Microsoft-Boss fürchtet technologischen Rückschritt

Gates im Zeugenstand

26.04.2002
WASHINGTON (CW) - Sollten die Kläger im US-amerikanischen Kartellverfahren Recht bekommen, sehe Microsoft einer düsteren Zukunft entgegen, warnte Unternehmensgründer Bill Gates in seiner Zeugenaussage. Das Betriebssystem Windows würde technologisch um zehn Jahre zurückgeworfen. Dies hätte negative Folgen für die die gesamte Computerindustrie.

Anlässlich seines ersten persönlichen Auftritts während des Kartellprozesses warnte Gates vor einer zurechtgestutzten Basisvariante von Windows. Eine solche Reduktion würde eine stabile Plattform für Hard- und Software gefährden. Außerdem sei es technisch unmöglich, das Betriebssystem von Middleware wie dem Browser und Multimedia-Software zu trennen.

Genau das fordern jedoch die neun US-Bundesstaaten, denen die im letzten Jahr ausgehandelten Sanktionen gegen den Softwarekonzern nicht weit genug gehen. Demnach soll Microsoft schlankere Versionen seines Windows-Systems anbieten und Teile des Programmcodes offen legen.

Sollte sich Richterin Colleen Kollar-Kotelly dieser Argumentation anschließen, stehe die Weiterentwicklung des Betriebssystems auf dem Spiel, prognostiziert Gates. Außerdem müsste sein Unternehmen geistiges Eigentum preisgeben. Die Konkurrenten erhielten damit einen unfairen Wettbewerbsvorteil.

Mit seinem ersten persönlichen Auftritt vor Gericht während des mittlerweile vier Jahre dauernden Kartellverfahrens versuchte Gates, Pluspunkte für sein Unternehmen zu sammeln. Dabei haben viele Microsoft-Anhänger schon das Schlimmste befürchtet. Bei seiner Aussage 1998 hatte er sich in einer Videoaufzeichnung ausweichend und unwissend präsentiert. Viele Fragen beantwortete er damals mit "Ich weiß nicht" oder "Ich kann mich nicht erinnern". Der damalige Richter Thomas Jackson wertete das Verhalten als trotzig und arrogant. Gates'' Aussagen, die der seinerzeit zuständige Staatsanwalt mit Hilfe von E-Mails widerlegen konnte, veranlassten Jackson, in seinem Urteilsspruch eine Zerschlagung des Konzerns zu fordern.

Solche Ausrutscher leistete sich der Microsoft-Chairman diesmal nicht. Allerdings vermochte er der Beweisführung von CEO Steve Ballmer und seinen Anwälten keine neuen Impulse zu geben. Im Grunde berief sich Gates auf die bereits bekannten Argumente der Microsoft-Verteidigung. Ob er damit seiner Sache dienen konnte, bleibt abzuwarten. Bislang hat sich die Richterin mit Fragen an die Zeugen zurückgehalten.

Pluspunkte zu sammeln scheint angesichts der Pannen während der letzten Wochen auf Microsoft-Seite dringend notwendig. So räumte AMD-Chef Jerry Sanders ein, mit seiner Zeugenaussage zugunsten Microsofts Bill Gates einen Gefallen getan zu haben. Den Inhalt der von den Klägern geforderten Sanktionen habe er nie gelesen. Bei Wirtschaftsprofessor Kevin Murphy, der die geforderten Strafmaßnahmen als nicht gerechtfertigt zurückwies, stellte sich heraus, dass er als Berater jahrelang auf der Gehaltsliste Microsofts stand. (ba)