Gastkommentar

19.07.1996

Die deutsche IT-Industrie ist besser als ihr Ruf. Sie produziert jährlich Hardware im Wert von 14 Milliarden Mark, erstellt Software für ungefähr acht Milliarden Mark und setzt mit Dienstleistungen gut 21 Milliarden Mark um. Seit 1960 wurde die Produktion um den Faktor 35 gesteigert. Etwa 230000 Erwerbstätige arbeiten heute direkt in der IT-Branche, indirekt profitieren mindestens noch einmal so viele Arbeitsplätze davon. Zusätzlich sind etwa 550000 Personen in der Software-Entwicklung bei Anwendern beschäftigt.

Die Informationstechnik trägt heute vier Prozent zum deutschen Arbeitsplatzangebot bei. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie im Vergleich mit ihren stärksten internationalen Wettbewerbern Nachholbedarf hat. Vor zwanzig Jahren, als die Globalisierung der IT-Märkte in Schwung kam, hat man sich besonders auf Europa konzentriert. So steht heute einem Plus von drei Milliarden Mark im EU-Handel ein globales Bilanzdefizit von 13 Milliarden Mark gegenüber.

Der europäische Markt kann aber nur eine Zwischenstation zum weltweiten IT-Binnenmarkt sein. Die Chancen der deutschen Anbieter liegen im Know-how und in der Kreativität ihrer Mitarbeiter. Deshalb müssen wir unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen schaffen und innovationsbehindernde Strukturen in den Firmen aufbrechen. Wir brauchen vor allem eine steuerliche Besserstellung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, eine anwendungsnähere Forschung in den Hochschulen und einen leichteren Zugang zu Risikokapital. In den Unternehmen müssen die Bedingungen für eigenverantwortliches Arbeiten und ständige Weiterbildung der Mitarbeiter sowie für einen zeitgemäßen, offenen Führungsstil des Managements schneller als bisher geschaffen werden. Chancen gibt es genug.