Gedanken zur "SYSTEMS' 75"

24.10.1975

Gerd vom Hövel, Geschäftsführer der Münchener Messe- und Ausstellungsgesellschaft mbH

Als Konrad Zuse, im Jahre 1941 seine Z 3, den ersten einsatzfähigen programmgesteuerten Rechner herausbrachte, dachte noch niemand daran, welche grundsätzlichen Änderungen im Privat- und Berufsleben kommender Generationen durch diese Neuerung herbeigeführt werden. Jedenfalls konnte der deutsche Computer-Pionier nicht ahnen, daß seine Entwicklung sogar zu einem kostspieligen Modebegriff hinauswachsen könnte. Aber leider, so war es.

Nach der Phase des Mißtrauens und des mit verständlichen Schwierigkeiten verbundenen Übergangs von den konventionellen zu den computerunterstützten Arbeiten kam eine echte Computer-Modewelle auf uns zu. Den eigenen programmgesteuerten elektronischen Rechner in den eigenen vier Wänden zu haben, war ja fast zu einer Image-Frage geworden. Dann aber wurde der Anwender kritischer - aufgrund eigener Erfahrungen kann man wohl sagen. Und endlich, in den letzten Jahren, begann man auch an den Endbenutzer zu denken.

In der Sprache des Historikers würde es heißen: Das waren die wichtigsten Epochen der etwas mehr als ein viertel Jahrhundert alten Computergeschichte. Also nur etwas mehr als ein viertel Jahrhundert und bereits vier sich voneinander deutlich unterscheidende Epochen. Dann kann es auch nicht verwunderlich sein, daß die Vorstellung über Wesen, Aufgaben, Möglichkeiten und Auswirkungen des Computer-Einsitzes noch immer nicht ganz klar, gesehen werden.

Der Zeitpunkt, zu dem jede Person mit Computer-Produkten oder Computer-Ergebnissen in Berührung kommt, war bereits Ende der 60er Jahre abzusehen. Es war also höchste Zeit, eine internationele Plattform zu schaffen, für den Erfahrungsaustausch der Anwender untereinander, für das kritischkonstruktive Gespräch zwischen den Anwendern und Herstellern und nicht zuletzt eine Plattform, von der wesentliche Impulse ausgehen zur Richtigstellung der Funktion des Computers auch in der Öffentlichkeit. Die SYSTEMS, so wurde diese Fachveranstaltung der Münchener Messe- und Ausstellungsgesellschaft genannt, hatte also im wesentlichen drei Aufgabenkomplexe zu berücksichtigen. Erstens die wirtschaftliche Anwendung des Computers in verschiedensten Bereichen, zum zweiten Benutzerinteresse und Herstellerangebot in eine möglichst weitgehende Übereinstimmung zu bringen und drittens dem gesamten EDV-Bereich und dem Computer zum funktionsgerechten Image in der Öffentlichkeit zu verhelfen.

Beim ersten Aufgabenkomplex ging man davon aus, daß der Computer nur dann wirtschaftlich arbeiten kann, wenn man seine Eigenheiten kennt und auf diese Eigenheiten voll Rücksicht nimmt. Es hat sich schnell herausgestellt, daß die Benutzer dabei viele gemeinsame Probleme haben, aber auch genauso viele im Zusammenhang mit dem jeweiligen Tätigkeitsbereich spezifische Bedürfnisse. Diese Erkenntnis war ausschlaggebend für die Struktur der SYSTEMS im Kongreßteil sind sogenannte Basis-Seminare durchgeführt worden, wo die allgemeine Problematik behandelt wurde, und anschließend parallel laufende Seminare der einzelnen Benutzergruppen, wo es in die für bestimmte Benutzergruppen charakteristische Details ging.

Die allgemein relevanten marktwirtschaftlichen Regeln gelten auch auf diesem Gebiet: die Industrie muß verkaufen können, der Abnehmer will das für ihn Richtige kaufen.

Unter diesen Voraussetzungen ist es noch schwieriger als anderswo, die genannten Interessen der Industrie und der Abnehmer in Einklang zu bringen. Daher das kritischkonstruktive Gespräch zwischen Benutzer und Hersteller als wesentlicher Punkt in der Konzeption der SYSTEMS und eine einmalige Einrichtung in der internationalen Messepraxis: organisierte Zusammenarbeit zwischen Besuchergruppen und Ausstellern bereits in der Vorbereitung der Veranstaltung.

Wenn Emotionen und Realitäten vermischt werden, kann so etwas wie Computer-Furcht entstehen. Dies besonders auch im Zusammenhang mit der Tatsache, daß Wirtsdwtlichkeit und Rationalisierung in der Endkonsequenz im Konflikt mit fundamentalen Ansprüchen des Bürgers stehen. Der Anspruch, nicht als Nummer behandelt zu werden, sowie auch Schutz der Privatsphäre und der gespeicherten Individualdaten sind mit der wirtschaftlichen Computernutzung in Einklang zu bringen. In einer qualifizierten Form muß diese Möglichkeit in der Öffentlichkeit klar dargestellt werden. Auch dieser Aufgabe hat sich die SYSTEMS angenommen.

In der Zwischenzeit stehen wir vor der dritten Durchführung der SYSTEMS dieser Konzeption. Bezeichnend für die Münchner Computermesse ist, daß sie von und mit der Entwicklung auf dem Gebiet der Computeranwendung geprägt und gefördert wurde. Man kann eine fast identische Entwicklung feststellen bei den einleitend geschilderten Epochen der Computergeschichte und den Leitthemen der SYSTEMS-Veranstaltungen. Im Jahre 1971 stand die SYSTEMS unter dem Motto "Der Anwender ist mündig geworden", zwei Jahre später hieß es "Wirtschaftliche Computernutzung - Herausforderung an Anwender und Hersteller", und für den 27. bis 31. Okt. 1975 wird das Leitthema heißen "Computer auf dem Weg zum Endbenutzer".