Gebrauchtsoftware - pro und kontra

30.10.2006
Von Andreas Meisterernst und Christoph Rittweger 
Softwarehersteller Oracle und Softwarehändler Usedsoft streiten über die Rechtmäßigkeit des Handels mit gebrauchten Softwarelizenzen. Für die COMPUTERWOCHE beziehen die Anwälte beider Seiten Stellung.

Müssen Anwender, die in der Vergangenheit gebrauchte Lizenzen gekauft haben, nun rechtliche Konsequenzen fürchten?

Dies kann in Einzelfällen nicht ausgeschlossen werden. Zwar hat das OLG München im Urteil vom 3. August 2006 nur entschieden, dass Usedsoft aus rechtlichen Gründen daran gehindert ist, "gebrauchte Softwarelizenzen" eines bestimmten Herstellers zu veräußern. Dieses Urteil kann jedoch verallgemeinert werden. Es betrifft das Geschäftsmodell all derjenigen Gebrauchtsoftwarehändler, die von Unternehmen "gebrauchte Softwarelizenzen ankaufen", um diese auf einem Sekundärmarkt zu veräußern. Für "gebrauchte Softwarelizenzen" wird dabei üblicherweise unter Hinweis auf deren aktuellen Wartungsstand geworben. Als rechtliche Folge des zitierten Urteils können die "Käufer gebrauchter Softwarelizenzen" keine Nutzungsrechte erwerben und würden durch eine Nutzung die Urheberrechte der betroffenen Hersteller verletzen. Der gutgläubige Erwerb der Nutzungsrechte ist nicht möglich. Auch dann nicht, wenn der angeblich "rechtmäßige" Erwerb der Lizenzen durch ein "Notartestat" bestätigt wird. In der Folge können Hersteller gegen die betroffenen Anwender unter anderem Anspruch auf Auskunft über den Umfang der rechtswidrigen Nutzung sowie Zahlung von Schadensersatz geltend machen.

Können Anwender derzeit Second-Hand-Software einkaufen, und was ist dabei zu beachten?

Vom "Kauf" von Second-Hand-Software ist derzeit dringend abzuraten. Dies gilt nach dem Urteil des OLG München uneingeschränkt für gebrauchte Lizenzen, die vollständig oder teilweise per Download zur Verfügung gestellt wurden. Die bislang üblichen Angebote der Gebrauchtsoftwarehändler, "gebrauchte Softwarelizenzen" auf aktuellem Wartungsstand anzubieten, sind von dem Urteil des OLG München unmittelbar betroffen. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der aktuelle Wartungszustand regelmäßig nur durch fast ausschließlich online verfügbare Updates und Upgrades erreicht wird. Ein Handel mit bloßen Lizenzen ohne Weitergabe eines Datenträgers ist daher immer unzulässig, auch dann, wenn der ursprüngliche Lizenznehmer selbst einen Originaldatenträger hat. Nicht zu entscheiden hatte das OLG München, ob unter bestimmten Voraussetzungen die Weitergabe von Datenträgern, die von einem Hersteller stammen und seine Programme enthalten, zulässig ist. Auch hier ist deshalb Vorsicht geboten. Der Ersterwerber kann, etwa im Rahmen eines Softwaremietvertrages, beispielsweise lediglich ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht haben. Denkbar ist auch, dass lediglich eine Raubkopie veräußert wird. Selbst wenn diese Unsicherheitsfaktoren ausgeschlossen werden können, bleibt zu beachten, dass ein gebrauchter Originaldatenträger ohne jeden Support und ohne Wartung verkauft wird.

Wie wird sich das jüngste Urteil auf den Markt und das Angebot an Gebrauchtlizenzen auswirken?

Die Auswirkungen sind schwer abzuschätzen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden Gebrauchtsoftwarehändler ihre Kunden künftig bereits im eigenen Interesse darauf hinweisen, dass der Erwerb "gebrauchter Lizenzen" nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung nicht wirksam ist. Im Hinblick auf das Urteil des OLG München könnte es sogar in Betracht kommen, die Nichtaufklärung der Anwender als rechtlich erhebliche Täuschung im Sinne des Betrugstatbestandes zu qualifizieren. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass es zur Frage der Rechtmäßigkeit des Handels mit "gebrauchten Lizenzen" mit dem Urteil des OLG München erstmalig eine rechtskräftige Entscheidung gibt. Die Frage, ob der Anwender Nutzungsrechte erwirbt oder nicht, ist von zentraler Bedeutung für den Abschluss des Vertrages. Über solche Umstände ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann aufzuklären, wenn die andere Partei nicht ausdrücklich nachfragt. Selbst wenn ein Betrug durch den Gebrauchtsoftwarehändler verneint werden sollte, verbleiben den Anwendern ihre Rechte wegen Mängeln oder gegebenenfalls das Recht zur Anfechtung des "Kaufvertrags" wegen arglistiger Täuschung.

Müssen Anwender, die in der Vergangenheit gebrauchte Lizenzen gekauft haben, nun rechtliche Konsequenzen fürchten?

Das Urteil des OLG München betraf nur Oracle-Software-Lizenzen, und dann auch nur, wenn diese online übertragen wurden. Der Handel mit auf Datenträger verkaufter Software war nicht Gegenstand des Streits. Daraus folgt, dass Anwender von Softwareprogrammen anderer Hersteller, die nicht online übertragen wurden, durch das Urteil des OLG München vom 3. August 2006 derzeit keine Konsequenzen fürchten müssen. Diese könnten Anwendern drohen, die in der Vergangenheit gebrauchte online übertragene Oracle-Lizenzen gekauft haben. Da jedoch Usedsoft niemals online übertragene Oracle-Lizenzen verkauft hat, sind die Kunden der Usedsoft vom Urteil des OLG München gar nicht betroffen.

Können Anwender derzeit Second-Hand-Software einkaufen, und was ist dabei zu beachten?

Grundsätzlich können Anwender nach wie vor Second-Hand-Software ein- und verkaufen. Sie sollten jedoch darauf achten, dass sie beim Kauf auch die zugehörigen Datenträger erhalten. Damit sichern sie sich das Recht, diese Software weiterzuveräußern. Lizenzbestimmungen der Hersteller können den Weiterverkauf dann grundsätzlich nicht verbieten. Basis dafür ist nach wie vor ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2000. Damals ging es um OEM-Software, die nach den Lizenzbestimmungen von Microsoft nur zusammen mit Hardware veräußert werden durfte. Dennoch hatte ein Händler diese isoliert weiterveräußert. Der BGH hatte dem Händler Recht gegeben, da das Gericht eine vertragliche Beschränkung der Erschöpfungswirkung als unzulässig ansah. In die gleiche Richtung hat auch das OLG München in einem Urteil vom 12. Februar 1998 entschieden. Ein Softwarehersteller kann nicht über seine Lizenzbestimmungen verhindern, dass ein als Update in den Verkehr gebrachtes, aber der Vollversion entsprechendes Computerprogramm nach Entfernen des "Upgrade"-Aufklebers von einem Händler als Vollversion weiterverkauft wird. Aufgrund der eingetretenen Erschöpfungswirkung war die Software für jede Weiterveräußerung frei.

Wie wird sich das jüngste Urteil auf den Markt und das Angebot an Gebrauchtlizenzen auswirken?

In Bezug auf Software, die auf Datenträger in den Verkehr gebracht wird, hat sich durch das Urteil des OLG München an der Rechtslage nichts geändert. Diese Software darf grundsätzlich an- und verkauft werden. Das Urteil hat rechtlich insoweit keine Auswirkungen auf den Markt. Außerdem bedeutet der Spruch nur eine vorläufige Regelung. Er beinhaltet keine abschließende Entscheidung der hoch umstrittenen Rechtsfrage, ob der Erschöpfungsgrundsatz aus Paragraph 69 c Nr. 3 Satz 2 Urheberrechtsgesetz analog auch auf online übertragene und verkaufte Software Anwendung findet. Es folgt noch das Hauptsacheverfahren, an dessen Ende wahrscheinlich eine Entscheidung des BGH stehen wird. Durch das OLG-Urteil vom 3. August 2006 wurde nur die spezielle Fallkonstellation entschieden, bei der Oracle-Lizenzen online in den Verkehr gebracht wurden. Darüber hinausgehende Verallgemeinerungen können alleine schon deshalb aus dem Urteil des OLG München nicht gezogen werden, da die Urteilsbegründung denkbar knapp gehalten ist. Insgesamt halten wir das Urteil des OLG München inhaltlich für unzutreffend. Es darf urheberrechtlich keinen Unterschied machen, ob der Softwareanwender die Software per Online-Übertragung auf seinen Rechnern installiert oder auf anderem Wege. Diese Auffassung vertritt auch ein Großteil der juristischen Fachliteratur.