegen. Die Flexibilität bei der Umzugsproblematik steigt dagegen bei Breitband stark an. Gleichzeitig muß aber gesehen werden, daß eine Basisbandtechnik das geringste Einführungsrisiko besitzt. Bei Breitbandtechnik ist das Signallaufzeitproblem zu berücksichtigen und bei den Paketvermittlungssystemen muß die Protokollkonvertierung als derzeit kritische Komponente angesehen werden.

Vor einer polarisierenden Diskussion, welche Systemalternative die "beste" sei und als "einzige" einzusetzen ist, muß an dieser Stelle gewarnt werden. Es wird vielmehr - gemäß der Breite und der Vielfalt der Anforderungen an ein betriebliches Kommunikationssystem für einen überschaubaren Zeitraum - zu einer sinnvollen Aufgabenaufteilung beider Lösungsansätze kommen.

Eine Integration der betrieblichen Anwendungsbereiche für lokale Netze wird nicht diskutiert. Die betriebliche Kommunikation besitzt also zwei Forderungen:

1. Optimale Lösung für jeden Anwendungsbereich

2. Zusammenführung der Anwendungsbereiche.

Die letzte Forderung wird derzeit wenig beachtet. Ob sie effizient erfüllt werden kann, muß die künftige Entwicklung durch die Anwender zeigen.

Man verlangt derzeit einfach "zuviel" von lokalen Netzen, die von ihrer Aufgabe nur primär Transportprobleme lösen sollen. Eine Vielzahl von Forderungen bezieht sich auf Endgeräte und nicht auf die "elementare Kommunikation". Man versucht, ein Anwendungsproblem abzuwälzen auf ein Transportproblem.

Aus diesem Grunde kann nur eine Realisierung eines lokalen Netzes Bestand haben, die auf der Transportebene eine möglichst weitgehende Integration unterschiedlicher Zugangsverfahren und Signalarten erlaubt. Ferner muß eine "gleichberechtigte" Einordnung der verschiedenen Systemalternativen gefordert werden.

Wenn eine Nebenstellenanlage das heißt, der Netztyp oder 2 für eine Anwendung ausreicht, so stellt sie die meistens wirtschaftlichste Lösung dar, wen man berücksichtigt daß eine Telefonverkabelung meistens vorhanden ist.

Wird aber für eine Anwendung eine zusätzliche Verkabelung bei Nebenstellenanlagen erforderlich oder sind Anforderungen vorhanden, die die Systemalternative 1/2 nicht in ausreichendem Maße erfüllen kann, sollte man sich intensiv mit der Systemalternative 3 auseinandersetzen.

Jeder, der für die Telekommunikation verantwortlich zeichnet, muß sich schon heute mit der neuen Technik für "hausinterne" Kommunikation auseinandersetzen. Er muß den Versuch unternehmen, auf mittlere Sicht (3 - 5 Jahre), heutige und künftige Benutzeranforderungen nach Kommunikation im Fern- und Lokalbereich in Einklang zu bringen. Er muß vor allen Dingen auch den Versuch machen, Kommunikations- sowie Anwendungsprobleme voneinander zu trennen.

* Dr. Ing. Hans-Peter-Boell ist Unternehmensberater in Köln.