Web

Gartner: Desktop-Linux fördert Windows-Raubkopien

30.09.2004
Laut Gartner werden vor allem in Emerging Markets immer mehr PCs mit Linux verkauft. Auf den meisten Geräten landet allerdings anschließend ein nicht lizenziertes Windows.

Gut zu Microsofts Ankündigungen bezüglich Windows XP Starter Edition passt die Einschätzung von Gartner, dass von den über elf Prozent aller in Emerging Markets mit Linux verkauften PCs drei Viertel letztlich unter einem (raubkopierten) Windows laufen.

PC-Hersteller verkaufen vor allem in preissensitiveren entstehenden Märkten immer öfter Rechner mit Linux. Sie wollen damit vor allem an den Betriebssystemkosten sparen, die bis zu 15 Prozent der Gesamtkosten eines PCs ausmachen. In Lateinamerika werden laut Gartner Dataquest dieses Jahr 12,4 Prozent aller neuen PCs mit Linux verkauft, in Osteuropa sind es 11,6 Prozent und in Asia-Pacific 9,8 Prozent (weltweit: fünf Prozent).

Während die Hardwarekomponenten in den vergangenen zehn Jahren ständig im Preis fielen, blieben die Kosten für eine Betriebssystemkopie im selben Zeitraum nahezu konstant - ihr Anteil am Preis des Komplettsystems stieg mithin. In den USA etwa bei Unternehmens-Desktops von fünf Prozent im Jahr 1996 auf heute zwölf Prozent, im asiatisch-pazifischen Raum sogar von sechs auf 15 Prozent. Angesichts schwindender Margen geraten die PC-Bauer damit zunehmend unter Druck.

Sie installieren deswegen statt des teuren Windows lieber das kostenlose Linux auf ihren Maschinen - das tun nicht nur lokale Anbieter, sondern inzwischen auch Schwergewichte wie Hewlett-Packard. Einige Anbieter packen in Regionen wie China, Russland oder Teilen von Lateinamerika das quelloffene System laut Gartner inzwischen auf 40 Prozent ihrer PCs. Dabei handelt es sich zumeist um günstige Geräte, die ohne Bildschirm, Tastatur und Maus sowie Mehrwertsteuer weniger als 300 Dollar kosten und je nach Land 15 bis 25 Prozent des Gesamtmarkts ausmachen.

Dass in vielen dieser Märke ein raubkopiertes Windows zu einem Bruchteil des Preises einer legalen Kopie zu haben ist, stimuliert den Auguren zufolge das Wachstum von Linux auf PCs. Von den 2004 in den Emerging Markets mit Linux verkauften Rechnern werden nach Einschätzung der Marktforscher 80 Prozent auf ein raubkopiertes Windows umgerüstet, womit sich die Zahl "echter" Linux-Desktops erheblich reduziert.

Während also die Anzahl mit Linux ausgelieferter PCs rapide wächst, sieht es auf installierten Rechnern ganz anders aus. Linux werde stärker in Asia-Pacific und in Europa eingesetzt, laut Gartner teilweise, weil dort einige Firmen und Behörden strategisch auf das Open-Source-System migrierten. Trotz regionaler Unterschiede bleibe Linux aber mit 1,3 Prozent Anteil am installierten PC-Markt ein Nischen-Betriebssystem. Die Auguren erwarten, dass Linux seinen Marktanteil bis Ende 2008 auf 2,6 Prozent verdoppeln kann, das quelloffene System würde dann mit Apples Mac OS gleichziehen.

Die meisten dedizierten Linux-Migrationen gebe es in Umgebungen, wo Windows und die Office-Bürosuite wenig nützlich seien, etwa an Kiosk- oder Callcenter-Arbeitsplätzen, bei Desktops mit nur einer Funktion (oder eingeschränkten) wie an Dateneingabeplätzen, bei Managed Desktops in Banken oder Handel sowie bei früheren Unix-Workstations. In diesen Fällen, so Gartner, könnten Unternehmen meist in drei Jahren oder weniger einen positiven Return on Investment erzielen, was bei der Migration von Windows auf Linux ein zentraler Gesichtspunkt sei.

Microsoft seien die starken Zuwächse bei mit Linux verkauften PCs in Emerging Markets natürlich nicht entgangen. Bis vor kurzem habe der Konzern es vorgezogen, dass Kunden dort eine Windows-Raubkopie verwenden, so Gartner, solange es der Piraterie in diesen Regionen nicht effektiv Herr werden könne. Die Starter Edition von Windows XP sei ein Beweis dafür, dass man in Redmond das Problem erkannt habe und um die Betriebssystem-Marktanteile bei neuen PCs kämpfen wolle.

Microsoft würde vermutlich ein Windows auf einem neuen Rechner auch lieber sehen, wenn die Piraterie weiterginge. Einerseits würde dadurch das Interesse nachlassen, das Desktop-Linux aufgrund seiner wachsenden Präsenz auf neuen PCs erzielt, außerdem würde der Softwareriese Umsatz mit Rechnern machen, die ansonsten mit Linux über den Tisch gingen.

Linux auf dem Desktop werde zwar reichlich Publicity zuteil, so Gartner, aber es gebe nur wenige echte große Deployments. Regierungen in Behörden hätten zwar schon mehrfach angekündigt, Tausende Nutzer auf Linux umzustellen, die meisten dieser Projekte steckten aber noch in der Evaluierungsphase. Mehr und mehr Institutionen und Firmen drohten zudem mit einer Linux-Migration, um bei Microsoft bessere Konditionen auszuhandeln.

Linux sei auf neuen PCs zwar kostenlos, umfangreiche Installationen kommen laut Gartner aber teuer. Es gebe fünf wichtige Hindernisse für die Verbreitung von Linux auf Mainstream-Desktops:

Migrationskosten: Die meisten Firmen betreiben zwischen 100 und mehreren Tausend Anwendungen, von denen die meisten auf Windows basieren. Die Umstiegskosten wären deswegen sehr hoch.

Interoperabilitätsprobleme mit anderen Anwendern innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die mit Windows und Office-Produkten arbeiten.

Probleme mit der Treiberverfügbarkeit: Plug-and-play-Fähigkeiten, etwa für Drucker oder Digitalkameras, die Windows standardmäßig unterstützt, sind bei Linux weiterhin Mangelware.

Unternehmer sind oftmals nicht willens, von Windows zu migrieren, das sie seit langer Zeit nutzen, auf eine Linux-Plattform, mit der sich sie nicht auskennen.

Höhere Schulungskosten: So wie die Migrationskosten müssen Anwender die Budgets für Schulungen und Supportanfragen erhöhen, zumindest kurzfristig.

PC-Virtualisierung könne einige dieser Kosten reduzieren, so Gartner. Große Linux-Umstellungen bei Mainstream-Anwendern seien aber nicht zu erwarten, bevor nicht alle damit verbundenen Kosten dramatisch reduziert worden seien - insbesondere die im Zusammenhang mit Interoperabilität und Benutzerfreundlichkeit. (tc)