GATT Kodex mit bindender Wirkung ist entscheidend

03.03.1989

Günther E. W. Möller Geschäftsführer der Fachgemeinschaft Büro- und Informationstechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), Frankfurt

Zu den wichtigsten Faktoren, die die künftige Geschäftsentwicklung der deutschen informationstechnischen Industrie beeinflussen, gehört zweifellos ein multilaterales Handelssystem, das die ordnungspolitische Idee der Freiheit des grenzüberschreitenden Handels möglichst weitgehend verwirklicht. Im Kampf gegen Protektionismus und Dirigismus im internationalen Handel ist das GATT - Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen - die einzige Institution, die sich wirksam um eine internationale Ordnungspolitik bemüht, indem sie Handelsregeln formuliert, die zur verbindlichen Verpflichtung für die 96 Mitgliedsländer werden können.

Auf der Ministerkonferenz in Punta del Este im September 1986 einigten sich die Mitgliedsstaaten des GATT, in eine neue Verhandlungsrunde - die sogenannte Uruguay-Runde - einzutreten, in der erstmals auch die von der informationstechnischen Industrie weltweit geforderten, neu in den Verhandlungskatalog aufgenommenen Themen Handel mit Dienstleistungen, Handelsaspekte des Schutzes geistigen Eigentums und handelsbezogene Investitionsmaßnahmen auf der Tagesordnung stehen.

Diese neuen GATT-Themenbereiche sind für die büro- und informationstechnische Industrie von so herausragender Bedeutung, daß sie näher beleuchtet werden sollen. Daneben wird auch der weitere Abbau der Zölle und der nichttarifären Handelshemmnisse eine wichtige Rolle spielen.

Eine erfolgreiche Liberalisierung des internationalen Handels mit Dienstleistungen setzt voraus, daß alle Handelsformen im Dienstleistungsverkehr durch einen erweiterten Handelsbegriff abgedeckt werden. Dieser muß sowohl den rein grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel als auch den Handel unter temporärer oder permanenter Präsenz des Anbieters im nationalen Markt umfassen. Auch das gesamte Spektrum handelbarer Dienstleistungen - dazu gehören Telekommunikations- und Informationsdienstleistungen - sind in die Verhandlungen einzubeziehen.

Grundregeln für eine Liberalisierung des internationalen Handels mit Dienstleistungen sind unter anderem: Transparenz der Gesetze und Regularien, die dem ausländischen Anbieter Planungssicherheit gibt; Inländerbehandlung, die die Gleichbehandlung von ausländischen und inländischen Anbietern gewährleistet; Nichtdiskriminierung/Meistbegünstigung, die allen Vertragsstaaten die Rechte sichert, die einer Partei bilateral eingeräumt wurden; Marktzugangsrechte auch bei öffentlichen Monopolen.

Verletzungen der Rechte am geistigen Eigentum, vor allem in Schwellenländern, fügen der Industrie weltweit Schäden in Milliardenhöhe zu und beeinträchtigen den freien Handel in empfindlicher Weise. Die informationstechnische Industrie erwartet insbesondere Verbesserungen beim urheberrechtlichen Schutz von Computerprogrammen, die als hochwertige Qualitätsprodukte mit minimalen Kosten durch "elektronisches Kopieren" praktisch auf Knopfdruck reproduziert und massenhaft international vertrieben werden.

Entscheidend für ein befriedigendes Verhandlungsergebnis ist deshalb, daß ein GATT-Kodes erarbeitet wird, der bindende Wirkung hat und für die einzelnen Schutzrechte und ihre Durchsetzung Standards setzt. GATT-Sanktionen sollen für den Fall vorgesehen werden, daß ein Unterzeichnerstaat diesen Kodex nicht beachtet.

Die materiellen Schutzstandards müssen im Bereich des Urheberrechts der allgemeinen anerkannten "Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst" entsprechen. Zur Durchsetzung der Schutzrechte müssen wesentliche Elemente nationaler Regelungen über Grenzkontrollen, die Beweisführung bei Verletzungs Handlungen, zivilrechtliche Rechtsmittel und strafrechtliche Sanktionen international vereinbart werden. Die informationstechnische Industrie fordert, daß für Computerprogramme insoweit keine eigenständigen Schutzstandards vereinbart werden, sondern daß sie literarischen Werken gleichgestellt und als solche nach der sogenannten Berner Übereinkunft behandelt werden.

Bei den GATT-Verhandlungen im Dezember 1988 in Montreal konnte eine Einigung noch nicht erzielt werden, unter anderem weil ein Teil der Entwicklungsländer schon das Vorliegen eines entsprechenden Verhandlungsmandats bestreitet. Beklagenswert ist, daß sich die Europäische Gemeinschaft nach wie vor nicht für die Verbindlichkeit der Schutzstandards einsetzt. Die europäische informationstechnische Industrie unterstützt deshalb, wie ihre Schwester-Industrien in Übersee, die Position der USA und Japans, die einen bindenden, alle handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums umfassenden Kodex fordern.

Neben den bereits erwähnten neuen Themenbereichen werden erstmals in einer GATT-Runde auch Handelsprobleme im Zusammenhang mit Direktinvestitionen erörtert. Die Uruguay-Runde bietet damit die Aussicht auf eine GATT-gerechte Behandlung von Auslandsinvestitionen, das heißt die Einschränkung von staatlichen Investitionsregelungen, die handelsbeschränkende und/oder -verzerrende Wirkung haben. Hierbei sind jedoch noch viele Fragen offen.

Insgesamt bietet das Verhandlungsmandat der Ministerkonferenz von Punta del Este die Aussicht, auf dem Weg zur Verwirklichung der ordnungspolitischen Idee von der Freiheit des Welthandels ein Stück voranzukommen. Voraussetzung ist jedoch, daß die Staaten in den Regeln des GATT nicht zuerst ein Hemmnis sehen, ihre nationalen Interessen zu verfolgen, sondern daß die Verhandlungen von der Erkenntnis getragen werden, daß Protektionismus keine Lösung für wirtschaftliche Probleme ist, sondern auf Dauer weniger Wohlstand für alle bringt.

Insbesondere die EG und die USA bleiben aufgefordert, vor allem Kompromißlösungen für eine Reform des internationalen Agrarhandels zu finden, wovon der Erfolg der Uruguay-Runde letztlich ganz entscheidend abhängen wird. Die für wachstumsstarke Zukunftsindustrien so wichtige Liberalisierung des grenzüberschreitenden Güter- und Dienstleistungsaustausches sowie ein wirksamer Schutz ihrer kostspieligen Entwicklungen, darf nicht länger an einer Überbewertung von Problemen im Agrarbereich scheitern, wie es in Montreal leider offenbar wurde.