Ratgeber

Gebrauchtsoftware - pro und kontra

03.11.2006
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Softwarehersteller Oracle und Softwarehändler Usedsoft streiten über die Rechtmäßigkeit des Handels mit gebrauchten Softwarelizenzen. Für die COMPUTERWOCHE beziehen die Anwälte beider Seiten Stellung.

PRO

Müssen Anwender, die in der Vergangenheit gebrauchte Lizenzen gekauft haben, nun rechtliche Konsequenzen fürchten?

Das Urteil des OLG München betraf nur Oracle-Software-Lizenzen, und dann auch nur, wenn diese online übertragen wurden. Der Handel mit auf Datenträger verkaufter Software war nicht Gegenstand des Streits. Daraus folgt, dass Anwender von Softwareprogrammen anderer Hersteller, die nicht online übertragen wurden, durch das Urteil des OLG München vom 3. August 2006 derzeit keine Konsequenzen fürchten müssen. Diese könnten Anwendern drohen, die in der Vergangenheit gebrauchte online übertragene Oracle-Lizenzen gekauft haben. Da jedoch Usedsoft niemals online übertragene Oracle-Lizenzen verkauft hat, sind die Kunden der Usedsoft vom Urteil des OLG München gar nicht betroffen.

Andreas Meisterernst ist Seniorpartner in der Kanzlei Meyer/Meisterernst und vertritt Usedsoft: "Kunden sollten auf Datenträger achten"
Andreas Meisterernst ist Seniorpartner in der Kanzlei Meyer/Meisterernst und vertritt Usedsoft: "Kunden sollten auf Datenträger achten"

Können Anwender derzeit Second-Hand-Software einkaufen, und was ist dabei zu beachten?

Grundsätzlich können Anwender nach wie vor Second-Hand-Software ein- und verkaufen. Sie sollten jedoch darauf achten, dass sie beim Kauf auch die zugehörigen Datenträger erhalten. Damit sichern sie sich das Recht, diese Software weiterzuveräußern. Lizenzbestimmungen der Hersteller können den Weiterverkauf dann grundsätzlich nicht verbieten. Basis dafür ist nach wie vor ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2000. Damals ging es um OEM-Software, die nach den Lizenzbestimmungen von Microsoft nur zusammen mit Hardware veräußert werden durfte. Dennoch hatte ein Händler diese isoliert weiterveräußert. Der BGH hatte dem Händler Recht gegeben, da das Gericht eine vertragliche Beschränkung der Erschöpfungswirkung als unzulässig ansah. In die gleiche Richtung hat auch das OLG München in einem Urteil vom 12. Februar 1998 entschieden. Ein Softwarehersteller kann nicht über seine Lizenzbestimmungen verhindern, dass ein als Update in den Verkehr gebrachtes, aber der Vollversion entsprechendes Computerprogramm nach Entfernen des "Upgrade"-Aufklebers von einem Händler als Vollversion weiterverkauft wird. Aufgrund der eingetretenen Erschöpfungswirkung war die Software für jede Weiterveräußerung frei.

Wie wird sich das jüngste Urteil auf den Markt und das Angebot an Gebrauchtlizenzen auswirken?

In Bezug auf Software, die auf Datenträger in den Verkehr gebracht wird, hat sich durch das Urteil des OLG München an der Rechtslage nichts geändert. Diese Software darf grundsätzlich an- und verkauft werden. Das Urteil hat rechtlich insoweit keine Auswirkungen auf den Markt. Außerdem bedeutet der Spruch nur eine vorläufige Regelung. Er beinhaltet keine abschließende Entscheidung der hoch umstrittenen Rechtsfrage, ob der Erschöpfungsgrundsatz aus Paragraph 69 c Nr. 3 Satz 2 Urheberrechtsgesetz analog auch auf online übertragene und verkaufte Software Anwendung findet.

Es folgt noch das Hauptsacheverfahren, an dessen Ende wahrscheinlich eine Entscheidung des BGH stehen wird. Durch das OLG-Urteil vom 3. August 2006 wurde nur die spezielle Fallkonstellation entschieden, bei der Oracle-Lizenzen online in den Verkehr gebracht wurden. Darüber hinausgehende Verallgemeinerungen können alleine schon deshalb aus dem Urteil des OLG München nicht gezogen werden, da die Urteilsbegründung denkbar knapp gehalten ist. Insgesamt halten wir das Urteil des OLG München inhaltlich für unzutreffend. Es darf urheberrechtlich keinen Unterschied machen, ob der Softwareanwender die Software per Online-Übertragung auf seinen Rechnern installiert oder auf anderem Wege. Diese Auffassung vertritt auch ein Großteil der juristischen Fachliteratur.