Rund drei Viertel der CIOs, die das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen befragt hat, sind dieser Ansicht. Und Gartner pflichtet ihnen darin bei. Dave Aron, Vice President und Gartner Fellow sowie federführend hinsichtlich der Studie, erläuterte: "Nach dem IT-Handwerk und der Industrialisierung erleben wir mit der Digitalisierung nun quasi das dritte IT-Zeitalter. Ein Führungsstil nach dem Motto ‚Befehl und Kontrolle‘ passt nicht dort hinein." Stattdessen brauche ein CIO, der ein "Digital Leader" sein wolle, Visionen und die Fähigkeit, andere zu inspirieren.
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Doppelt so viele Digital-Chef
CIOs sind aber keineswegs die unumstrittene Speerspitze der digitalen Revolution. Nur 15 Prozent der Geschäftsführer und Vorstände sehen in ihren IT-Chefs die Digital Leaders, als die sich fast die Hälfte der CIOs selbst begreift. Hier konkurrieren die IT-Verantwortlichen häufig mit den Marketing-Chefs und mit dedizierten Chief Digital Officers (CDOs), die direkt an die Geschäftsführung berichten. Diese Position gibt es laut Gartner mittlerweile in zwölf Prozent der Unternehmen. Das bedeute eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.
- Gartner: Wie Technik die Welt verändert
Auf der diesjährigen Symposium/ITxpo wagte Gartner-Analyst Daryl Plummer zehn Vorhersagen, die er aus den Research-Ergebnissen des gesamten Marktforschungs- und Beratungsunternehmens zusammengetragen hat - einschließlich Handlungsempfehlungen für CIOs und andere Führungskräfte. Klicken Sie sich durch... - Digitalisierung
In vier Jahren wird es nur noch halb so viele Mitarbeiter in den gewohnten Business-Prozessen geben, aber fünfmal so viele Schlüsselaufgaben im digitalen Business. Wie die Gesamtbilanz aussehen wird, sagte Plummer nicht, aber Beschäftigungspolitik war auch nicht sein Thema. Ihm ging es mehr darum, zu vermitteln, dass sich die Technik immens auf die Verbesserung der Lebensqualität auswirken werde: "Wir bewegen uns aus einer Welt, wo sich Menschen verhalten, wie die Computer es wollen, in eine Welt, wo die Computer sich verhalten wie wir." Für die CIOs bedeutete das: Sie müssen neue, nicht-traditionelle IT-Rollen entwickeln und besetzen. - Transformation der Geschäftsmodelle
Spätestens 2017 wird ein "disruptives" digitales Geschäftsmodell den Markt erschüttern, das von einem Computer-Algorithmus entworfen wurde. IT-Verantwortliche sollten jetzt schon beginnen, technisch getriebene Transformationsmöglichkeiten für das Geschäft ihrer Arbeitgeber zu evaluieren. - Alles vollautomatisiert
Im Jahr 2018 werden Smart Machines und industrialisierte Services dafür sorgen, dass die Total Cost of Ownership für den Geschäftsbetrieb um 30 Prozent niedriger liegt als heute. Mit den Vorläufern solcher Maschinen und Services sollten sich vor allem CIOs aus dem Fertigungsbereich schleunigst auseinandersetzen. - Demografischer Wandel
Die weltweite Lebenserwartung wird bis 2020 um ein halbes Jahr ansteigen - dank der massenhaften Verbreitung von drahtlosen Gesundheitsmonitoren, die als Implantate oder Armbänder getragen werden können. Das wirft für die Geschäftsführer eine Reihe von Fragen auf: Wie schlägt sich diese Entwicklung in der Versicherungswirtschaft nieder? Wie lassen sich solche Devices für die Verbesserung der Mitarbeitergesundheit nutzen? Wie kann man das Risiko verringern, dass Gesundheitsdaten oder beispielsweise Herzschrittmacher gehackt werden? - Mobiles Einkaufen
Mobile digitale Einkaufsberater nehmen zu: 2016 werden 2,5 Milliarden Dollar im Online-Shopping mit Hilfe solcher Beratungssoftware ausgeführt. Für Marketing-Leiter heißt das: Sie müssen Techniken entwickeln, mit denen sie die Aufmerksamkeit nicht nur von Menschen, sondern auch von digitalen Assistenten wecken. - Neue Werbeformen
Zumindest in den USA wird schon 2017 die Hälfte des "Digitalen Kommerz" mobil vonstatten gehen. Dabei werden die Mobile-Marketing-Teams versuchen, die "mobilen Brieftaschen" wie Apple Passbook und Google Wallet direkt abzufragen - unterstützt durch das wachsende Interesse der Kunden an mobilen Bezahlsystemen. - Agile Prozesse
Digitalisierung destabilisiert Prozesse, so Plummer. 2016 werden 70 Prozent der erfolgreichen Business-Modelle freiwillig auf instabile Prozesse setzen, die sich schnell an die Kundenbedürfnisse anpassen lassen. Darauf müssen CIOs mit agilen Teams und Entwicklungsmethoden reagieren. - Kunden für Kunden
Eine bessere Kundenerfahrung wird zum A und O des wirtschaftlichen Erfolgs. 2017 wird sich mindestens die Hälfte des Forschungsaufwands für neue Consumer-Produkte mit diesem Thema beschäftigen. Dabei wird die Empfehlung von Kunde zu Kunde, wie sie heute schon über soziale Medien passiert, eine immer größere Rolle spielen. - 3D-Druck
In drei Jahren, also 2017, wird jeder fünfte Verkäufer von "soliden" Produkten im Internet 3D-Druck anbieten, um seine Angebote zu individualisieren. Die CIOs müssen sich darauf vorbereiten und ihre Prozesse, Skills sowie Techniken daraufhin überprüfen, ob sie dem gewachsen sind. - Zielgerichtet
Targeted Messaging in Kombination mit Internal-Positioning-Systemen werden 2018 den Händeln dabei helfen, 20 Prozent mehr Kunden in ihre Läden zu ziehen - nach dem Motto: Sie haben sich dieses Produkt jetzt schon sechsmal angeschaut, warum kommen Sie nicht mal rein und probieren es an? Dass dazu fleißig Kundendaten gesammelt werden müssen, versteht sich von selbst. Außerdem müssen die CIOs die Technik und die Prozesse für solche Echtzeitangebote bereitstellen.
Im Gegensatz zu diesen CDOs gelten CIOs gemeinhin als Bedenkenträger. Diese Einschätzung untermauern auch die von Gartner ermittelten Zahlen: Im EMEA-Raum äußerten 91 Prozent der befragten IT-Executives die Ansicht, Digitalisierung führe zu neuen oder größeren Risiken; nur ein Bruchteil der Studienteilnehmer fühlt sich darauf vorbereitet. 69 Prozent der CIOs räumen ein, dass ihr Risiko-Management nicht mit den Unwägbarkeiten Schritt halten könne. Aber das will auf Seiten der Geschäftsführungen wohl kaum jemand hören, wenn er sich gerade entschlossen hat, neue Wege zu gehen, um ein auslaufendes Geschäft wieder auf Trab zu bringen.
Salto vorwärts in die Digitalisierung
Doch die IT-Chefs dürfen sich nicht nur als Warner, sondern auch als Innovatoren positionieren. "Es reicht nicht, wenn sie einfach nur härter arbeiten, sie müssen sich grundsätzlich neu erfinden und alte Glaubenssätze über Bord werfen", so die Gartner-Botschaft. Denn jetzt - und nur jetzt - hätten sie eine historische Chance: Grundsätzlich ist das Topmanagement den IT-Themen gegenüber gerade besonders aufgeschlossen. Dadurch steigen auch die Chancen des CIO, Einfluss auf die Unternehmenslenker zu nehmen.
In EMEA berichten 40 Prozent der CIOs (wieder) an den CEO. Das sah in den vergangen Jahren deutlich schlechter aus - als über eine steigende Zahl von CIOs der Finanzchef wachte. Andererseits bedeutet das auch, dass immer noch 60 Prozent der CIOs erst auf der dritten Hierarchieebene angesiedelt sind. Wer das ändern will, muss laut Gartner einen Salto vorwärts ("Flip") vollbringen: Der vor zwei Jahren von den Marktauguren propagierte "Nexus of Forces" (Mobile, Cloud, Social, Big Data) sei heute Alltag, nicht der "Event Horizon".
Häufig ist Cloud erste Wahl
Wer bei diesem Begriff an Schwarze Löcher im All denkt, liegt gar nicht so falsch: Es geht um Anziehungskraft und Beschleunigung. Mehr Anziehungskraft haben beispielsweise Cloud-Services als Sourcing-Option gewonnen: Für etwa 14 Prozent der im EMEA-Raum Befragten ist Software as a Service (SaaS) mittlerweile die erste Wahl, wenn es um Anwendungen geht. 52 Prozent sehen darin eine von mehreren in Frage kommenden Möglichkeiten.
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Etwas kritischer betrachten die CIOs das Thema Infrastructure as a Service (IaaS). Aber für jeden zehnten Studienteilnehmer gibt es dazu keine Alternative mehr. Und mehr als 40 Prozent ziehen diese Option zumindest ernsthaft ins Kalkül. Als Aufgabe für 2015 gibt Aron den CIOs mit: "Trainieren Sie sich eine Warum-eigentlich-keine-Cloud-Einstellung an."
Mobil ist das neue Normal
Beschleunigt hat sich auch die Akzeptanz mobiler Zugriffstechniken, insbesondere am Kunden-Frontend: Ein Viertel der CIOs im Raum EMEA berücksichtigt den Mobile-Aspekt immer, wenn sie neue Anwendungen planen, 38 Prozent ziehen die mobile Kunden-Schnittstelle zumindest in Betracht. Hinsichtlich der nach innen, sprich: auf die Mitarbeiter, gerichteten Applikationen ist Mobile nur in jedem zehnten Unternehmen die Norm. 36 Prozent der CIOs sehen die Mobilisierung aber als Option. Aron rät den IT-Chefs, neue mobile Möglichkeiten zu nutzen: "Bauen Sie die Verwendung von kontextsensitiven Anwendungen aus."
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Von den "Post-Nexus"-Techniken setzt sich vor allem das Internet der Dinge zunehmend durch: 20 Prozent der Befragten experimentieren damit - ein Drittel davon bereits im praktischen Einsatz. Von den restlichen 80 Prozent plant ein knappes Drittel, mittel- oder langfristig in diese Technik einzusteigen. Es bleiben allerdings 55 Prozent, die keine diesbezüglichen Pläne hegen. Andere "Smart Technologies" wie Thinking Machines, Augmented Human, 3D-Printing und Robotics sind noch deutlich weiter von ihrem praktischen Einsatz entfernt. (sh)