Gast-Kommentar

14.03.1997

Vielen Carriern konnte es nicht schnell genug gehen mit der Liberalisierung des TK-Marktes. Der Sündenbock für alle Verzögerungen auf dem Weg dahin, die Deutsche Telekom, war ausgemacht. Jetzt sieht es so aus, als sollte für viele alternative Anbieter der freie Telecom-Markt eher zu früh als zu spät kommen.

Worin ihr Problem liegen könnte, hat bereits der Stratege Carl von Clausewitz vor 200 Jahren erkannt, als er von der Konzentrizität des Angriffs und der Exzentrizität der Verteidigung sprach. Die privaten Carrier konnten bei ihren Angriffen auf die Deutsche Telekom erst einmal aus verschiedenen Richtungen den gemeinsamen Feind attackieren, ohne sich um ihre Verteidigung, sprich: Dienstleistungskompetenz, zu scheren. Jetzt aber, mit jedem Monat, den der 1. Januar 1998 näherrückt, ist jeder Telekom-Gegner zur Abwehr an allen Fronten gezwungen: Nicht nur wird die scheinbar bedrängte Telekom mit ihrer Infrastruktur und ihren vertrauten Leistungen zum machtvollen Angreifer, sondern jeder alternative Carrier muß sich auch noch gegen seine Artgenossen verteidigen. Die Waffe, ein überzeugendes Service-Angebot, ist teuer und schwer herzustellen.

Viele Carrier und Allianzen gehen erst jetzt, also zu spät, daran, ihre Organisation zu konsolidieren. Offensives Marketing kann Substanzmangel auf der Durststrecke in die Gewinnzone kaum wettmachen. Möglicherweise werden in Deutschland viele Träume der privaten Carrier platzen und statt dessen britische Verhältnisse einkehren. In Großbritannien müssen sich heute, viele Jahre nach der Liberalisierung, alle anderen Carrier neben der British Telecom mit zusammen lediglich 27 Prozent des Marktes zufriedengeben - die Nummer zwei, Mercury, mit zwölf Prozent, die Nummer drei und vier, Worldcom und Cable & Wireless, mit jeweils nur drei Prozent.