Gastkommentar/

01.11.1996

Was ist eigentlich aus CASE (Computer Aided Software Engineering) geworden? James Martin, der große Softwareguru der 80er Jahre, hatte eine Revolution der Software-Entwicklung durch den Einsatz von CASE-Werkzeugen vorausgesagt: Als "Programming without Programmers" sollte sie weitgehend automatisiert und erleichtert werden. Eine Vision, doch wie steht es mit der Realität? Die Umsatz-, mehr noch die Einsatzstatistiken belegen, daß das CASE-Konzept, gemessen an seinem Anspruch, gescheitert ist.

Dafür gibt es Gründe. CASE-Werkzeuge sind nicht einfach zu bedienen, sondern stellen Ansprüche an ihre Anwender, die diese oft nicht erfüllen können. Nicht umsonst ist CASE-Beratung ein besseres Geschäft als der Verkauf dieser Produkte. Deren Integration mit vorhandenen Tools ist viel komplexer, als Martin vollmundig behauptet hatte. Die CASE-Werkzeuge sind eine Art proprietäres Gefängnis.

In den 80er Jahren habe auch ich an den CASE-Ansatz geglaubt, ähnlich wie in den 40er Jahren an den Weihnachtsmann, in den 60ern an die Unschlagbarkeit der amerikanischen Armee und in den 70ern an die strukturierte Programmierung. Ebensowenig wie letztere bedeutet CASE das Ende aller Softwareprobleme. CASE eignet sich für geschlossene Stand-alone-Applikationen mit eigenen Daten und Funktionen, nicht aber, wenn eine Anwendung oder eine komplette DV in eine fremde Umgebung einzubinden ist.

Etliche Anwender haben kräftig in CASE investiert, geben aber nicht zu, sich damit auf dem Holzweg zu befinden. Falls Sie erst im laufenden Jahrzehnt mit CASE angefangen haben, sollten Sie schnellstens weitere Investitionen stoppen, nach dem Motto: "Don't throw good money after bad." Was sich nicht schnell amortisiert, ist mit Vorsicht zu genießen.