Gastkommentar

23.01.1997

Technologisch schaut alles in die USA - und vergißt, daß eine handfeste, praxisnahe Kommunikationstechnik eher hierzulande zu haben ist. Gefährliche Technologiegläubigkeit! Für US-Anbieter hat der eigene Markt mit seinen speziellen Standards immer noch höchste Priorität - bevor sie an den EU-Markt denken. Das hat sich auch mit der Perspektive eines vereinten Europa kaum geändert. Niederlassungen amerikanischer Firmen in Deutschland können ein Lied davon singen.

Wie weit entfernt man dabei von einem gemeinsamen Verständnis oft ist, wurde den Anwendern eindrucksvoll mit der mangelnden Kompatibilität von US-ISDN und Euro-ISDN demonstriert. Eine Klippe, die US-Anbieter nach ein bis zwei Jahren schmerzlicher Installationserfahrung mittlerweile genommen haben. Doch schon bauen sich mit D-Kanal-Signalisierungsprotokollen wie Cornet von Siemens und TNET von Bosch Telecom für US-Kommunikationssysteme die nächsten Klippen auf. Ohne Unterstützung dieser TK-Anlagen-spezifischen Protokolle in den Netzknoten lassen sich keine wirtschaftlichen und komfortablen Unternehmensnetze aufbauen. Bleibt abzuwarten, wie lange diesmal die US-Anbieter für die Anpassung an die hiesigen Normen und Standards brauchen.

Doch der Anwender muß nicht nur diesen anfänglichen Zeitverzug ausbaden, der sich in vermehrtem Installationsaufwand und Funktionsverzicht niederschlägt. Auch beim Betrieb erweist sich, daß der Anbieter "um die Ecke" hinsichtlich der hiesigen Praxis der kompetentere Supportpartner ist. Darüber können auch "goldene" Vertriebspartnerschaften zwischen US-Herstellern und EU-Distributoren nicht hinwegtäuschen. Ist der Anwender auf schnelle Hilfe angewiesen, sitzen die Spezialisten - trotz Kommunikationssystemen - fernab in den USA.