Forth Generation Languages in acht Jahren out:

Gängige Tools negieren oft Basisanforderungen

19.10.1984

BERLIN (mer)- Zunehmend wird der Markt mit computerunterstützenden Werkzeugen überschwemmt, die die einzelnen Phasen des Software-Erstellungs-Prozesses sowie die entsprechenden Verfahren und Methoden maschinell unterstützen. Rege Diskussionen während der "Compas '84" zu diesem Themenkreis machten jedoch deutlich, daß DV-Verantwortliche und selbst Softwarespezialisten Schwierigkeiten haben, die Wirksamkeit der angebotenen Werkzeuge zu überprüfen und die für ihre Zwecke bestgeeigneten herauszufiltern.

"Obwohl heute bereits brauchbare und zuverlässige Lösungen bestehen, sind wir noch weit von einem abschließenden Stand entfernt", konstatierte Dr. Reinhold Thurner von der Schweizer Sodecon AG in seinem Fachvortrag über Trends in der Integration von Softwarewerkzeugen. Der Abstand zwischen der täglichen Praxis und den Empfehlungen und Forderungen der "Gurus" sei größer denn je.

Hinzu komme die Unübersichtlichkeit des Marktes, kritisierte Thurner weiter, und so wähle der Anwender nicht selten den Weg der geringsten Veränderung. Aber auch die Einführung durch radikale Veränderung bezeichnete der Referent als eine Strategie mit hohem Risiko. Denn ein Fehler in der Einschätzung sei nicht nur ein Problem für die DV-Abteilung, sondern vielmehr für das Unternehmen als Ganzes.

Dieses Vorgehen werde von den Anwendern mit Recht nicht mehr akzeptiert. Frotzelte der Softwareprofi: "Die User haben schon zu viele Lösungen kommen und gehen sehen." Nach Meinung Thurners sollte die Einführungsstrategie bei Werkzeugen und Methoden die einer technologischen Vorhut sein: ein überschaubares maximales Risiko durch Pilotprojekte mit konkreten praktischen Aufgaben.

Eine pauschale Einführungsstrategie kann es jedoch nach Meinung von Angelika Siegmund, verantwortlich für die Auswahl und Einführung neuer Methoden und Werkzeuge zur Unterstützung der Softwareentwicklung in der Geschäftsstellenorganisation bei Nixdorf, nicht geben. Die Definition der Anforderungen sei das Maß für die Auswahl geeigneter Methoden und Tools, führte sie in ihrem Referat aus.

Eingehend wurden in den Vorträgen auch die Sprachen der vierten Generation behandelt, die versuchen, dem Benutzer die Formulierung des "Was" zu ermöglichen und das "Wie" dem Interpreter zu überlassen. Dem langen Weg von der detaillierte n Spezifikation über ein kompliziertes Abnahmeverfahren bis zu den ersten Ergebnissen setzen die "Forth Generation Languages" das Prototyping gegenüber.

Auch hier werden einfache logische Datenhaltungen angeboten; das Auffinden der Daten übernimmt der Interpreter. Um sofort reagieren zu können, wird normalerweise auch nicht auf eine tiefere Ebene übersetzt, sondern ein hoher Zwischencode interpretiert. Die Erfahrungen mit diesen Werkzeugen hält Thurner in Teilbereichen für ausgezeichnet: Als Mittel für das Prototyping seien sie in der Lage, sehr rasch die relevanten Aspekte aufzuzeigen.

Im Praxiseinsatz hätten sie sich vor allem dort bewährt, wo der Abstand zwischen dem "Was" und dem "Wie" gering sei, wie etwa das Anzeigen von Daten aus der Datenbank oder das Nachführen von Daten mit limitierten Anforderungen an die Prüfung der Richtigkeit.

Für problematisch hält der Schweizer Softwareexperte jedoch den Einsatz solcher Tools, wenn komplexere Aufgaben zu lösen sind. Die Sprachen wie beispielsweise "Mapper" von Sperry seien zum Teil syntaktisch auf einem sehr bescheidenen Niveau; dies schließe die Erstellung größerer Softwarepakete aus.

Anwender, die es trotzdem versucht haben, stehen Thurner zufolge vor der unlösbaren Aufgabe, diese Programme auch zu warten. Die erstellte Software sei weder lesbar, noch könnten Änderungen vorgenommen werden, Die oft gehörte Empfehlung, das Programm "einfach neu zu schreiben", sei im Falle größerer Investitionen nicht als Lösung anzusehen.

Von langfristigen Softwareinvestitionen auf dieser Basis rät Thurner denn auch entschieden ab: Es sei sehr zu bezweifeln, daß irgendeine dieser Sprachen in fünf bis acht Jahren in dieser Form noch Verbreitung fände, Eine Konvergenz in der Entwicklung lasse sich heute noch nicht feststellen, zumal alle bekannten Erkenntnisse über Struktur und Syntax von Sprachen von den meisten dieser Produkte konsequent negiert würden.

Ein gemeinsamer Tenor war den Diskussionen um Methoden und Tools dennoch zu entnehmen. Softwarewerkzeuge werden in drastisch steigendem Umfang Entwicklungsaufgaben übernehmen und den heutigen professionellen Softwareentwickler in vielen Teilbereichen ersetzen, wenn sie auf einer Wissensbasis aufsetzen: Problemlösung durch Integration künstlicher Intelligenz.