GAD-Chef Anno Lederer im Gespräch

GAD: "Fusion nicht um jeden Preis"

02.05.2008
Anno Lederer: Seit dem Stopp der Sondierungsgespräche hat sich eine etwas neue Ausrichtung eingestellt, plötzlich treffen wir in Bereichen als Wettbewerber für Aufträge aufeinander, die in der Vergangenheit je nach Kompetenz verteilt wurden.
Anno Lederer: Seit dem Stopp der Sondierungsgespräche hat sich eine etwas neue Ausrichtung eingestellt, plötzlich treffen wir in Bereichen als Wettbewerber für Aufträge aufeinander, die in der Vergangenheit je nach Kompetenz verteilt wurden.
Foto: GAD

CW: Obwohl beide Partner die Fusion wollen, klingen die Positionen von Fiducia und GAD heute sehr unversöhnlich.

Lederer: Nein, unversöhnlich ist das Verhältnis nicht. Klar ist aber auch, dass wir nicht jedes Jahr Sondierungsgespräche führen können. Das beunruhigt die Banken und die Mitarbeiter. Deshalb haben wir für unser Haus festgelegt, frühestens im Frühjahr 2009 wieder Sondierungsgespräche auf der Basis der seinerzeit erarbeiteten Eckpunkte aufzunehmen.

CW: Dann wären drei Jahre seit den letzten Gesprächen verstrichen. In dieser Zeit wurden die Positionen durch Migrationsprojekte verfestigt, so dass ein Zusammenschluss noch schwerer fällt.

Lederer: Nichtsdestotrotz haben wir eine Verantwortung für die Mitglieder und Kunden der GAD, aber auch für die Weitergestaltung der genossenschaftlichen IT. Ich verfolge den Konsolidierungsprozess seit 30 Jahren. Es gab einstmals elf Rechenzentralen, heute sind es zwei. Dass der letzte Schritt der schwierigste ist, war mir klar. Die GAD verfolgt keine starre Position. Wir haben in den vergangenen Jahren viele Initiativen unternommen, die Zusammenarbeit zu intensivieren und den Prozess anzustoßen. Das werden wir auch weiterhin tun.

CW: Herr Krings hat sich in einem Gespräch mit der COMPUTERWOCHE im Januar 2008 ähnlich geäußert.

Lederer: Wir verstehen uns auch sehr gut. Wir haben beide einen Auftrag und eine schwere Verantwortung zu tragen. Nur bin ich zum Teil irritiert, wenn bestehende Prozesse der Zusammenarbeit plötzlich in Frage gestellt werden. Es gab in der Arbeitsgemeinschaft der genossenschaftlichen Rechenzentralen die Übereinkunft, wonach anstehende Aufgaben je nach Kompetenz verteilt werden. Durch den Stopp der Sondierungsgespräche hat sich eine etwas neue Ausrichtung eingestellt, plötzlich treffen wir in Bereichen als Wettbewerber für Aufträge aufeinander, die in der Vergangenheit je nach Kompetenz verteilt wurden.

CW: Rennt Ihnen die Zeit davon?

Lederer: Nein, wir haben klare Prioritäten gesetzt. Beispielsweise werden wir mit unseren IT-Lösungen kurzfristig die Prozesse der Banken optimieren und insbesondere ihre Vertriebskraft stärken. Aber wie gesagt, der letzte Schritt ist der schwierigste. Die Banken sehen die Vorteile einer Fusion auch, wollen aber auf gar keinen Fall ein Betriebsrisiko eingehen. Und sie wollen in der Fusionsphase keinen Bruch in ihren Vorhaben, die Prozesskosten weiter zu optimieren. GAD und Fiducia stehen bei einem Zusammenschluss zudem in der Pflicht, die in Aussicht gestellten Einsparungen tatsächlich zu erzielen.

Auch die Banken wollen die Fusion nicht um jeden Preis. Sie wollen Wirtschaftlichkeit und Unterstützung. Der Preis für eine Einheit darf nicht größer sein als die derzeitige Doppelbelastung in der Entwicklung. Ein Fusions- und Migrationsprozess dauert drei bis fünf Jahre, in der Zeit liegen viele andere Aufgaben brach.

Würden wir im Frühjahr 2009 die Gespräche beginnen, könnten wir im darauf folgenden Jahr den Beschluss rückwirkend fassen. Offizieller Start des gemeinsamen Unternehmens wäre der 1. Januar 2010. Dann könnten wir in Details einsteigen, ob wir beispielsweise zunächst einzelne Sparten auf eine gemeinsame Plattform migrieren oder einen Big-Bang-Ansatz zur Einführung des gemeinsamen Kernbankensystems verfolgen.

CW: Die Situation scheint verfahren. Ist eine Fusion mit einem Sparkassen-Dienstleister oder einem anderen IT-Dienstleister denkbar?

Lederer: Theoretisch denkbar ist Vieles. Es gibt und gab auch gemeinsame Projekte mit den Sparkassen-Organisationen. Ich halte eine Fusion über die Grenzen der Bankenlandschaft hinaus für ausgeschlossen, so lange beide Segmente nicht vollständig konsolidiert wurden. Die Schrittfolge ist damit klar.

CW: Bei dem ganzen Hickhack könnten die Gremien natürlich die Frage stellen: Wir sind Banken, wozu brauchen wir eine eigene IT-Organisation? Warum versilbern wir GAD und Fiducia nicht einfach und verkaufen?

Lederer: Erfolgreiches Bankgeschäft ist ohne IT nicht denkbar.

CW: Die kann ein externer Provider liefern.

Lederer: Man sollte den Charme dieser Konstruktion im Auge behalten. Das besondere Asset in unserer Organisation ist, dass unsere Kunden gleichzeitig unsere Eigentümer sind. Damit bestimmen die Volks- und Raiffeisenbanken durch ihre Vertreter in unseren Gremien direkt die Ausrichtung und die Prioriäten der IT-Unterstützung.

Vieles dieser Einflussmöglichkeiten ginge verloren, wenn die IT nicht mehr im Eigentum der VR-Banken wäre. Und die Banken haben ganz und gar nicht das Gefühl, dass sie schlecht betreut werden. Es gibt also keine Notwendigkeit, GAD und Fiducia zu verkaufen. Auch die SAP-Standardsoftware für die Bankenbranche ist keine Alternative. Die SAP-Lösung deckt bei weitem nicht die erforderlichen Funktionen einer Bank ab. Fiducia und GAD haben hier einen enormen Vorsprung.

CW: Wie sieht die Landschaft der IT-Dienstleister für Banken in fünf Jahren aus?

Lederer: Ich kann keine Prognose darüber abgeben, ob Fiducia und GAD dann schon ein Unternehmen sind. Der Konsolidierungsprozess wird einerseits deutlich vorangeschritten sein, andererseits werden sich die Dienstleistungsangebote ausweiten und verändern. Hier liegen interessante Perspektiven und Potenziale für den genossenschaftlichen Bereich.

In den nächsten fünf bis zehn Jahren sind auch Gespräche über den genossenschaftlichen Bankensektor, also mit der Sparkassen Informatik, denkbar. Allerdings werden wir innerhalb unserer Gruppe auf dem Fusionsweg deutlich weiter sein.

GAD: Bankendienstleister im Norden

Die Gesellschaft für automatische Datenverarbeitung (GAD) wurde Ende 1963 als Rechenzentrumsbetreiber für die Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken in Westfalen gegründet. Sie betreut heute rund 470 Volks- und Raiffeisenbanken in Nord- und Westdeutschland vom Standort und Hauptsitz in Münster aus. Dort betreibt die GAD zwei Rechenzentren. Der Umsatz belief sich im Jahr 2007 auf 350 Millionen Euro, die gesamte Unternehmensgruppe nahm 560 Millionen Euro ein. Zum Konzern zählen Tochtergesellschaften wie Ratiodata (technische Services wie etwa Rollout) und Elaxy (Bankenapplikationen etwa zur Vertriebssteuerung) sowie Beteiligungen an Anbietern wie VR Bankenservice (Geschäftsprozess-Outsourcing) und Giropay (Internet-Bezahldienst). Die GAD positioniert sich als Full-Service-Provider für Genossenschaftsbanken. Die Institute sind frei in der Wahl des Providers. Sie sind jedoch nicht nur Kunde des IT-Dienstleisters, sondern auch Eigentümer, so dass die Bande zur GAD traditionell sehr eng geknüpft sind. Vertreter der Banken stellen den Aufsichtsrat der GAD.

Basis der Geschäftstätigkeit ist das Kernbankensystem "Bank21". Die Lösung hat die GAD Anfang der 90iger Jahre zusammen mit der GRZ aus Hannover unter der Bezeichnung "BB3" als Großrechnerapplikation entwickelt. Bank21 ist laut GAD die evolutionäre Weiterentwicklung von BB3. Erst im September 2007 hat der Anbieter das eigenen Angaben zufolge größte Projekt seiner Geschichte abgeschlossen, in dessen Verlauf 461 Banken auf die neue Applikation umgestellt wurden. Neben Volks- und Raiffeisenbanken nutzen auch 23 Privatbanken die Applikationen. Das Drittmarktgeschäft verbessert die Auslastung, hat für die GAD aber keine strategische Bedeutung.

Die größte Herausforderung, der sich die GAD stellen muss, ist die Fusion mit der Fiducia, ihrem süddeutschen Pendant. Im Jahr 2005 haben beide Unternehmen Verhandlungen über einen Zusammenschluss geführt, die im März 2006 abgebrochen wurden. Während der GAD-Aufsichtsrat dem gemeinsam erstellten Fusionsfahrplan zustimmte, verlangte das Gremium der Fiducia Nachverhandlungen hinsichtlich der vereinbarten Parität und der geplanten Dachgesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main.

Die Aufgabe, den Zusammenschluss zu meistern, ist in der Zwischenzeit nicht einfacher geworden, weil sowohl die Fiducia mit "Agree" als auch die GAD mit "Bank21" über ein vollwertiges Kernbankensystem verfügen. Ein sinnvoll fusionierter Anbieter benötigt jedoch nur ein Kernbankensystem. Das ist ein großes Problem, denn auch die Fiducia hat kürzlich ein umfangreiches Migrationsprojekt zur Einführung von Agree in 840 Banken abgeschlossen. Weder Fiducia noch GAD können den Banken ein weiteres großes Veränderungsprojekt aufbürden. Außerdem haben beide IT-Dienstleister viel Geld in die Weiterentwicklung der eigene Software gesteckt. Einer muss die Investition abschreiben.

Gescheitert ist der erste Fusionsversuch aber auch an der paritätischen Besetzung der Gremien. Die Fiducia pocht auf mehr Einfluss, weil sie deutlich größer ist. Die GAD fordert Gleichbehandlung, weil sie sich in ihren Konsolidierungsbemühungen weiter als der designierte Partner wähnt.