Experten sehen hohen Bedarf an Beratung und IT-Services im Automotive-Sektor

Gedas besinnt sich seiner Wurzeln

05.12.2003
BERLIN (gh) - Der IT-Dienstleister Gedas AG hat nach zweijähriger Durststrecke den Turnaround geschafft und will in den kommenden Jahren stärker als der Markt wachsen. Die Chancen dafür stehen für die Volkswagen-Tochter nicht schlecht, denn das Kerngeschäft Automotive, auf das sich die Berliner in Zukunft noch stärker fokussieren wollen, hat gute Perspektiven.

Die Botschaft des seit Juli amtierenden neuen Vorstandsvorsitzenden Axel Knobe vor Journalisten in Berlin war eindeutig: Rechtzeitig zum 20-jährigen Firmenjubiläum hat Gedas die Krise der beiden vergangenen Jahre gemeistert und will ab 2004 auch wieder einen nachhaltigen Wachstumskurs steuern. In diesem Jahr werde man, so Knobe, bereits wieder einen kleinen operativen Gewinn erwirtschaften, nachdem in den Geschäftsjahren 2002 und 2001 jeweils ein Minus von 39,4 beziehungweise 10,5 Millionen Euro zu Buche geschlagen hatte. Nähere Angaben zum voraussichtlichen Ergebnis machte der Gedas-Chef nicht - wohl aber dazu, wie es erreicht werden soll. Man habe den Umschwung vor allem durch "eine Portfoliobereinigung und ein straffes Kosten-Management" bewirkt. Allzu aufwändige Projekte seien vermieden worden, außerdem habe Gedas auch die Finger von Nischenanwendungen gelassen, deren Deckungsbeiträge fraglich sind. Aus diesem Grund werde der Umsatz im laufenden Jahr gegenüber 2002 (619 Millionen Euro) noch einmal um rund acht Prozent rückläufig sein. "Ertrag kommt vor Wachstum" sei das Motto, betonte Knobe.

Noch interessanter als die Zahlen dürften jedoch die Maßnahmen sein, die sich bei der Volkswagen-Tochter hinter der erwähnten Portfoliobereinigung verbergen. Diese war bereits von Knobe-Vorgänger Robert Stauß eingeleitet worden und beinhaltete die Fokussierung auf die Bereiche Fertigungsindustrie, Automobilindustrie (VW/OEM, Zulieferer, Importeure/Händler) sowie Lokale & Neue Märkte. Damit nahmen die Berliner größtenteils wieder Abstand vom Konzept früherer Jahre, das neben der (auch jetzt nicht in Frage gestellten) Internationalisierung den Ausbau der eigenen Position außerhalb der Automobilindustrie vorsah. Letzteres findet nun im Geschäftsbereich "Lokale & Neue Märkte" statt, in dem Gedas vorwiegend öffentliche Verwaltungen und vereinzelt auch (speziell in Frankreich) Finanzdienstleister adressiert. Zwar stellte Firmenchef Knobe entsprechende Referenzprojekte - etwa den Aufbau eines landesweiten Informations- und Kommunikationssystems in Berlin, das im Endausbau 10000 PC-Arbeitplätze auf Client-Server-Basis inklusive einer selbst entwickelten Software vorsieht - groß heraus, der Schwerpunkt von Gedas liege künftig jedoch wieder "eindeutig im Automotive-Sektor".

Börsengang kein Thema mehr

Damit zogen die Berliner die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass sie sich nicht weltweit in puncto breit angelegter Branchenausrichtung mit den großen IT-Dienstleistern messen können. Die Pläne zum Börsengang, mit dem diese ehrgeizige Strategie hätte finanziert werden sollen, wurden ebenso ad acta gelegt wie die Expansion in den vermeintlichen Wachstumsmarkt Telematik - ein Segment, das die meisten Marktforscher heute weitaus nüchterner betrachten als noch vor zwei Jahren. Gleichzeitig kehrt die Volkswagen-Tochter damit zu ihren Wurzeln von 1983 zurück, als man unter dem Namen VW-Gedas Gesellschaft für technische Datenverarbeitungssysteme als Inhouse-Dienstleister des Wolfsburger Autobauers gestartet war. Mit einem kleinen, aber feinen Unterschied: Damals sorgte ausschließlich der Mutterkonzern für entsprechende Aufträge, heute sind immerhin knapp 30 Prozent der Gedas-Erlöse Non-captive-Umsätze, also Einnahmen, die außerhalb des VW-Konzerns erzielt werden.

Rückläufiges Geschäftsvolumen mit VW

"Wir kennen die strategischen Ziele und die Geschäftsprozesse unserer Kunden", hob der Gedas-Chef auf die (alten) Stärken seiner Company ab. Diese sollen nun in eine andere Art von Wachstum ungemünzt werden. Mittelfristig wolle man vor allem außerhalb des VW-Konzerns "überdurchschnittlich" zulegen, hieß es. Der Grund ist einfach und problematisch zugleich: Um die Kapitalrenditevorgabe des Mutterkonzerns von neun Prozent in absehbarer Zeit erwirtschaften zu können, müssen die Berliner in den kommenden Jahren deutlich über dem allgemein für den IT-Service-Markt prognostizierten Wachstum von fünf bis sieben Prozent liegen. Im Geschäft mit VW und anderen Konzerngesellschaften dürfte dies angesichts der dortigen IT-Konsolidierung kaum möglich sein, auch wenn man die Konzernmutter nachhaltig bei ihrer Expansion in China begleiten kann und auch Audi signalisiert hat, zukünftig mehr IT-Projekte mit Gedas abwickeln zu wollen. Zumindest indirekt machte Knobe deshalb deutlich, worauf man bei Gedas tatsächlich spekuliert - nämlich auf ein weitaus einträglicheres Geschäft mit den Zulieferern der großen Autokonzerne innerhalb und außerhalb der "Volkswagen-Familie", beispielsweise im Bereich Produkt Lifecycle Managment (PLM).

Glaubt man der auf den Automotive-Sektor spezialisierten Unternehmensberatung Mercer Management Consulting, könnte die Gedas-Führungsspitze mit dieser Einschätzung durchaus richtig liegen. Die gesamte Automobilbranche steht, wie die Berater in einer vergangene Woche in München vorgestellten Studie betonen, vor gewaltigen Umbrüchen. Demnach werde es in den kommenden Jahren noch weitaus stärker als bisher zu einer Verlagerung der Wertschöpfungstiefe von den Autoherstellern zu ihren jeweiligen Zulieferbetrieben kommen. Umgekehrt seien VW, BMW, Daimler-Chrysler & Co. um so mehr bestrebt, zum einen ihr Markenprofil verstärkt durch Dienstleistungen rund ums Auto (Finanzierung, Lifestyle-Produkte etc.) zu schärfen, zum anderen träten sie immer häufiger auch als Zulieferer für direkte Wettbewerber (VW liefert beispielsweise seine TDI-Dieselmotoren an Daimler-Chrysler) in Erscheinung. Die Geschäftsaussichten, die sich daraus für einen in der Branche etablierten IT-Dienstleister wie Gedas ergeben könnten, seien laut Mercer Management Consulting noch gar nicht absehbar. Der Grad der Vernetzung mit Kunden, Lieferanten, aber auch Wettbewerbern werde für die Anbieter zum "entscheidenden Erfolgsfaktor", hieß es lediglich. Gleichzeitig werde der "Ressourcenübergang", also alle Facetten von Outsourcing, zum beherrschenden Thema.

Auch die Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC) beurteilen die weitere Entwicklung im Automotive-Sektor eher positiv. Allein das deutsche Marktvolumen für entsprechende Consulting-Leistungen und IT-Services dürfte ihren Berechnungen nach bis 2007 von derzeit 2,23 (2003) auf 3,14 Milliarden Euro klettern, was jährliche Zuwachsraten von durchschnittlich fast neun Prozent bedeuten würde. Der Markt insgesamt sei, wie PAC-Geschäftsführer Christophe Chalons betont, von einer "hohen Reife" gekennzeichnet, gleichzeitig werde "die Abschottung der Märkte zwischen einzelnen Auto-Herstellern respektive ihren IT-Töchtern abnehmen".

PAC-Kurzanalyse

Dank seiner internationalen Aufstellung mit 50 Standorten in 13 Ländern, darunter vor allem der Konzentration auf den chinesischen Zulieferermarkt mit inzwischen mehr als 120 Anbietern, ist Gedas als Vollsortimenter (Beratung, Projekt-Management, Systemintegration, Softwareentwicklung, Outsourcing) gut positioniert, meinen die Analysten von Pierre Audoin Consultants (PAC). Schwächen haben die Berliner nach Meinung der Experten allerdings noch im Outsourcing-Geschäft, das "stärker ausgeprägt sein könnte - vor allem in Deutschland". Ob Gedas mit der nun angekündigten weitreichenderen Emanzipation vom Mutterkonzern noch häufiger als bisher in der Gerüchteküche als Übernahmekandidat gehandelt werden dürfte, lässt Geschäftsführer Chalons trotz des erneuten Dementis von Aufsichtsratschef Dieter Schacher offen: "Das hängt davon ab, ob VW wie seinerzeit Daimler-Chrysler beim Verkauf von Debis Geld braucht."