Kolumne

Gates spielt va banque

07.04.2000
Christoph Witte, Chefredakteuer CW

Unter den gegebenen Umständen hat Microsoft in der ersten Instanz des Antitrust-Prozesses (siehe Seite 1) das bestmögliche Ergebnis erzielt. In Anbetracht der vom Department of Justice (DOJ) zusammengetragenen Fakten und der Ungereimtheiten, die Microsoft-Manager inklusive Bill Gates vor Gericht von sich gaben, konnte niemand in Redmond mehr ernsthaft damit rechnen, dass der Konzern ungeschoren davonkommen würde.

Mit dieser erstinstanzlichen Feststellung, ein Monopolist zu sein, der seine marktbeherrschende Stellung ausnutzt, um Wettbewerbern im Internet-Geschäft das Wasser abzugraben, kann Microsoft zumindest für den Anfang besser leben als mit einem sofort wirksamen Vergleich. Noch sind mit dem Urteil keine Sanktionen verbunden, und diese würden - wenn überhaupt - erst nach einer oder mehreren Berufungsverhandlungen wirksam. In diesem Licht gesehen, erscheint auch die Panik an den Börsen überzogen.

Wäre es zu einem außergerichtlichen Vergleich gekommen - vor 14 Tagen sah es kurz so aus -, wäre Microsoft dagegen gezwungen gewesen, schnell ein paar unangenehme Kompromisse einzugehen: Im Gespräch waren beispielsweise die Entbündelung von Betriebssystem und Browser, das Offenlegen der Schnittstellen, so dass unabhängige Softwarehäuser auch ohne den Segen der Gates-Company Tools und Applikationen für Windows 98 und 2000 hätten schreiben können. Außerdem hätte Microsoft wahrscheinlich seine Lizenzverträge mit OEM-Partnern überarbeiten müssen.

Nie zur Diskussion stand für Gates allerdings die Frage, ob und welche Funktionen Microsoft in Windows integrieren darf und wann das Unternehmen neue Versionen seines Betriebssystems herausbringt. Diese Linie hat der Microsoft-Gründer aus gutem Grund nie verlassen: Wenn sein Unternehmen Windows nicht mehr nutzen kann, um in neue Märkte vorzudringen oder zumindest andere Unternehmen daran zu hindern, wäre Microsoft plötzlich ein Spieler unter vielen. Das weiß Gates und spielt va banque.

Selbst wenn das Justizministerium jetzt den Antitrust Expediting Act nutzen und gleich den Supreme Court anrufen würde, bekäme Microsoft doch das Wichtigste: genügend Zeit, um seine Marktposition im Internet-Geschäft auszubauen.