Gartner Group warnt vor ueberzogenen Erwartungen Outsourcer und Kunden sind noch in der Schnupperphase

19.05.1995

MUENCHEN (CW) - Der Outsourcing-Trend ist nach juengsten Untersuchungen der Gartner Group ungebrochen. Allerdings laesst sich der Erfolg entsprechender Projekte bisher kaum messen. Die einschlaegige Literatur zum Thema nimmt nach Ansicht der Analysten einen zu optimistischen Standpunkt ein, da es kaum verlaessliche Daten gebe.

Die meisten heute zugaenglichen Berichte basieren nach Einschaetzung des Marktforschungs-Unternehmens auf Angaben, die in der sogenannten Honeymoon-Phase gemacht wurden - also relativ kurz nach Vertrags-abschluss. In diesem Fruehstadium ist die Euphorie in der Regel gross, da alles nach Plan zu laufen scheint. Stellen sich die erhofften Erfolge nicht sofort ein, troestet sich manches Unternehmen mit der Erwartung langfristiger finanzieller Vorteile.

Die wirklichen Belastungsproben, die zu hoeheren Kosten oder einer staerkeren organisatorischen Beanspruchung beider Partner fuehren koennen, stehen in dieser Phase noch aus. Solche Erschwernisse treten beispielsweise auf, wenn gravierende Geschaeftsveraenderungen beim Kunden stattfinden oder dramatische Fortschritte im technologischen Bereich spuerbar werden, denen sich der Dienstleister stellen muss.

Scheitern Outsourcing-Projekte, so wird dies nach Erfahrungen der Analysten von beiden Seiten heruntergespielt oder gelangt gar nicht erst an die Oeffentlichkeit. Die Kunden haetten Angst vor schlechter Publicity, wenn sie ihre Probleme oeffentlich eingestehen wuerden. Auch werde seitens der Anbieter fuer gewoehnlich alles unternommen, um das Fiasko nicht bekannt werden zu lassen.

Als weiteres Problem bezeichnet Gartner das Fehlen verlaesslicher Zahlen ueber eventuelle Einsparungen. Oeffentlich verfuegbaren Berichten seien meist nur Schaetzwerte zu entnehmen, da auch die Angaben von Firmen, die ein Outsourcing-Abkommen schloessen, in der Regel auf Annahmen beruhten.

Wer ueber Vorzuege oder Nachteile von Outsourcing befinden wolle, muesse Vergleichszahlen ueber die potentiellen Kosten einer Inhouse- DV haben. Niemand koenne jedoch sagen, wie ein Unternehmen sich mit einer eigenen IT weiterentwickelt haette. Ein weiterer Faktor sei der Ressourcenverbrauch seitens der Anwender in den Fachabteilungen, der sich vermutlich aendere, wenn die IT-Leistung von einem externen Anbieter eingekauft und nicht wie bisher mit der internen IT-Abteilung verrechnet werde.

Irritationen entstehen nach Meinung der Analysten schliesslich auch durch die unterschiedlichen Perspektiven der jeweils befragten Personen. Die Management-Etagen urteilen demnach oft anders ueber den Erfolg oder Misserfolg eines Outsourcing-Projektes als diejenigen, die tagtaeglich mit dem Dienstleister kooperieren. Entscheide sich das Management fuer Outsourcing, verfolge es oft nur ein oder zwei uebergeordnete Ziele, von denen die Belegschaft nicht einmal etwas wisse. Eine voellig andere "Erfolgsstory" koennten jene Mitarbeiter erzaehlen, die das Tagesgeschaeft genau kennen.

Trotz dieser Unwaegbarkeiten registriert die Gartner Group seitens der Anwender ungetruebtes Vertrauen in die IT-Auslagerung. Eine Befragung von 180 Anwendern anlaesslich eines Outsourcing-Symposiums habe ergeben: Bereits 60 Prozent der Teilnehmer hatten Teile ihrer Datenverarbeitung ausgelagert, und sogar drei Viertel trugen sich mit dem Gedanken, in den kommenden 18 Monaten weitere Funktionen herauszugeben. Die in frueheren Befragungen dokumentierte

starke Outsourcing-Opposition ist demnach eingebrochen.